Bundestagswahl 2017:Wie Martin Schulz mit einer falschen Zahl Wahlkampf machte

FILE PHOTO: New SPD leader Schulz addresses a news conference at their party headquarters in Berlin

Martin Schulz ist die Hoffnungsfigur der SPD. Lange schien der Kanzlerkandidat unangreifbar, doch bei einer Wahlkampfveranstaltung und während einem Interview unterläuft ihm ein peinlicher Faktenfehler.

(Foto: REUTERS)
  • Der SPD-Kanzlerkandidat schien lange unangreifbar, doch diese Woche unterläuft ihm ein grober inhaltlicher Fehler.
  • Wiederholt zitiert er eine falsche Zahl und übertreibt dadurch das Ausmaß von befristeten Arbeitsverträgen.
  • Das Arbeitsministerium spricht von einem "Transkriptionsfehler".

Von Christoph Hickmann und Thomas Öchsner

Bislang stand die Union dem Hype um Martin Schulz ein wenig ratlos gegenüber. Mehr schlecht als recht attackierten CDU und CSU den SPD-Kanzlerkandidaten und warfen ihm vor, ein falsches Bild von der wirtschaftlichen Lage im Land zu zeichnen. Doch die Attacken perlten an Schulz ab. Nun allerdings musste der neue Star der SPD einen peinlichen Faktenfehler einräumen.

Anfang der Woche hatte Schulz Korrekturen an der Agenda 2010 angekündigt und in diesem Zusammenhang behauptet, in der Altersgruppe zwischen 25 und 35 Jahren hätten knapp 40 Prozent befristete Arbeitsverträge. Mittlerweile hat sich allerdings herausgestellt: stimmt nicht. Laut Statistischem Bundesamt waren es 2015 lediglich 18 Prozent. In diesem Fall hat Schulz mit einer falschen Zahl Wahlkampf gemacht.

Des Fehlers Fehlersuche

Wie ist das passiert? Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums fragte der SPD-Parteivorstand im Ministerium nach den Zahlen und bekam Auskunft. Dann allerdings, sagt die Sprecherin des Ministeriums, habe es einen Fehler "bei der Transkription" gegeben. Denn die Zahl 40 ist zwar richtig - aber der Bezug ist falsch. Korrekt ist, dass knapp 40 Prozent der Beschäftigten mit befristeten Verträgen zwischen 25 und 35 Jahre alt sind. Das ist ein gewaltiger Unterschied zu der Behauptung, in dieser Altersgruppe seien knapp 40 Prozent befristet beschäftigt. Die Lage ist also in diesem Punkt bei Weitem nicht so düster, wie Schulz sie beschrieben hat.

Aber was heißt das nun eigentlich genau, "bei der Transkription"? Irgendjemand muss dem Kandidaten ja die falsche Zahl aufgeschrieben haben, die er zunächst im Gespräch mit der Bild-Zeitung und dann in einer Rede verwendete. Was diese Frage angeht, ist man im Willy-Brandt-Haus allerdings nicht besonders auskunftsfreudig. Selbstverständlich stimme man derlei Fachfragen intensiv mit dem Arbeitsministerium ab, sagt ein Sprecher. Man wolle aber nicht öffentlich diskutieren, wie die falsche Zahl in die Welt gekommen sei.

Aber ist das eigentlich zulässig, wenn das Arbeitsministerium derart offensichtlich Wahlkampfhilfe für den designierten SPD-Vorsitzenden leistet? Dem Ministerium dürfte bewusst sein, dass es hier kritische Nachfragen geben könnte - darauf deutet jedenfalls die Formulierung der Sprecherin des Hauses hin, der Parteivorstand habe "wie jeder Bürger mit einer Anfrage eine Antwort bekommen". Fragt sich bloß, ob "jeder Bürger" die gewünschte Antwort auch so schnell bekommt wie der SPD-Kanzlerkandidat.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Textes haben wir die Angaben des Statistischen Bundesamtes zu befristeten Verträgen falsch wiedergegeben, nämlich mit 13,8 Prozent. Richtig sind 18 Prozent.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: