Bundeswehr:Deutschland im Kampfdrohnen-Dilemma

Die Luftwaffe will künftig mit bewaffneten Drohnen in Kampfeinsätze ziehen - und findet mit ihrem Wunsch bei Verteidigungspolitikern durchaus Gehör. Doch der Einsatz solcher Flugobjekte ist umstritten. Am Ende könnte vor allem die Rüstungsindustrie profitieren.

Johannes Kuhn

Vor wenigen Tagen leitete die Bundesanwaltschaft Ermittlungen wegen eines tödlichen amerikanischen Drohnenangriffs auf einen deutschen Staatsbürger im Nordwesten Pakistans ein. Nun kocht die politische Debatte hoch, ob auch die Bundeswehr womöglich bald in dem Bereich aufrüstet, den Kritiker als "Töten per Fernbedienung" bezeichnen.

Verteidigungsminister de Maiziere besucht die USA

Drohne der US-Armee des Typs MQ-9 Reaper: Luftwaffe will Flugobjekte bewaffnen.

(Foto: dapd)

Bislang setzt die Bundeswehr Drohnen nur zur Luftaufklärung in Afghanistan ein. Hierfür least das Verteidigungsministerium von einem Konsortium das israelische Modell Heron I, auch Drohnen des deutschen Herstellers Rheinmetall finden Verwendung. Der Vertrag mit dem israelischen Konsortium wurde erst jüngst um zwei Jahre bis zum Ende des Afghanistan-Einsatzes 2014 verlängert.

Von 2015 an muss eine andere Lösung her, über die gerade in Ministerium und Bundeswehr diskutiert wird. Dabei geht es vor allem darum, ob das Verteidigungsministerium Drohnen kaufen soll und ob diese waffenfähig sein werden. Auch wenn jüngst ein Sprecher des Ministerium erklärte, hier "am Anfang der Überlegungen" zu stehen - in Berlin rechnen viele mit einer Entscheidung im Herbst.

Einige Verteidigungspolitiker signalisieren bereits Zustimmung zu einer Bewaffnung. "Unbemannte fliegende Systeme sind eine Zukunftstechnologie, der wir uns nicht verschließen sollten", sagt der stellvertretende verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Henning Otte, zu Süddeutsche.de. Die Anschaffung von bewaffneten Drohnen erweitere "militärische Handlungsmöglichkeiten."

Luftwaffe drängt auf Bewaffnung

Ähnlich argumentiert der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold. Er hält auch keine neuen Gesetze für notwendig. "Drohneneinsätze sind wie Einsätze von Kampfflugzeugen mandatspflichtig, rechtliche Fragen gäbe es keine zu klären. Wir müssen aber die politischen Risiken diskutieren." Dabei geht es um die Furcht, die Aussicht "ferngesteuerte Krieg" könnte dazu führen, dass der Bundestag Auslandseinsatze schneller abnickt.

Die Luftwaffe selbst drängt bereits länger auf die Bereitstellung von Kampfdrohnen. So heißt es im Afghanistan-Reisebericht der Grünen-Abgeordneten Katja Keul vom Mai (hier als PDF-Dokument): "Die Luftwaffe wünscht sich eine Bewaffnung der Drohne, da diese Fähigkeit auch von anderen Nationen regelmäßig abgefragt würde. Auf meine skeptischen Nachfragen versichert man mir an verschiedenen Stellen, die Bewaffnung würde zum Schutz von Leib und Leben der Soldaten benötigt."

Das Argument stößt allerdings auf Skepsis. So schreibt Keul weiter: "An den berichteten Fallbeispielen ist zu erkennen, dass es vor allem darum geht, 'entdeckte' Kämpfer vernichten zu können, bevor diese sich zurückziehen." Genau ein solcher Einsatz ist allerdings politisch umstritten, da er das Töten von Menschen in den Augen von Kritikern zu leicht macht.

Milliardenaufträge für die Rüstungsindustrie

Keuls Parteikollege, der verteidigungspolitische Fraktionssprecher Omid Nouripour, hält eine Bewaffnung der Fluggeräte deshalb zwar grundsätzlich für möglich, zeigt sich aber in einem entscheidenden Punkt skeptisch: "Was auf keinen Fall geht, ist eine Beschaffung solcher Drohnen ohne plausible Erklärung. Ich bin sehr gespannt darauf, wie die aussieht."

Elke Hoff, verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, sieht das ähnlich: "Wir sollten genau wissen, für welche Szenarien die Bundeswehr diese einsetzen möchte - nur defensiv, oder auch offensiv. Das Argument 'Wäre schön, wenn wir das auch hätten', reicht alleine für eine Beschaffung nicht aus."

Ein Szenario wie in den USA, wo Geheimdienste die Flugobjekte in Ländern wie Pakistan und Jemen zur Tötung mutmaßlicher Terroristen einsetzen, ist in Deutschland bislang kaum vorstellbar. Dennoch haben Kritiker grundsätzliche Probleme mit Kampfdrohnen: Menschenrechtler fürchten eine "Dehumanisierung des Krieges", die schnelleres Töten ermöglicht.

Zudem führte der Einsatz solcher Waffen nach Recherchen des "Bureau of Investigative Journalism" in den USA dazu, dass die zivile Opferzahl deutlich zu niedrig angegeben wurde - womöglich auch, um die Mär vom chirurgischen Krieg ohne zivile Opfer aufrechtzuerhalten.

Industriepolitische Fragen spielen eine Rolle

Am Ende könnten allerdings nicht nur ethische, sondern auch industriepolitische Interessen die Entscheidung beeinflussen: Der Markt für Drohnen gilt als äußerst zukunftsträchtig und milliardenschwer. Cassidan, die Verteidigungssparte des deutsch-französischen Rüstungskonzerns EADS, hat bereits 500 Millionen Euro in das Drohnen-Pilotprojekt Talarion investiert, das derzeit auf Eis liegt. Die Konkurrenzdrohne trägt den Namen Telemos und wird von den Rüstungsfirmen BAE Systems und Dassault als britisch-französische Ko-Produktion entwickelt.

Noch ist unklar, ob die konkurrierenden Projekte zu einem europäischen Drohnen-Programm verschmolzen werden. In diesem Falle könnte sich Deutschland dazu verpflichten, einige Fluggeräte zu ordern. Bei diesen muss es sich allerdings nicht um Kampfdrohnen handeln: Auch in zivilen Bereichen wie der Überwachung des Luftraums lässt sich die Technologie einsetzen.

Im Verteidigungsministerium, so ist zu hören, bevorzugt man derzeit ohnehin das israelische Modell Heron oder die amerikanische Drohne Predator. Letztere gilt als äußerst erprobt, hat aber einen entscheidenden Nachteil: Die USA geben in bestimmte Systemkomponenten keinen Einblick. Die "Fernbedienung zum Töten" wäre damit für die Bundeswehr eine Black Box.

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