Hubschrauberabsturz in Mali:Plötzlich sackte die Schnauze des "Tiger" nach vorne

Vorstellung von Hauptwaffensystemen des Heeres

Ein Hubschrauber vom Typ "Tiger" bei einer Übung der Bundeswehr.

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Zeugenaussagen aus Mali zeigen, wie schwer es werden dürfte, schnell Klarheit über den Hubschrauberabsturz mit zwei Toten zu erhalten. Unterschiedliche Ursachen sind denkbar.

Von Stefan Braun, Berlin, und Joachim Käppner

Am Tag danach gibt es in Berlin kein lautes Rufen, kein Kritisieren, erst recht keinen Versuch, das Unglück zu skandalisieren. Was sonst oft sehr schnell geht, zumal in Zeiten, in denen ein Bundestagswahlkampf aufzieht, ist nach dem tödlichen Absturz zweier Bundeswehrsoldaten in Mali ausgeblieben. In einer ersten Reaktion von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geht es nicht um Spekulationen, sondern um die Trauer.

Vom Bundespräsidenten abwärts beklagten alle den Verlust - und vermieden jeden Ton, der als Kritik hätte erscheinen können. Eine angenehme Zurückhaltung in komplizierten Zeiten. Der eingesetzte Hubschrauber Tiger galt bislang, anders als der umstrittene NH 90, trotz einer pannenreichen Entwicklungsgeschichte nicht als übermäßig krisenanfällig.

Nach ersten Berichten des Piloten, der gut 70 Kilometer nordöstlich von Gao hinter dem abstürzenden Hubschrauber flog, sackte die Schnauze des vorderen Tiger urplötzlich nach vorne; danach gab es, so die Schilderung des zweiten Piloten, kein Halten mehr, bis der Hubschrauber auf dem Boden aufprallte. Schon dieses erste Bild zeigt, wie schwer es werden dürfte, schnell Klarheit über den Unfall zu erhalten. Denn hinter vorgehaltener Hand ist zu hören, dass diese Art des Absturzes sehr verschiedene Schlüsse zulässt.

Verschiedene Absturzursachen sind denkbar

So etwas nämlich hätte sowohl durch Beschuss passieren können als auch dann, wenn der Pilot urplötzlich das Bewusstsein verloren haben sollte. Selbst ein technischer Defekt wäre keinesfalls ausgeschlossen. Aus diesem Grund warnten am Donnerstag alle Seiten davor, schon jetzt Wertungen abzugeben.

Diese Aufgabe wird dem "General Flugsicherheit" der Bundeswehr zufallen. Dahinter verbirgt sich sowohl eine Dienststelle als auch ein Amt, das Peter Klement bekleidet. Der "General Flugsicherheit" ist es, der nach Abstürzen aufklärt und bei Technikmängeln Einschätzungen über die Gefahren liefert. Am Donnerstag schickte Klement 15 Mitarbeiter schon früh in einer Maschine Richtung Mali.

Das Expertenteam soll den Hubschrauber und den Flugschreiber studieren sowie die Funkdaten und den Absturz mit ähnlichen Fällen anderer Nationen vergleichen. Auch aus diesem Grund spricht man im Verteidigungsministerium von einem "elendlich langen Prozess". Sicher ist deshalb nur eines: Fürs Erste werden die drei weiteren Tiger-Hubschrauber, die in Mali stationiert sind, am Boden bleiben. Es sei denn, irgendwo würden Soldaten der UN-Mission Minusma akut in Not geraten.

Die Entwicklung des "Tiger" zog sich ungewöhnlich lange hin

Der Tiger aus deutsch-französischer Produktion ist noch in den Achtzigerjahren als Mehrzweck-Kampfhubschrauber konzipiert worden. Der erste Prototyp flog schon 1991, doch die weitere Entwicklung zog sich wegen technischer Schwierigkeiten und immer wieder erforderlicher Nachrüstungen ungewöhnlich lange hin - selbst für europäische Rüstungsprojekte.

Im März 2013 stürzte eine Maschine der Luftwaffe bei einem Übungsflug nahe Ettal ab. Als ebenfalls 2013 der erste einsatzbereite Tiger bei den deutschen Isaf-Truppen in Afghanistan ankam, hatten diese nach zwölf Jahren bereits den Abzug eingeleitet. Ganz am Ende der Mission gab es noch einzelne Kampfeinsätze gegen Hinterhalte der Taliban. Der Tiger fehlte vor allem, als Trupps der Bundeswehr in den Krisenjahren 2007 bis 2010 in Hinterhalte gerieten.

Bedenken gab es in Mali aufgrund der westafrikanischen Hitze

Kritiker wie der SPD-Wehrexperte Hans-Peter Bartels sprachen damals von einem "Armutszeugnis" für die Industrie. Frankreichs Streitkräfte dagegen nutzen ihre Tiger-Variante schon seit 2009 ohne Probleme, etwa in Afghanistan und Libyen. Anders als vergleichbare russische oder US-Modelle und auch die französische Variante hat der deutsche Tiger keine schwenkbare Maschinenkanone am Kinnturm, was Kritiker als Sicherheitsproblem bemängelten: Wird die Maschine beschossen, muss sie sich erst komplett dem Ziel zudrehen.

Die größere Sorge der deutschen Piloten war indessen schon in Afghanistan der "Expertiseverlust", den auch das Heer intern beklagt. Es gibt zu wenig fliegendes Personal, die wenigen Piloten und Bordschützen sind fast ständig entweder im Einsatz, bei Erprobungsflügen oder Übungen. Bedenken gab es in Mali aufgrund der westafrikanischen Hitze. Der Inspekteur des Heeres hatte eine Ausnahmegenehmigung für den Flug unter hohen Temperaturen erteilt und die Obergrenze von circa 43 Grad Celsius für den Start der Hubschrauber für den Einsatz in Mali um fünf Grad angehoben.

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