Bundeswehr:Brisante Lücke

Bundeswehr Holds Military Exercises

Anfang März verlegt die Bundeswehr vier NH-90-Helikopter für Verletztentransporte nach Mali.

(Foto: Getty Images News/Getty Images)

2017 sollen in Mali deutsche Rettungshubschrauber fliegen - flankiert von Kampfhelikoptern. Auf deren Schutz wird jedoch einige Wochen verzichtet werden müssen.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Gut zwei Wochen ist es her, dass ein Selbstmordattentäter den Flugplatz in Gao im Norden Malis mit Sprengstoff attackierte. Außer dem Attentäter selbst starb niemand, auch von den dort stationierten Bundeswehrsoldaten kam keiner zu Schaden. Doch die Attacke führte noch einmal vor Augen, wie gefährlich dieser Einsatz ist, den Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Anfang der Woche in der Bild als "mit das gefährlichste Mandat" bezeichnete, "das die Bundeswehr zurzeit erfüllt". Im nächsten Jahr könnte es sogar noch gefährlicher werden.

Von der Leyen kündigte in dem Interview an, im Januar werde der Bundestag über eine Aufstockung des deutschen Engagements innerhalb der UN-Mission Minusma entscheiden, von derzeit bis zu 650 auf rund 1000 Soldaten. Die Bundeswehr soll dann von den Niederländern die sogenannte Rettungskette übernehmen: Um im Notfall verletzte Soldaten ausfliegen zu können, sollen von Anfang März an vier deutsche Hubschrauber vom Typ NH 90 in Gao stationiert sein. Zu ihrem Schutz sowie für anderweitige Unterstützung aus der Luft sind vier Tiger-Kampfhubschrauber vorgesehen. Das ist seit Längerem bekannt. Was bislang nicht bekannt ist: Zwischenzeitlich werden in Gao gar keine Kampfhubschrauber zur Verfügung stehen - weder deutsche noch, wie bisher, die niederländischen. Stattdessen wird es nach Informationen der Süddeutschen Zeitung eine Lücke von einigen Wochen geben, in der die Soldaten ohne Schutz aus der Luft auskommen müssen. Verwundete könnten in dieser Zeit nur eingeschränkt aus der Luft geborgen werden. Angesichts der Risiken des Einsatzes hat das durchaus eine gewisse Brisanz.

Es gibt nicht genügend Stellplätze für deutsche und niederländische Hubschrauber

Hinter der zu erwartenden Lücke steckt, wie in Militärkreisen zu hören ist, eine Mischung aus logistischen und infrastrukturellen Gründen. Zum einen ist es für die Bundeswehr ohnehin eine logistische Großaufgabe, acht Hubschrauber nach Westafrika zu bringen. Das dauert. Zunächst sind die NH90 dran, dann sollen die Tiger folgen. Vor allem aber gibt es in Gao ein Problem mit dem Platz.

Es gibt dort schlicht nicht genügend Abstellflächen, um die deutschen und niederländischen Hubschrauber gleichzeitig unterbringen zu können. Bei der Präsenz der Sanitätshubschrauber soll es, anders als bei den Kampfhubschraubern, keine Lücke geben. Laut Militärkreisen wollen die Niederländer zunächst ihre Kampfhubschrauber abziehen. Wenn dann die deutschen NH90 angekommen sind, ist aber noch nicht sofort Platz für die Tiger. Dadurch entsteht die Lücke. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagt auf Anfrage, man befinde sich "hinsichtlich der Übergabe der Fähigkeiten" derzeit "in Abstimmungsgesprächen mit unseren niederländischen Partnern".

Wegen der Kampfhubschrauber-Lücke dürften die deutschen Soldaten ihren Aktionsradius einschränken. Bei Militäreinsätzen muss jederzeit sichergestellt sein, dass Verwundete innerhalb einer bestimmten Zeit notärztlich versorgt werden können. Falls das Risiko für Rettungsflüge ohne Begleitschutz zu hoch ist, müssten die Rettungskräfte sich am Boden bewegen. Entsprechend weniger Distanz könnten sie in kurzer Zeit überwinden. Allerdings hat kürzlich der Einsatz jener Heron-Aufklärungsdrohnen begonnen, mit denen die Bundeswehr Informationen über die Lage im Norden Malis sammelt. Entsprechend groß wird im März die Reichweite sein, auch wenn das Lager nicht verlassen wird.

Der Einsatz der deutschen Hubschrauber war in der großen Koalition längere Zeit umstritten. Vor allem die SPD hatte befürchtet, dass die Bundeswehr hier, ähnlich wie in Afghanistan, nach und nach dauerhaft in einen gefährlichen Einsatz hineingezogen werden könnte. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte sich daher zunächst gegen eine Ausweitung des deutschen Engagements gewehrt. Doch durch die Ankündigung der Niederländer, ihre Hubschrauber abzuziehen, drohte eine Lücke zu entstehen - und es fand sich offenbar kein anderes Land, das die Rolle kurzfristig übernehmen wollte. Vor diesem Hintergrund einigten sich von der Leyen und Steinmeier im Oktober darauf, die deutschen Hubschrauber nach Mali zu schicken. Um zu verhindern, dass die Bundeswehr dauerhaft Hubschrauber stellen muss, soll ein Rotationssystem sicherstellen, dass diese nach einer festgelegten Zeitspanne abgelöst werden.

Der Norden Malis war 2012 zeitweise von Rebellen kontrolliert worden. Die UN-Mission soll ein Friedensabkommen überwachen. Der Norden gilt als deutlich gefährlicher als der Süden, wo die Bundeswehr im Rahmen einer EU-Mission malische Soldaten ausbildet.

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