Bundesverfassungsgerichts:Mehr Rechte für junge Häftlinge

Justizministerin Zypries legt einen Entwurf vor, wonach vor allem die Ausbildungs- und Besuchsrechte von Jugendlichen in Gefängnissen verbessert werden sollen. Bayern beklagt sich über die "Kuschelpädagogik" und präsentiert einen eigenen Vorschlag.

R. Roßmann, S. Handel und B. Dörries

Eine Woche nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Jugendstrafvollzug haben am Mittwoch sowohl Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) als auch die Länder Bayern und Baden-Württemberg Gesetzentwürfe zur Neuregelung vorgelegt.

Dadurch sollen vor allem die Ausbildungs- und Besuchsrechte sowie die Unterkunft verbessert werden. Die Karlsruher Richter hatten in ihrem Grundsatzurteil moniert, dass es bisher keine gesetzlichen Bestimmungen gebe, die auf die "besonderen Anforderungen" der Jugendlichen in Gefängnissen zugeschnitten seien. Dies müsse der Gesetzgeber bis Ende 2007 ändern.

Zypries sagte, wichtigstes Ziel ihres Entwurfs sei die Resozialisierung der Jugendlichen. Wenn die Gefangenen nach ihrer Entlassung straffrei blieben, garantiere dies automatisch auch den Schutz der Bevölkerung. Bisher liege die Rückfallquote mit bis zu 78 Pozent aber sehr hoch.

Künftig sollten jugendliche Gefangene deshalb das Recht auf vier Stunden Besuch im Monat haben. Derzeit sei nur eine Stunde zulässig. Für mindestens zwei Drittel der Insassen müssten Schul- und Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden.

Außerdem sollten Wohngruppen mit höchstens acht Gefangenen geschaffen werden, um "ein Leben in strukturierten Tagesabläufen und soziales Verhalten" üben zu können. Nachts sollten die Jugendlichen sogar Anspruch auf eine Einzelunterbringung haben.

"Kein Kuschel-Strafvollzug"

Außerdem verlangt der Entwurf bessere pädagogische und therapeutische Angebote. Er gesteht den Jugendlichen auch das Recht auf das Tragen eigener Kleidung zu. "Wir wollen aber keinen Kuschel-Strafvollzug machen, sondern die Gefangenen auch fordern", sagte Zypries.

Deshalb enthalte ihr Entwurf einen Pflichtenkatalog für die Häftlinge. So sollten die Jugendlichen künftig gezwungen werden können, an Fördermaßnahmen teilzunehmen.

Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) kritisierte den Zypries-Entwurf als zu praxisfern. Es handele sich unverändert um den Vorschlag, den die Länder schon zu Zeiten der Regierung Schröder abgelehnt hätten.

Die "Kuschelpädagogik" sei nicht umsetzbar, sagte Merk. "Der Rat unserer erfahrenen Praktiker wurde nicht berücksichtigt."

Die Ministerin gehe vom "Bild eines Gefangenen aus, wie es in der Wirklichkeit nicht existiert". Es gehe hier nicht um ein Landschulheim, sondern um Strafvollzug.

Außerdem würde durch das Bundesgesetz ein Investitionsbedarf von 55 Millionen Euro alleine auf die bayerische Justiz zukommen. Die jugendlichen Straftäter seien meistens nicht in der Lage, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln: "Sie haben nie gelernt, wie ein Tag zu strukturieren ist oder wie man Konflikte gewaltfrei löst", sagte Merk.

Deshalb sei in dem bayerischen Entwurf anders als im Bundesvorschlag kein Mitspracherecht der Gefangenen vorgesehen. Stattdessen setzt Bayern deutlich mehr auf Erziehung und Ordnung - so sollen die Insassen im Regelfall Anstaltskleidung tragen müssen. Merk sagte, es gehe bei den verschiedenen Gesetzentwürfen nicht um einen "Schäbigkeitswettbewerb".

Allerdings gestand sie ein, dass die Kosten pro Häftling und Tag - in Bayern derzeit 67 Euro - "jedes Jahr nach unten gehen".

Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) forderte den Bund auf, den Ländern zum 1. Januar 2007 die Gesetzgebungskompetenz für den Jugendstrafvollzug zu übertragen. Der von ihm am Mittwoch vorgelegte Gesetzentwurf sei deutlich günstiger und effektiver als der des Bundes. Sein Ziel sei es, neben dem Schutz der Allgemeinheit vor Kriminellen für eine konsequente Erziehung junger Straftäter zu sorgen.

Der Entwurf der Bundesregierung spare dagegen den Begriff der "Erziehung" aus. "Ein Jugendstrafvollzugsgesetz, das den Erziehungsgedanken faktisch aufgibt, ist mit uns nicht zu machen." Den Jugendlichen müssten in der Haft auch Werte wie Rücksicht, Disziplin, Ordnung und Mitmenschlichkeit vermittelt werden.

Zudem seien die im Zypries-Entwurf gemachten Vorgaben den Ländern zu teuer. Er wolle mit seinem Gesetzentwurf in keinen Wettlauf um das billigste Gefängnis eintreten. Jugendliche müssten aber nicht, wie vom Bund in der Vergangenheit gefordert, zwingend einzeln untergebracht werden.

Goll begrüßte die Zusammenarbeit mit Bayerns Justiministerium. Die Gesetzentwürfe beider Länder seien in weiten Teilen abgestimmt. Die bayerische Haltung begrüßte Goll als "überraschend liberal".

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