Bundestagswahl:Diese Abgeordneten sitzen für die AfD im Bundestag

Bundestagswahl: Für die AfD in den Bundestag gewählt (von rechts, oben): Siegbert Droese, Wilhelm von Gottberg, Frauke Petry, Armin-Paul Hampel; (unten) Mariana Harder-Kühnel, Alice Weidel, Alexander Gauland, Detlev Spangenberg

Für die AfD in den Bundestag gewählt (von rechts, oben): Siegbert Droese, Wilhelm von Gottberg, Frauke Petry, Armin-Paul Hampel; (unten) Mariana Harder-Kühnel, Alice Weidel, Alexander Gauland, Detlev Spangenberg

(Foto: dpa/imago/AFP)

Verschwörungstheoretiker, Holocaust-Bezweifler und ein früherer Stasi-Mitarbeiter: Eine Auswahl der AfD-Politiker, die in den Bundestag gewählt wurden.

Von Katja Riedel, Sebastian Pittelkow, Antonie Rietzschel und Oliver Das Gupta

Alice Weidel, Baden-Württemberg

Die 38-Jährige steht vor allem für eines: für große Widersprüche. Offiziell lebt sie am Bodensee auf deutscher Seite; sehr viel Zeit verbringt die Spitzenkandidatin der AfD aber auch im schweizerischen Biel, wo ihre Lebenspartnerin, eine Filmregisseurin mit Wurzeln in Sri Lanka, die beiden Kleinkinder des Paares großzieht. Wegbegleiter berichten, dass sie sich vor ihrem steilen Aufstieg bei der AfD sehr weltgewandt gegeben habe - ganz anders, als es im Parteiprogramm zu lesen ist. Lesbisch, kosmopolitisch, in einer ihrer vielen, oft kurzen Berufsstationen arbeitete die promovierte Ökonomin für die bei der AfD verpönte Investmentbank Goldman-Sachs.

Weidel steht für vieles, wogegen sich die AfD offiziell ausspricht. Als geradezu Unbekannte schaffte sie es in den Bundesvorstand der Partei, rechnete sich nie eindeutig einem Lager zu, was ihr den Ruf eintrug, eine Opportunistin zu sein. Ihre Stimme sei immer da, wo die Macht gerade liege, lästern ihre Gegner. Und so kam es auch.

Auf dem Bundesparteitag in Köln Ende April, als Frauke Petry sich verspekulierte und den Richtungsstreit in der Partei verlor, griff Alice Weidel in letzter Sekunde zu und ließ sich zusammen mit Alexander Gauland zum Spitzenteam der Partei für den Bundestagswahlkampf küren. Wer von ihrer Antrittsrede damals inhaltliche Impulse für die AfD erwartete, wurde enttäuscht. An deren Ende blieb nur so viel übrig: "Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte", wetterte sie in scharfem Ton.

Tatsächlich wurde dies vor allem in den Wochen vor der Wahl ihr Programm. Weidel stilisierte sich gern als Opfer der "Lügenpresse", verließ publikumswirksam eine ZDF-Talkshow. Vieles an diesen und anderen Eskalationen wirkte inszeniert. Dass Alice Weidel Wirtschaftskompetenz in die AfD einbringen kann, kehrte sie zuletzt kaum heraus. Dabei leitete sie den Bundesfachausschuss Euro und Währung. Vor ihrer Zeit in der AfD lebte sie in China, promovierte über das dortige Rentensystem, machte sich in Deutschland als Beraterin selbständig. Nach Frauke Petry hat die AfD mit Alice Weidel ein neues weibliches Vorzeige-Gesicht, nur welches? Das bleibt noch immer rätselhaft.

Sebastian Münzenmaier, Rheinland-Pfalz

Münzenmaier, Jahrgang 1989, war bislang Fraktionsgeschäftsführer im Mainzer Landtag, nun zieht er in den Bundestag ein als Spitzenkandidat der AfD in Rheinland-Pfalz. Bevor er in die AfD eintrat, war er Mitglied bei der islamfeindlichen Partei "Die Freiheit", die vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wurde. Gegen Münzenmaier läuft derzeit ein Prozess, Vorwurf: schwere Körperverletzung. 2012 soll er mit Dutzenden Hooligans aus Kaiserslautern auf Mainzer Fußballfans eingeprügelt haben.

Wahlplakate - Bundestagswahl 2017 - CDU - AfD

Wahlplakat von AfD-Kandidat Leif-Erik Holm (AfD) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Stralsund.

(Foto: dpa)

Leif-Erik Holm, Mecklenburg-Vorpommern

Der frühere Radiomoderator führte seine Partei im Herbst 2016 in den Landtag in Schwerin. Aus dem Stand holte die AfD fast 21 Prozent, Leif-Erik Holm wurde Fraktionsvorsitzender und Oppositionsführer. Holm ist ein Vertreter des gemäßigten Flügels. Im Wahlkampf galt er als Unterstützer von Petrys bürgerlich-moderatem Kurs. Als diese ihre Strategie jedoch ausdrücklich mit einer Fundamentalkritik an Bundesvize Alexander Gauland verknüpfte, wollte Holm das nicht mittragen. Die strategische Debatte möchte er nicht mit einer Personaldiskussion verbinden, sagte Holm damals.

Martin Hohmann, Hessen

Hohmanns Name ist mit einem der großen politischen Skandale der Nullerjahre verknüpft. Die "Tätervolk"-Debatte kostete den damaligen CDU-Abgeordneten erst seinen Platz in der Bundestagsfraktion, dann seine Parteimitgliedschaft. Der Skandal hatte sich an einer Rede Hohmanns zum Tag der Deutschen Einheit entzündet, in der es um die Schuldfrage am Holocaust und den Begriff "Tätervolk" ging. Hohmanns Worte wurden als antisemitisch bewertet. Den Rücken stärkte Hohmann, der lange Bürgermeister in Neuhof bei Fulda war, sein damaliger CDU-Parteifreund Alexander Gauland. Der rechtskonservative Katholik gehört wie Gauland zu jener Gruppe, die der heutigen Union einen Linksrutsch attestieren und dafür Bundeskanzlerin Merkel verantwortlich machen. Hohmann steht für das Milieu ehemaliger CDU-Politiker, für die angeblich heute kein Platz mehr in der Union ist.

In die AfD ist der lange parteilose Hohmann erst im März 2016 eingetreten, als diese sich längst von der Euroskeptikerpartei zu einer rechtspopulistischen Partei gewandelt hatte. Nun kehrt er über die hessische Landesliste in den Bundestag zurück, wo er von 1998 bis 2003 bereits saß. In seinen neueren Reden provoziert er wieder, benutzt einschlägige Begriffe wie "Volksgemeinschaft". Dieses Wort gehörte zum Vokabular des Nazi-Regimes, aber in der AfD zuckt bei dem Ausdruck niemand. Selbst AfD-Chefin Frauke Petry, die sich dem bürgerlich-gemäßigten Spektrum ihrer Partei zurechnet, schlug vor, dem Begriff "völkisch" neue Bedeutung zu geben. Umso mehr passt der studierte Jurist Hohmann zur AfD, die solche "Denkverbote" abschaffen will. Hohmann sagt, er sei "besorgt" um sein "Vaterland". Er sei fit, trotz seines fortgeschrittenen Alters, schreibt der 69-Jährige auf seiner Homepage. Immerhin halte er 52 Sportabzeichen.

Heutiger AfD-Abgeordneter hält den Holocaust für einen "Mythos"

Siegbert Droese, Sachsen

Der Leipziger AfD-Chef zählt zu den radikal rechten Hardlinern der Partei. Wie Björn Höcke gehört er zur Patriotischen Plattform und befürwortet, gemeinsame Sache mit Pegida zu machen. 2016 sorgte er für Schlagzeilen, weil ein Auto seines Fuhrparks das Leipziger Kennzeichen "AH 1818" trug: AH sind die Inititialen von Adolf Hitler, 18 gilt in Neonazi-Kreisen als Chiffre für "Adolf Hitler" - die Zahlen stehen für die Position der Buchstaben A und H im Alphabet.

Bei Facebook zeigt Droese, dass er auch die rechtsextreme Identitäre Bewegung und die vor 1945 aktuellen Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot mag.

