Bundesverdienstkreuz:Späte Anerkennung für Beate Klarsfeld

Nazi hunters Beate Klarsfeld and Serge Klarsfeld react after being awarded by German ambassador to France at her residence in Paris

Bundesverdienstorden für das Ehepaar Beate und Serge Klarsfeld: "Hommage an unsere Unbeugsamkeit".

(Foto: Charles Platiau/Reuters)

Die Ohrfeige für Kanzler Kiesinger machte sie berühmt. Doch die Lebensaufgabe von Beate Klarsfeld war die Jagd nach Nazi-Verbrechern. Jetzt erhält sie das Bundesverdienstkreuz.

Von Dorothea Grass

Es sei eine "große Genugtuung" für sie, sagt Beate Klarsfeld über die Ehre, die ihrem Mann und ihr heute offiziell entgegengebracht wurde. Die Klarsfelds haben in der Residenz der deutschen Botschafterin in Paris das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen.

Für ihr jahrzehntelanges Engagement bei der Suche nach untergetauchten Verbrechern des NS-Regimes wurden Beate und Serge Klarsfeld schon vor Jahren vom israelischen und französischen Staat ausgezeichnet. Die Anerkennung in ihrer deutschen Heimat blieb Beate Klarsfeld dagegen lange verwehrt. Zuletzt wurde die Ehrung 2010 auf Wirken des Auswärtigen Amtes unter Guido Westerwelle hin untersagt.

50 rote Rosen von Heinrich Böll

Die gebürtige Berlinerin ist eine Getriebene - und galt lange Zeit in Deutschland als Politikum. Im Jahr 1968 wurde sie schlagartig bekannt, als sie den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger bei einem CDU-Parteitag ohrfeigte, um damit gegen dessen frühere Mitgliedschaft in der NSDAP zu protestieren. Durch die medienwirksame Aktion der damals 29-Jährigen erfuhr erstmals eine breite Öffentlichkeit von Kiesingers NS-Vergangenheit. Klarsfeld hatte ihre Tat im Vorfeld angekündigt - und wurde für sie in Deutschland auch heftig kritisiert. Beispielhaft für die Reaktionen stehen die von Heinrich Böll und Günter Grass: Während der Schriftsteller Böll Klarsfeld umgehend 50 rote Rosen schickte, kritisierte Grass ihre Tat auf das Heftigste. Eine einjährige Haftstrafe gegen Klarsfeld wurde später zu vier Monaten auf Bewährung umgewandelt.

Mit ihrem Mann, den die damalige Beate Künzel als Au-Pair-Mädchen 1960 auf einem Bahnsteig der Pariser Metro kennenlernte, kämpfte sie unermüdlich dafür, Nazi-Verbrechen aufzudecken und untergetauchte NS-Täter zu verfolgen. Serge Klarsfeld, Sohn eines in Auschwitz ermordeten Juden, war als Kind im Jahr 1943 selbst nur knapp der Deportation entgangen. Später arbeitete er als Rechtsanwalt, seine Frau Beate wurde Journalistin.

Die Geschichte der beiden wurde mehrfach und in prominenter Besetzung verfilmt - Beate Klarsfeld wurde schon von Farrah Fawcett und Franka Potente verkörpert. Und ihr Leben gäbe mühelos Stoff für noch mehr Filme her. Um nur einige Eckpunkte zu nennen: 1971 spürten die Klarsfelds die Nationalsozialisten Kurt Lischka, Herbert M. Hagen und Ernst Heinrichsohn auf, die bis dato in Deutschland ein unbehelligtes Leben führten. In Frankreich drohte ihnen Strafverfolgung. Ein Versuch der Klarsfelds, Lischka aus diesem Grund nach Frankreich zu entführen, misslang. Klarsfeld kam daraufhin in Haft - es sollte im Laufe ihres Lebens nicht das letzte Mal sein. Die drei Nationalsozialisten wurden acht Jahre später zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Noch bis vor kurzem in der öffentlichen Kontroverse

Spektakulär war auch die Auffindung von Klaus Barbie, dem einstigen Gestapo-Chef in Lyon - Beiname: "Der Schlächter von Lyon". Auf Recherchen der Klarsfelds hin lieferte Bolivien Barbie 1983 schließlich nach Frankreich aus, wo er auch verurteilt wurde. Auch der Eichmann-Vertreter Alois Brunner wurden auf Bemühen des Ehepaars Klarsfeld aufgespürt. Gemeinsam mit ihrem Mann brachte Beate Klarsfeld später ein Buch heraus, in dem sie die Namen von 80 000 Opfern der Judenverfolgung in Frankreich auflistet.

In der jüngeren Vergangenheit stand Beate Klarsfeld erneut in der öffentlichen Kontroverse. Es ging um die Frage, in welchem Umfang sie mit der DDR-Regierung kooperierte, um Politiker im westlichen Nachkriegsdeutschland für ihre Verbrechen während der NS-Zeit zur Verantwortung zu ziehen.

2012 wurde sie von der Linkspartei als Gegenkandidatin zu Joachim Gauck für das Amt der Bundespräsidentin vorgeschlagen. Gauck hatte nach seiner Wahl erklärt, sich in der Causa Klarsfeld ein eigenes Urteil bilden zu wollen. Das hat er getan: Das Präsidialamt begründete die Auszeichnung nun damit, dass Beate und Serge Klarsfeld sich um die Aufarbeitung der NS-Verbrechen verdient gemacht hätten und sich bis heute gegen Antisemitismus und politische Unterdrückung einsetzten.

Die deutsche Botschafterin in Frankreich, Susanne Wasum-Rainer, sagte bei der Übergabe: "Was Sie vollbracht haben, ist unschätzbar." Serge Klarsfeld nannte die Ehrung eine "Hommage an unsere Unbeugsamkeit".

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