Bundeswehr:Militärpolizei stand in München einsatzbereit

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Der Soldat als Personenschützer: Während eines Manövers üben Feldjäger der Bundeswehr die Abwehr eines Angriffs auf eine Fahrzeugkolonne. (Foto: imago stock&people)
  • Nach dem Amoklauf von München bringt Verteidigungsministerin von der Leyen auch eine mögliche Verstärkung durch Bundeswehr-Einheiten ins Spiel.
  • Mit ihren Äußerungen befeuert die CDU-Politikerin den Streit um den Einsatz der Truppe im Inland neu.
  • Dabei ist völlig unklar, wie viele Soldaten überhaupt so kurzfristig bereitgestanden hätten.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Als sich die Republik am Samstag ein einigermaßen klares Bild davon gemacht hatte, was in München passiert war und was nicht, da steuerte Ursula von der Leyen noch mal einen Beitrag ganz eigener Art zur Debatte bei. Längst war bekannt, dass es sich in München nicht etwa um einen terroristischen Großangriff, sondern um die Tat eines jugendlichen Amokschützen handelte, als die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung per Vorabmeldung eine Aussage der Verteidigungsministerin verbreitete: "Solange das Ausmaß des Anschlages am Freitag nicht klar war, war eine Feldjäger-Einheit der Bundeswehr in München in Bereitschaft versetzt."

Normalerweise redet die Bundeswehr über solche Dinge auch im Nachhinein nur ungern. Schließlich, so heißt es üblicherweise zur Begründung, wolle man etwaigen künftigen Tätern keine Rückschlüsse darüber erlauben, worauf sie sich im Fall der Fälle einzustellen hätten. Warum also verriet nun die Ministerin höchstpersönlich ohne Not, dass die Feldjäger, also die Militärpolizei der Bundeswehr, sich zwischenzeitlich bereit gehalten hatten? Hatte überhaupt jemand die Truppe angefordert oder nach ihr gefragt? Und wer hatte sich da eigentlich genau bereit gehalten?

Zunächst zum Motiv der Ministerin. Dafür muss man sich erinnern, dass Union und SPD erst kürzlich heftig über Bundeswehr-Einsätze im Innern gestritten hatten. Anlass war ein erster Entwurf für das neue Bundeswehr-Weißbuch aus dem von der Christdemokratin von der Leyen geführten Verteidigungsministerium. Bislang, hieß es darin, könne die Bundesregierung die Bundeswehr im Innern etwa im "Fall des inneren Notstandes" einsetzen: "Charakter und Dynamik gegenwärtiger und zukünftiger sicherheitspolitischer Bedrohungen machen hier Weiterentwicklungen erforderlich, um einen wirkungsvollen Beitrag der Bundeswehr zur Gefahrenabwehr an der Grenze von innerer und äußerer Sicherheit auf einer klaren Grundlage zu ermöglichen."

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Die SPD reagierte darauf mit scharfer Kritik und setzte sich durch. Die Forderung nach "Weiterentwicklungen" fehlt in der Endversion. Stattdessen wird ausführlich auf jene Möglichkeiten eingegangen, die das Grundgesetz bereits für den Einsatz der Truppe im Innern biete, etwa "bei terroristischen Großlagen" zur "Unterstützung der Polizeikräfte".

Wollte von der Leyen das Thema nun auf diese Weise noch einmal auf die Agenda setzen und verdeutlichen, dass die Bundeswehr im Ernstfall auch ohne Grundgesetzänderung bereitstünde? Offensichtlich ja. "Die Anschlagserie von Paris hat allen die Augen geöffnet", sagte sie im Interview mit der FAS, "in eng begrenzten Fällen, etwa bei parallelen schweren Anschlägen an mehreren Orten, lässt auch unser Grundgesetz den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu." Bereits am Freitagabend hatte sich der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn per Twitter zu Wort gemeldet. Noch wusste niemand, was genau sich in München abgespielt hatte, als Hahn schrieb: Zur "Herstellung der Sicherheit im öffentlichen Raum" brauche man für die nächsten Tage die Bundeswehr. Als es Kritik an seiner Äußerung gab, legte er noch einmal nach: Die Polizei melde schließlich eine "akute Terrorlage".

Offensichtlich ist also, dass die Union den Anlass umgehend politisch zu nutzen versuchte. Weniger offensichtlich stellte sich am Wochenende dar, was es mit der Bereitschaft der Münchner Feldjäger eigentlich genau auf sich hatte.

Von Seiten der Polizei oder der Landesregierung angefordert worden sei die Bundeswehr nicht, sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums. Stattdessen sei man von sich aus aktiv geworden, für den Fall, dass die Truppe gebraucht würde. Generalinspekteur Volker Wieker habe die Feldjägerkräfte "nach erteilter Prokura" durch die Ministerin in Bereitschaft versetzen lassen. Für weitere Fragen verwies sie an die Streitkräftebasis als zuständigen Organisationsbereich.

Die Bundeswehr verabschiedet sich üblicherweise gegen Freitagmittag oder kurz danach ins Wochenende. An einem Freitagabend auf die Schnelle nennenswerte Kräfte zu mobilisieren, kann also durchaus eine Herausforderung darstellen. Im Fall der Feldjäger sei das allerdings anders, versicherte ein Sprecher der Streitkräftebasis - hier sei eine dauerhafte Präsenz gesichert. Entsprechend wäre man auch am Freitag im Fall der Fälle einsatzbereit gewesen.

In München sitzt der Stab des Feldjägerregiments 3, in der Fürst-Wrede-Kaserne. Das Regiment besteht aus etwa 900 Soldaten - allerdings ist nur ein kleiner Teil davon tatsächlich in München stationiert. Daneben verteilen sich die Kompanien auf Standorte wie Stetten am kalten Markt im Landkreis Sigmaringen, Erfurt, Veitshöchheim, Bruchsal, Ulm und Roding. Wie viele Soldaten am Freitagabend schnell zur Verfügung gestanden hätten, wollte der Sprecher nicht verraten: Man wolle etwaigen künftigen Tätern keine Details offenlegen.

Bleibt noch die Frage, was genau die Feldjäger hätten leisten können, wozu die Münchner Polizei im Fall eines terroristischen Anschlags nicht in der Lage gewesen wäre. Man hätte, sagte der Sprecher, im Ernstfall "Manpower" anbieten können, außerdem Spürhunde. Und geschützte Fahrzeuge. Aber hätte das Zusammenspiel überhaupt funktioniert? Dazu noch einmal die Ministerin: Man habe "noch nie geübt", dass "die Truppe auch bei terroristischen Großlagen die Polizei unterstützt".

© SZ vom 25.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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