Deutschlandtreffen der Ostpreußen

Früher in der CDU, nun für die AfD im Bundestag: Wilhelm von Gottberg im Jahre 2002

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Wilhelm von Gottberg, Niedersachsen

Der ehemalige Polizist war früher in der CDU. Der heute 77-Jährige stand der Landsmannschaft Ostpreußen vor und fungierte jahrelang als Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen. Gottberg hält die Massenvernichtung der europäischen Juden durch Nazi-Deutschland für einen Mythos.

In einem Essay zitierte Gottberg 2001 entsprechende Äußerungen eines italienischen Neofaschisten, der darüber klagte, dass die "jüdische 'Wahrheit' über den Holocaust unter gesetzlichen Schutz gestellt" sei. Und weiter: "Der Holocaust muss ein Mythos bleiben, ein Dogma, das jeder freien Geschichtsforschung entzogen bleibt." Gottberg selbst schrieb unter die Zitate: "Wir haben dem nichts hinzuzufügen."

Beatrix von Storch, Berlin

Die Berliner Spitzenkandidatin und stellvertretende Parteivorsitzende wohnt mit ihrem Mann in einem Berliner Viertel, in dem nur wenige ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben dürften: in Prenzlauer Berg. Als bisherige Europa-Parlamentarierin stand sie bislang weniger im Licht der Öffentlichkeit als ihre Parteivorstandskollegen. Doch oft brauchte es wenige Worte und Storch sorgte mit einer ihrer berüchtigten Äußerungen in sozialen Netzwerken für einen Aufschrei. Denn Storch, eine gebürtige Herzogin von Oldenburg, ist eine Erzkonservative, die eine multikulturelle Gesellschaft zutiefst ablehnt.

Mal riet sie nach einem misslungenen Auftritt der deutschen Fußball-Elf lieber eine deutsche Nationalmannschaft auf den Platz zu schicken - statt eines Teams, in dem auch Nachkommen von Migranten kicken, wie sie damit andeutete. Mal unterstützte sie Frauke Petry nach Äußerungen zu einem Schießbefehl an deutschen Grenzen. Legte sogar noch nach, indem sie anklingen ließ, Schüsse auf Frauen und Kinder könnten legitim sein. Storch kämpft offen für eine nationale Abschottungspolitik um jeden Preis. Die Juristin will das Amt der Integrationsbeauftragen der Bundesregierung abschaffen und hat sich gegen die Euro-Rettung und den Euro-Rettungsschirm starkgemacht. Auch auf anderen Themenfeldern macht Storch aus ihren Überzeugungen keinen Hehl. Im Bundestag möchte sie einen "Untersuchungsausschuss Merkel" einsetzen.

Die "Störchin", so wird sie im Bundesvorstand der Partei genannt, versammelt feine, teils intellektuelle Kreise hinter sich. Sie verkehrte in der Hayek-Gesellschaft, deren Mitgliedschaft sie derzeit ruhen lässt, mit führenden deutschen Ökonomen, auch ihre Adelskontakte weiß sie zu nutzen. Früher war sie FDP-Mitglied. Schon vor zehn Jahren gründete sie mit der Zivilen Koalition einen Verein, der sich für mehr Bürgerrechte einsetzte und dessen Vorbild die US-amerikanische Tea-Party-Bewegung ist. So schuf sie, gemeinsam mit ihrem heutigen Mann, eines der Sammelbecken, aus denen die AfD entstand. Fast hätte Storch im Bundestagswahlkampf zum Spitzenteam gehört. Erst in letzter Sekunde soll aus einem Dreier-Team das Duo Alice Weidel und Alexander Gauland geworden sein. Mit versteinerter Miene saß Storch danach auf dem Podium. Es wäre verwunderlich, wenn sie innerhalb der AfD-Fraktion keinen Führungsanspruch erheben würde.

Petr Bystron, Bayern

Der bayerische AfD-Chef hat kürzlich seine Statuszeile im Messengerdienst Whatsapp geändert. Erst war dort zu lesen, er sei "auf der Überholspur", inzwischen schreibt Bystron: "Politisch verfolgt. Schon wieder!" Als Teenager ist Bystron, der im mährischen Olmütz geboren wurde, aus der damaligen Tschechoslowakei nach Deutschland gekommen, seine Eltern beantragten politisches Asyl.

Bystron hatte mal eine Werbeagentur, die ist aber längst verkauft. Dann arbeitete er als Berater. Nach eigener Aussage macht er das immer noch - allerdings angeblich nur im Ausland, weil sein Name zu stark mit der AfD verknüpft sei. Der bayerische Verfassungsschutz beobachtete Bystron, weil er die rechtsextreme Identitäre Bewegung als Vorfeldorganisation der AfD bezeichnete hatte. Seitdem sieht er sich selbst als Dissidenten.

Er klagte gegen die Beobachtung, seine Wohnung wurde durchsucht. Vor Gericht verbuchte er Teilerfolge. Im Verfassungsschutzbericht darf Bystron derzeit nicht namentlich aufgeführt werden, auch die Durchsuchung, bei der Ermittler viel Privates, aber nichts politisch Verwerfliches fanden, bezeichnete ein Gericht als unrechtmäßig. Bystron, der in seinem eigenen Landesverband nicht unangefochten ist und nur Listenplatz vier besetzte, gilt in der Münchner Wirtschaftswelt als gut vernetzt.

Jens Maier AfD

Jens Maier, bisher Richter am Landgericht Dresden, nun im Bundestag.

(Foto: dpa)

Jens Maier, Sachsen

Der gebürtige Bremer war bis 1986 SPD-Mitglied, nach der Wende zog er nach Sachsen. Bundesweit bekannt wurde Maier, als er in seiner Tätigkeit als Richter am Dresdner Landgericht ein umstrittenes Urteil fällte. In der Auseinandersetzung zwischen der NPD und einem Wissenschaftler gab er der rechtsextremen Partei recht - eine Entscheidung, die ein zweiter Richter revidierte.

Kritiker warfen Maier vor, sein Urteil sei politisch motiviert gewesen. Denn der Richter gehört dem rechtsradikalen Flügel der Alternative für Deutschland an. Im Vorprogramm von Björn Höckes "Dresdner Rede" sagte Meier mit Blick auf die geschichtliche Aufarbeitung des Holocausts: "Ich erkläre hiermit diesen Schuldkult für endgültig beendet." Weiter versprach er, die AfD werde kämpfen gegen "die Herstellung von Mischvölkern, um die nationalen Identitäten auszulöschen". Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelte daraufhin wegen Volksverhetzung. Das Verfahren wurde eingestellt.

Bei einer Wahlkampfveranstaltung zeigte Maier Sympathien für den norwegischen Rechtsextremen und Massenmörder Anders Behring Breivik. Die Bundes- und sächsische Landessprecherin Frauke Petry hat ein Parteiausschlussverfahren gegen Maier angestrengt und nahm damit eine heftige Auseinandersetzung mit dem sächsischen Landesvorstand in Kauf.

Peter Boehringer, Bayern

Der 48-Jährige kommt über die Landesliste Bayern in den Bundestag. Der Ökonom hängt Verschwörungstheorien an, nach denen ein geheimes Netzwerk daran arbeitet, die Weltherrschaft zu übernehmen: Stichwort New World Order (NWO).

Vor allem über Facebook breitet Boehringer aus, wer seiner Meinung nach in Deutschland von der NWO-Oberen gesteuert wird: Unter anderem die evangelische Kirche, die Feuerwehr-Gewerkschaft, die Bundesregierung sowieso und die "fast gleichgeschalteten" Medien - und viele andere Gruppen und Institutionen, die nicht auf AfD-Linie liegen. Boehringer mag weder Euro noch Bundesbank, als deren "Fußtruppen" er die "rotgrüne Antifa" bezeichnet.

Früher bei der Stasi - nun im Bundestag

Frauke Petry, Sachsen

Seit ihrer Niederlage im Kampf um die künftige Ausrichtung der Partei und um die Spitzenkandidatur hat sich die Parteichefin nach Leipzig zurückgezogen, wo sie lebt. Selbst an Vorstandssitzungen soll sie sich kaum noch beteiligt haben. Doch je stiller es um Petry wurde, umso mehr zitterten ihre parteiinternen Widersacher um Alexander Gauland vor der Rache der 42-Jährigen. Petry ist Mutter von fünf Kindern, das Jüngste ist gerade einmal fünf Monate alt. Mit dem Säugling präsentierte sich Petry auf ihrem Wahlplakat. In den Kreisverbänden war das Plakat schnell vergriffen - denn gerade an der Basis erwartete man sich vom bekanntesten Gesicht der AfD immer noch den besten Wahlwerbeeffekt.

