Bundeswehr:Die Geister von gestern

Die deutsche Armee hat noch nie als Ersatz-Polizei im Inland getaugt, ihr Einsatz im Inneren hat eine traurige Vergangenheit. Wenn jetzt wieder einmal der Einsatz der Bundeswehr im Innern empfohlen wird, steckt da aber ein klares Kalkül dahinter.

Von Joachim Käppner

Deutschland hat eine lange Tradition des Einsatzes von Militär im Inland. Leider ist dies eine Tradition, auf die man sehr gern verzichten würde: Soldaten schossen 1848/49 die freiheitliche Revolution zusammen; von den Soldaten verlangte Kaiser Wilhelm II., auf ihre eigenen Familien zu schießen; Soldaten putschten 1920 gegen die demokratische Reichsregierung, während die Führung der Reichswehr sich weigerte einzuschreiten, denn "Truppe schießt nicht auf Truppe". Weite Teile der Zivilgesellschaft galten den Generälen als innerer Feind, dem wahren Feind warfen sie sich dann 1933 an den Hals. Das ist der Hintergrund, vor dem das Grundgesetz den Einsatz von Streitkräften im Inneren untersagt, mit eng begrenzten Ausnahmen wie Katastrophen oder anderen Notfällen.

Man kann nun mit guten Gründen argumentieren, dass die Parlamentsarmee der Bundeswehr mit den bösen Geistern von gestern, mit Freikorps und Reichswehr nichts gemein hat. Dennoch bleibt die Vergangenheit eine düstere Folie, die berücksichtigen sollte, wer jetzt die Verfassung ändern und die Bundeswehr für Inlandseinsätze gegen die terroristischen Bedrohungen auf die Straßen schicken möchte. Die Republik ist gut damit gefahren, dass die öffentliche Sicherheit ausschließlich bei der Polizei liegt.

Der Einsatz der Armee im Innern ist eine jener trügerischen Zauberformeln, die durch stete Wiederholung nicht sinnvoller werden. Was die Bundeswehr im Inland, laut Entwurf für das neue Weißbuch, gegen "Charakter und Dynamik sicherheitspolitischer Bedrohungen" ausrichten soll, wenn diese aussehen wie in Paris und Brüssel, bleibt unklar. Das Militär könnte wie in Frankreich Plätze und Objekte bewachen, freilich: Alle möglichen Szenarien lassen sich vorstellen, aber kaum welche, bei denen die Polizei nicht besser für den Job geeignet wäre.

Die innere Sicherheit ist Sache der Polizei, nicht der Soldaten

Die Bundeswehr ist für deren Aufgaben nicht ausgebildet, der Einsatz bewaffneter Militärmacht etwas gänzlich anderes als die Verhältnismäßigkeit der Mittel und die Strategien, welche die Polizei praktiziert. Auch bei den Auslandseinsätzen hat sich gezeigt, dass Soldaten schnell überfordert sind, wenn sie die Ersatzpolizei geben müssen, wie bei den März-Unruhen in Kosovo 2003. Es genügt ja nicht, Uniformierte mit Gewehr durch den Bahnhof patrouillieren zu lassen - sie müssen auch heikle Situationen richtig einschätzen und entsprechend reagieren. Eine Möglichkeit, die genannt wird, wäre ein Einsatz der Feldjäger, der bundeswehreigenen Polizei. Aber dann kann man auch gleich die reguläre Polizei nehmen, zumal die Zahl der Feldjäger überschaubar ist. Gegen kleine Zellen fanatischer Attentäter helfen gut ausgebildete Ermittler sehr viel besser als schwerbewaffnete Soldaten auf den Straßen.

Die Polizei aber wurde, überspitzt gesagt, vor allem von den Ländern jahrelang als eine Art Sparschwein genutzt, bis Beamte von Spezialeinsatzkommandos ihre eigenen Parkplätze auf dem Hof bezahlen mussten. Personalabbau, Schließungen von Wachen, als Reform verkleidete Kürzungsstrategien führten dazu, dass jetzt erheblicher Nachholbedarf besteht.

Man kann, wie die Linke, die Ideen zum Inneneinsatz für das neue Weißbuch der Bundeswehr als Militarisierung der inneren Sicherheit bezeichnen; aber es sind weniger sinistre als haushälterische Motive, die dahinterstecken. Die Bundeswehr, obwohl selbst durch vielerlei Aufgaben überbeansprucht, soll ausputzen helfen, wo es der Polizei an Personal und Mitteln fehlt. Gleichzeitig wollen jene in den Unionsparteien, deren Mantra der Einsatz der Truppe innerhalb Deutschlands seit Jahren ist, Handlungsfähigkeit und starken Staat demonstrieren. Für derlei Schaupolitik ist die Verfassung aber zu schade.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: