Bundestagswahl:Grüne wollen Ende der Minijobs

Mit Niedriglöhnen machen Unternehmen ein Bombengeschäft, weil sie nicht sozialversicherungspflichtig sind. Zahlreiche Firmen arbeiten fast ausschließlich mit Minijobbern, die häufig nicht ausreichend fürs Alter vorsorgen können. Die Grünen wollen das nun ändern.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Die Bundesagentur für Arbeit hält Minijobs offiziell immer noch für eine gute Idee. "Nutzen Sie die Möglichkeit, Berufserfahrungen zu sammeln und neue Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben", heißt es auf ihrer Webseite. "Sie knüpfen neue Kontakte, sammeln Referenzen und erwerben neue Einblicke." Und weiter: "Ein Minijob kann der Einstieg in ein reguläres Arbeitsverhältnis sein."

Genau das ist er in der Regel aber nicht.

Die Grünen haben die Einführung von Minijobs einst mitbeschlossen, auch Katrin Göring-Eckardt, die Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2013. Minijobs sollten eine Wunderwaffe gegen Arbeitslosigkeit und Schwarzarbeit sein. Manchmal aber erfüllen sich Hoffnungen nicht. Schlimmer noch: Die Wirkung kann genau umgekehrt sein.

Jetzt wollen die Grünen die Minijobs mittelfristig wieder abschaffen. Deren Reiz besteht darin, dass sie für den Arbeitnehmer nicht sozialversicherungspflichtig sind. Die Arbeitgeber bezahlen lediglich einen geringen Pauschalbetrag. Seit Januar 2013 sind Arbeitnehmer zwar prinzipiell rentenversicherungspflichtig. Die Minijobber können sich aber bis auf wenige Ausnahmen auf Wunsch von der Pflicht freistellen lassen. Was nach ersten Schätzungen wohl die Allermeisten tun werden. Ein Lohn von bis zu 450 Euro im Monat lässt nicht viel Spielraum.

Seit Monaten erscheinen fast im Wochentakt Studien, die vor allem eines belegen: Die Verbreitung von Minijobs hat inflationäre Ausmaße angenommen. Weit über sieben Millionen Menschen - vor allem Frauen - sind von solchen schlecht bezahlten Jobs abhängig. Für über fünf Millionen sind sie die Haupterwerbsquelle. Die allermeisten von ihnen zahlen nicht in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Dafür reicht das Geld einfach nicht. Die Folge: Die Altersarmut steigt.

Die Grünen wollen deshalb den Niedriglohnsektor neu organisieren. Ein Bestandteil ist die faktische Abschaffung der Minijobs. Sozialversicherungsfrei sollen lediglich Monatsverdienste bis 100 Euro sein, kündigte Göring-Eckardt jetzt in der Rheinischen Post an.

Minijobs sollen unattraktiv werden

Sie gibt damit wieder, was im Entwurf für das Bundestagswahlprogramm der Grünen steht, nämlich "eine Sozialversicherungspflicht ab hundert Euro".

Allerdings soll mit den Minijobs nicht von heute auf morgen Schluss sein. Auf der grünen Prioritätenliste ganz oben steht zunächst die Einführung eines gesetzlichen und flächendeckenden Mindestlohns. Dann soll in den Betrieben die Anzahl von Minijobbern begrenzt werden, die dort außerdem auch nur eine bestimmt Anzahl Arbeitstunden leisten dürfen. Erst in einem weiteren Reformschritt soll die Sozialversicherungspflicht ab 100 Euro eingeführt werden. Diese Grenze liegt heute bei 450 Euro. Die Minijobs sollen so "sozialverträglich ersetzt werden", heißt es im Programmentwurf.

In vielen Unternehmen arbeiten heute fast ausschließlich Minijobber. In den Augen der Grünen ein Missbrauch des Systems auf Kosten der Altersversorgung der Mitarbeiter. Minijobber sollen zudem mit allen anderen Beschäftigten arbeitsrechtlich gleichgestellt werden. Alles Schritte, nach denen Minijobs für Arbeitgeber weitgehend unattraktiv werden würden.

Unklar ist noch, ob dann sofort der volle Sozialversicherungsbeitrag greifen soll. Die Abgaben von derzeit etwa 20 Prozent des Bruttoeinkommens gelten für alle gleich, während die Einkommenssteuer sozial gestaffelt ist. Der prozentuale Steuersatz erhöht sich mit dem Einkommen.

Seit Jahren gibt es Debatten, ob nicht auch die Sozialversicherungsbeiträge auf gleiche Weise, also progressiv, gestaltet werden sollen. Vor allem in den unteren Einkommensgruppen sind die hohen Sozialversicherungsabgaben ein schmerzlicher finanzieller Einschnitt. Im Programmentwurf der Grünen findet sich dazu nichts. Göring-Eckart steht dem aber wohl offen gegenüber. In der Rheinischen Post warb sie für "reduzierte Beiträge für geringe Einkommen".

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