Bundeswehr:SPD-Abgeordneter: Von der Leyen informierte zu spät über Bundeswehrskandal

Sexueller Sadismus, Unterwerfungsrituale, Mobbing: Die Vorwürfe gegen Soldaten der Staufer-Kaserne in Pfullendorf wiegen schwer. Abgeordnete kritisieren die Verteidigungsministerin.

Bundeswehr Rocked By Sex Scandal

Sexueller Sadismus, Unterwerfungsrituale, Mobbing: Die Vorwürfe gegen Soldaten und Vorgesetzte der Staufer-Kaserne in Pfullendorf wiegen schwer.

(Foto: Johannes Simon/Getty Images)

Im Skandal um Gewaltexzesse von Soldaten an einem Elite-Standort der Bundeswehr geraten zunehmend auch das Verteidigungsministerium und die militärische Führung in die Kritik. Bundestagsabgeordnete von SPD und Grünen prangerten eine schleppende Informationspolitik an. Sie kündigten an, die Vorfälle in der Staufer-Kaserne von Pfullendorf (Baden-Württemberg) im Verteidigungsausschuss prüfen zu wollen. Das Heer hatte zuvor eingeräumt, dass es in der Ausbildungskaserne zu einer "Häufung ernst zu nehmender Vorfälle" gekommen sei.

Es habe Verstöße gegen das "Gebot zur Achtung der Würde des Menschen, der sexuellen Selbstbestimmung und des Schamgefühls" gegeben. Im Zuge sogenannter "Aufnahmerituale" seien Soldaten misshandelt worden. Zudem gebe es Hinweise auf Mobbing. "Die Vorgänge sind nicht zu tolerieren", erklärte Heeres-Inspekteur Jörg Vollmer. Die Verstöße würden "mit aller Konsequenz geahndet".

"Restbestände von Machoverhalten"

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD) sagte, "etliche Soldaten und Vorgesetzte" seien in den Skandal verwickelt. In der Kaserne habe es womöglich "Restbestände von einem Machoverhalten" gegeben, die Dienstaufsicht habe versagt. Nun werde "hart durchgegriffen". Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte die Vorfälle in der Staufer-Kaserne zuvor als "abstoßend und widerwärtig" bezeichnet. Sie würden "mit aller Härte aufgeklärt".

Spiegel-Online hatte zuerst berichtet, dass in der Kaserne "sexuell-sadistische Praktiken" bei der Ausbildung von Kampfsanitätern offenbar an der Tagesordnung waren. Zudem habe es "abstoßende Gewaltrituale unter Wachsoldaten" in der Kaserne gegeben. Nach Angaben des Heeres wurde bereits am vergangenen Dienstag die Staatsanwaltschaft Hechingen wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung, der gefährlichen Körperverletzung, Gewaltdarstellung und Nötigung eingeschaltet.

Die Ermittlungen waren durch die Aussagen einer Soldatin ins Rollen gekommen, die sich an den Wehrbeauftragten Bartels und Verteidigungsministerin von der Leyen wandte. Sie berichtete, dass sich Rekruten bei der Ausbildung vor den Kameraden nackt ausziehen mussten und dabei gefilmt wurden. Zudem mussten die Rekruten der Zeugin zufolge medizinisch unsinnige, erniedrigende und offenbar sexuell motivierte Übungen absolvieren.

Grüne fordern lückenlose Klärung

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Rainer Arnold, kritisierte die Kommunikationsstrategie der Ministerin. "Wieder einmal wurde das Parlament nicht rechtzeitig informiert, obwohl die Fakten schon seit einiger Zeit bekannt waren", sagte er. Arnold und die anderen Obleute des Verteidigungsausschusses wurden demnach erst kurz nach Veröffentlichung des Spiegel Online-Berichtes durch Generalinspekteur Volker Wieker schriftlich informiert. Arnold sprach sich für eine Sondersitzung des Bundestags-Ausschusses aus. Von der Leyen müsse "sauber aufklären, strafrechtlich Relevantes weiterhin zur Anzeige bringen und in dem Laden aufräumen". In Pfullendorf sei "offensichtlich die notwendige Härte in der Ausbildung mit menschenverachtender Dummheit verwechselt" worden.

Die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger erklärte, ihre Partei werde im Verteidigungsausschuss eine lückenlose Klärung einfordern. Sie kritisierte, dass das Ministerium "schon Monate" davon gewusst habe.

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