Petry hatte sich im Sommer 2015 mit den Stimmen der Parteirechten gegen den Gründungsvorsitzenden Bernd Lucke durchgesetzt. Der Ökonomenflügel verließ die Partei daraufhin mehrheitlich, die AfD wurde stärker zur Anti-Flüchtlings-Partei und Anti-Islam-Partei. Inzwischen gibt sich Petry gern gemäßigt-bürgerlich. Die promovierte Chemikerin, die vor ihrer AfD-Karriere mit einer Reifenfirma insolvent ging, gilt als gerissene Strategin, die ihre politischen Gegner nicht schont.

Ihr engster Verbündeter ist ihr zweiter Ehemann, der nordrhein-westfälische Fraktionschef Marcus Pretzell, der bis jetzt noch - zusätzlich - im Europaparlament sitzt. Beiden werden seit langem separatistische Tendenzen und ein enormes Machtstreben unterstellt. Dass sie wirklich gemäßigter denken als ihre parteiinternen Widersacher, halten manche ihrer Kritiker für bloße Strategie. Im Sächsischen Landtag, wo sie bisher Fraktionschefin ist, wurde jüngst ihre Immunität aufgehoben. Gegen sie wird seit Längerem ermittelt, weil sie vor dem sächsischen Wahlprüfungsausschuss einen Meineid abgelegt haben soll. Ihr droht nun eine Anklage. Ein Bundestagsmandat kann sie davor nicht automatisch schützen. Immunität muss den neuen Abgeordneten erst verliehen werden, heißt es dazu aus dem Bundestag. Dass es um Petry ruhig werden könnte, glaubt niemand. Alle erwarten in den Tagen nach der Wahl einen Paukenschlag.

Stephan Brandner, Thüringen

Der 1966 in Nordrhein-Westfalen geborene Rechtsanwalt ist dem Rechtsausleger Björn Höcke treu ergeben und zählt zu den politisch erfahrenen Parteimitgliedern. Bevor er zur AfD kam, war er abwechselnd Mitglied von CDU und CSU, er nennt sich einen Antikommunisten. Brandner sitzt bislang im Thüringer Landtag. Dort schmähte er aus Sicht des Ältestenrates die politischen Gegner, weil er sie mit den Begriffen "Kinderschänder", "Koksnasen" in Verbindung gebracht hatte. Dafür hatte er Ordnungsrufe kassiert.

Der Familienvater wettert gegen den Islam, Rentenkürzungen und den Atomausstieg. Brandner gehört zum rechten Rand der AfD. Die Spitzenkandidatur hat er nur angetreten, weil sein Parteifreund Höcke nicht nach Berlin wechseln wollte.

Federal election in Germany

Armin-Paul Hampel jubelt am Abend der Bundestagswahl über die ersten Prognosen.

(Foto: REUTERS)

Armin-Paul Hampel, Niedersachsen

Der niedersächsische Landeschef und Spitzenkandidat gibt sich gern als Grandseigneur, als Weltenbummler und Bildungsbürger. Der 60-Jährige gehört zum rechten Lager um Gauland und stimmte als Mitglied des Bundesvorstandes der AfD gegen einen Parteiausschluss des Thüringer Landeschefs Björn Höcke.

Hampel ist gelernter Journalist, für den Mitteldeutschen Rundfunk war er bis 2008 Südostasien-Korrespondent der ARD. In dieser Zeit knüpfte er zahlreiche Verbindungen, auch in Wirtschaft und Politik. Vom MDR schied er im Unfrieden. Danach arbeitete Hampel, der vierfacher Vater ist, weiter als freier Fernsehproduzent und Autor für verschiedene Medienhäuser. Zunächst pendelte er weiter zwischen Indien und Deutschland, inzwischen lebt er in der Lüneburger Heide. Hampel gilt als wortgewandt und parkettsicher.

