Bundestagswahl:Im Ausland nur Wahlrecht zweiter Klasse

Bundestagswahl: Auch wenn sie fern der Heimat – etwa in Berlin – leben, können Schweizer problemlos wählen. Deutsche Wähler im Ausland tun sich schwerer.

Auch wenn sie fern der Heimat – etwa in Berlin – leben, können Schweizer problemlos wählen. Deutsche Wähler im Ausland tun sich schwerer.

(Foto: Odd Andersen/AFP)

Deutsche, die im Ausland leben, müssen ein kompliziertes Verfahren durchlaufen, wenn sie bei der Bundestagswahl ihre Stimme abgeben wollen.

Von Charlotte Theile, Zürich

Deutsche in der Schweiz haben oft ähnliche Themen: Die hohen Preise, die zurückhaltenden Schweizer, den letzten Bergausflug, die schwierig zu verstehenden Dialekte. In diesen Tagen aber ist es vor allem ein Thema, das alle beschäftigt: Wie lächerlich kompliziert es ist, an den Bundestagswahlen teilzunehmen.

Wer möchte, dass seine Stimme am 24. September gezählt wird, muss einen förmlichen Antrag auf Eintragung ins Wählerverzeichnis stellen, diesen handschriftlich unterzeichnen und an die Gemeinde schicken, in der er zuletzt gemeldet war. Spätestens drei Wochen vor der Wahl muss der Antrag dort vorliegen.

Das bedeutet: Wenn sie diesen Text lesen, haben die meisten Auslandsdeutschen bereits ihre Chance verpasst, an der Bundestagswahl teilzunehmen. Fragt man beim Bundeswahlleiter an, wie viele potenzielle Wähler von dieser Hürde betroffen sind, erhält man eine überraschende Antwort: Keine Ahnung. Die Behörden in Deutschland führen keinerlei Buch über die Zahl ihrer Bürger im Ausland, sie wollen nicht einmal schätzen.

Bei der Bundeszentrale für politische Bildung geht man aus von zwischen einer und guten zehn Millionen. Schaut man Datensammlungen ausländischer Studien an, ergeben sich zwischen drei und vier Millionen. In Deutschland, wo gut 62 Millionen Menschen wahlberechtigt sind, wären so viele Menschen ganz schön einflussreich. Könnte man meinen.

Tatsächlich aber bewirkt das komplizierte Verfahren, das die Auslandsdeutschen durchlaufen müssen, dass nur sehr wenige von ihnen ihr Wahlrecht wahrnehmen. 2013 ließen sich 67 057 Auslandsdeutsche eintragen. Für 2017 rechnet der Bundeswahlleiter mit einem deutlichen Anstieg, bis Mitte August hätten sich bereits fast 40 000 Wähler aus dem Ausland gemeldet. Ruft man sich ins Gedächtnis, dass allein in der kleinen Schweiz mehr als 300 000 Deutsche leben, wirkt diese Zahl aber immer noch mickrig.

Einer, der sich dafür einsetzt, den Deutschen im Ausland die Teilhabe zu erleichtern, ist Hans Hoffmann. Er lebt seit 1972 in der Region Genf, hat als Wissenschaftler am Kernforschungsinstitut Cern physikalische Grundlagenforschung betrieben. Hoffmann ist Mitglied des Genfer SPD-Kreises - sein politisches Interesse an der Bundesrepublik ist groß. In Briefen an Bundestagsabgeordnete hat er seine Forderung immer wieder laut gemacht. Die Resonanz war gering. Nur die wenigsten Politiker in Deutschland scheinen sich für die Rechte der Bürger im Ausland zu interessieren, glaubt Hoffmann.

Auslandsitaliener und Auslandsfranzosen haben es leichter

Besonders ärgert ihn der Vergleich zu den Auslandsschweizern. Sie werden als "fünfte Schweiz" gehegt und gepflegt. Und sofern sie sich bei einer Schweizer Auslandsvertretung immatrikuliert haben, erhalten Auslandsschweizer selbstverständlich vor jeder der viermal jährlichen Abstimmungen die Briefwahlunterlagen zugeschickt. Immer stellen die Medien später fest: Die Auslandschweizer, etwa zehn Prozent der Schweizer, hätten die Abstimmung entschieden.

Hoffmann findet: In Zeiten europäischer Annäherung und zunehmender Globalisierung sei die deutsche Regelung, die auf Sesshaftigkeit und direkten Umgang mit den deutschen Behörden setze, mehr als anachronistisch. Auch Auslandsitaliener oder Auslandsfranzosen hätten es deutlich leichter, ihre Bürgerrechte wahrzunehmen, könnten zum Beispiel in extra eingerichteten Auslandswahlkreisen ihre Vertreter wählen. Die Deutschen müssen dagegen hoffen, dass der förmliche Antrag angenommen wird.

Noch schwieriger wird es für jene Deutschen, die seit mehr als 25 Jahren im Ausland leben. Der Journalist Peter Schenk ist einer von ihnen. In der Basellandschaftlichen Zeitung beschreibt der Deutsche, wie er hartnäckig versucht, seiner "politischen Rechtlosigkeit" entgegenzuwirken und den Bundeswahlleiter zu überzeugen, dass er auch nach mehr als 25 Jahren in der Schweiz Bezug zu Deutschland hat.

Sein Glück: Eine Ausnahmeregelung, die besagt, dass wer "persönliche und unmittelbare Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen der Bundesrepublik Deutschland nachweisen kann und von ihnen betroffen ist" auch weiterhin wählen dürfe. Schenk ist es gelungen, die deutschen Behörden zu überzeugen. Auch SPD-Mitglied Hans Hoffmann hat seine Wahlunterlagen erhalten. Ganz schön viel Aufwand für eine Stimme, finden beide. Und sie wissen: In vier Jahren geht der Antragswahnsinn von Neuem los. Ausgang: ungewiss.

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