Zuletzt eskalierte ein Streit mit seinem Parteifreund Bodo Suhren. Beide werfen einander gegenseitig vor, die Finanzen des Landesverbandes nicht ordentlich geführt zu haben. Suhren hat inzwischen gegen Hampel Anzeige erstattet. Hampel hat auch aus alten Zeiten bei der Marine, wo er als Kapitänleutnant diente, noch beste Verbindungen zu hochrangigen Soldaten. Es ist eines der starken Netzwerke, die die AfD in die Mitte der Gesellschaft hinein pflegt.

Parteitag AfD-Hessen

Eine der wenigen Frauen in der neuen AfD-Bundestagsfraktion: Rechtsanwältin Mariana Harder-Kühnel

(Foto: picture alliance / Boris Roessle)

Mariana Harder-Kühnel, Hessen

Mit Beatrix von Storch, Alice Weidel und Frauke Petry gibt es in der AfD bisher nur drei Frauen, deren Namen einer größeren Öffentlichkeit bekannt sind. Vielleicht gehört auch Mariana Harder-Kühnel bald dazu. Die 43-jährige Rechtsanwältin stand an der Spitze der hessischen Landesliste, sie gibt sich ambitioniert und könnte in der neuen Bundestagsfraktion auf sich aufmerksam machen.

Damit hat sie bereits vor dem Wahlabend begonnen: Harder-Kühnel suchte sich im Wahlkampf prominente Unterstützer. Sie twitterte ein gemeinsames Foto mit Martin Schulz. Für das Selfie hatte sie den SPD-Kanzlerkandidaten Schulz bei einem Wahlkampftermin der SPD in Wiesbaden abgefangen. Der Sozialdemokrat lächelte in die Kamera. Harder-Kühnel schrieb dazu: "Noch erkennt mich Martin Schulz nicht, das sollte sich nach der #Btw17 ändern!"

Harder-Kühnel scheint gut vernetzt zu sein. Bei ihrem Wahlkampfauftakt Anfang Mai im hessischen Örtchen Büdingen schlug mit Alexander Gauland nicht nur Parteiprominenz auf. Am Ehrentisch saß sie mit dem Partei-Rechtsaußen Martin Hohmann und mit einem gewissen David Bendels. Letzterer ist das Gesicht jenes ominösen Unterstützervereins, der für die AfD, angeblich aber vollkommen unabhängig von der Partei, mit Millionensummen dazu aufrief, sie zu wählen.

Dieser Zusammenschluss reicher Unterstützer finanziert einen gehörigen Teil der Wahlwerbung für die AfD, etwa durch Großplakate oder Zeitungen wie das Extrablatt oder den Deutschlandkurier, die in millionenfacher Auflage mal die Bundesregierung in Mülltonnen stecken, um sie zu "entsorgen", mal gegen Immigranten hetzen. Nach dem Abend, bei dem man in friedlicher Eintracht zusammensaß und jeder eine flammende Rede hielt, soll Alexander Gauland parteiintern jegliche Auftritte von höheren Parteifunktionären mit David Bendels untersagt haben. Doch das Veto verhallte.

DEU Deutschland Germany Klipphausen Groitzsch 28 01 2017 Der sächsische AfD Landtagsabgeordnet

Arbeitete früher für die Stasi, flüchtete dann aus der DDR: Detlev Spangenberg

(Foto: imago/Jens Jeske)

Detlev Spangenberg, Sachsen

Spangenberg ist mit 73 Jahren einer der ältesten Bundestagsnovizen. Der Betriebswirt zählt zum rechten Flügel der sächsischen AfD, sein Leben verlief zwischen Ost und West. Als Vollwaise wuchs Spangenberg in der DDR auf. Nach einem Fluchtversuch kam er ins Gefängnis, später setzte er sich erfolgreich in die Bundesrepublik ab und lebte - als CDU-Mitglied - in NRW.

Nach der Einheit ging Spangenberg zurück in den Osten, verließ die Union und engagierte sich unter anderem in der radikal rechten Gruppierung "Arbeit, Familie, Vaterland" (AFV). Dort wurde gegen Muslime agitiert und die Wiederherstellung der deutschen Reichsgrenzen von 1937 propagiert. Seit 2014 sitzt er im sächsischen Landtag. Inzwischen kam heraus: Spangenberg arbeitete mehrere Jahre als IM Bruno für die DDR-Staatssicherheit.

Bei den Jusos gestartet, beim rechten Rand der AfD angekommen

Alexander Gauland, Brandenburg

Der 76-Jährige gilt als Fraktionschef nahezu als gesetzt. Klar ist das seit dem Bundesparteitag in Köln, wo er einen Monate andauernden Machtkampf gegen Parteichefin Petry und ihr Lager gewinnen konnte und Co-Spitzenkandidat wurde. Der Nationalkonservative verfügt über einen reichen politischen Erfahrungsschatz, den er in der CDU erworben hat, wo er der Mann hinter dem hessischen Ministerpräsidenten Walter Wallmann war.

Von sich selbst sagt Gauland, der aus Chemnitz stammt, in Hessen Politikkarriere machte und zuletzt AfD-Fraktionschef im brandenburgischen Landtag war, dass er heute keine anderen Thesen vertrete als in den Achtzigerjahren. Die Union habe sich verändert, nicht er. Berichten Weggefährten, dass er sich in der Anfangszeit der AfD als rechtskonservativen Rand der neugegründeten Partei sah, hat er diese Begrenzung längst verlassen und sich in den vergangenen Monaten zunehmend als Parteirechter positioniert.

Gauland weiß, wie nötig die AfD die Stimmen der Rechten hatte, um nun zweistellig in den Bundestag einzuziehen. Darum stützte er Björn Höcke in der Diskussion um einen möglichen Parteiausschluss. Doch mit seiner Aussage, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, in Anatolien "entsorgen" zu wollen, überschritt er für viele eine Grenze. Er ruderte zwar zurück - doch blieb er inhaltlich bei seiner Aussage. In dieser Affäre ermittelt die Staatsanwaltschaft im thüringischen Mühlhausen wegen Volksverhetzung gegen Gauland. Auf dem Kyffhäusertreffen des rechten AfD-Lagers, das im sogenannten "Flügel" vereinigt ist, zeigte er sich kurz darauf demonstrativ an der Seite der Parteirechten um Höcke. Zuletzt forderte er, dass die Deutschen stolz sein dürften auf "die Leistungen deutscher Soldaten" im Ersten und Zweiten Weltkrieg.

Hans-Jörg Müller, Bayern

Der Volkswirt hat zwei Lebenssphären, der Bindestrich in seinem Vornamen macht den Unterschied auf seinen Visitenkarten. Mit Strich ist er Politiker und leitet das AfD-Mittelstandsforum, den Arm der Partei zu den Unternehmern. Ohne ist er Unternehmensberater, Schwerpunkt Restrukturierung. In dieser Funktion berät Müller, der im bayerischen Freilassing lebt, Firmen bei ihren osteuropäischen und russischen Investitionen.

Für den Schraubenkönig Reinhold Würth war er als Manager tätig - bis seine AfD-Tätigkeit öffentlich bekannt wurde. Der gebürtige Franke spricht vier Sprachen, darunter fließend Russisch, und ist im Sehnsuchtsland der AfD-Anhänger bestens vernetzt.

Im russischen Staatssender Russia Today ist er Interviewpartner in den Hauptnachrichten und sitzt als deutscher Finanzexperte in Talkshowrunden. Diese Kontakte soll er künftig auch verstärkt für die Partei einsetzen, die ein Ende der europäischen Wirtschaftssanktionen gegen Russland fordert.

Auf dem Russlandtag der AfD in Magdeburg erntete er für seine programmatische Pro-Russland-Rede stehende Ovationen. Bestens verdrahtet ist Müller auch mit der österreichischen FPÖ, hier pflegt er enge Kontakte, die er sich über seine Mitgliedschaften in schlagenden Studentenverbindungen erarbeitet hat. Er ist Mitglied in der Turnerschaft Germania Dresden und in der Landsmannschaft der Salzburger zu Salzburg.

Enrico Komning, Mecklenburg-Vorpommern

Der Rechtsanwalt aus Neubrandenburg wurde 2016 in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern gewählt und nun in den Bundestag. Im Wendejahr 1989 war Komning Angehöriger des DDR-Wachregiments "Feliks Dzierzynski", das direkt der Stasi unterstand. Bevor er in die AfD eintrat, engagierte er sich bei der "Schill-Partei" und später in der FDP.

Heute gehört Komning zu den stramm Rechten in der AfD, auch sympathisiert er mit der rechtsextremen "Identitären Bewegung" und deutschnationalen Burschenschaften, seine Kontakte reichen bis nach Österreich. Bei Facebook zeigt er sich mit Vertretern des völkisch-nationalistischen AfD-Lagers.

Kay Gottschalk, Nordrhein-Westfalen

Der studierte Jurist ist vertraut mit Marcus Pretzell, dem NRW-Chef der AfD und Ehemann der Bundesvorsitzenden Frauke Petry. Politisch hat er einen beachtlichen Weg hinter sich gebracht: In den achtziger Jahren war er SPD-Mitglied, bei der Bundestagswahl 1994 hat er für die CDU gestimmt, vier Jahre später wieder für die SPD, 2005 für die FDP. 2013, noch zu moderaten, euroskeptischen Zeiten unter Bernd Lucke, trat er der AfD bei.

Gottschalk nennt die deutsche Gesellschaft "ökoextremistisch", will mehr Autobahnen bauen und hat kein Problem bei dem Gedanken, schon Zwölfjährige ins Gefängnis zu stecken.

Bislang machte Gottschalk, der zuletzt bei einer Versicherung arbeitete in Hamburg für seine Partei Politik. Dort gab es Knatsch, weil er vor allem durch Nicht-Engagement auffiel. Dann ließ er sich von Pretzell nach Nordrhein-Westfalen lotsen, um gegen den parteiinternen Rivalen des NRW-Chefs um den ersten Platz der Wahlliste anzutreten - er verlor die Kampfabstimmung. Was aber nicht weiter ins Gewicht fällt: Gottschalk sitzt künftig im Bundestag.

Bernhard Ulrich Oehme, Sachsen

Oehme ist der AfD-Mann für den Wahlkreis Chemnitzer Umland - Erzgebirgskreis II. Er ist Wutbürger, Pegida-Befürworter, dies räumt er ein - wenn auch leise. Oehme, der sich als Katholik für einen AfD-Verein der Christen engagiert, war einer der wenigen AfD-Bundestagskandidaten seiner Partei, der Häuserwahlkampf betrieben hat. Dabei ist sein Einzug in den Bundestag auf einem ganzen anderen Erfolgsprinzip begründet - und das hat mit seiner Aufnahme in die AfD zu tun.

Der 57-jährige Versicherungsmakler war vor seiner Zeit als AfD-Funktionär Mitglied in der Partei "Die Freiheit", einer rechten, islamfeindlichen Kleinpartei, die sich inzwischen aufgelöst hat. In den Anfängen der AfD herrschten in deren Spitzengremien heftige Diskussionen um die Aufnahme von ehemaligen Mitgliedern rechter Parteien, vor allem aus der "Freiheit".

Der damalige AfD-Chef Bernd Lucke forderte einen Aufnahmestopp. Die ostdeutschen Landesverbände weigerten sich, allen voran der sächsische um Frauke Petry. Sie setzten sich am Ende durch, ließ Oehme und seine Parteifreunde in die AfD. Es war wohl der erste Rechtsruck in der AfD. Dass sich Petry heute gegen die extremen Rechten in der Partei positioniert hat, nehmen ihr gerade die Rechten übel.

Heute sind es deshalb Parteifreunde wie Ulrich Oehme, die Spitzenkandidat Alexander Gauland und dessen Lager hinter sich vereinen und Petry als sächsische Spitzenkandidation torpedierten. Leute wie Oehme repräsentieren die Machtbasis der Partei in Sachsen, im Osten. Bürgernah. Christlich. Russlandtreu. Rechts. Und vor allem voller Angst vor Veränderungen.

Frank Magnitz, Bremen

Der Immobilienkaufmann kam über den ersten Listenplatz des kleinsten Bundeslands ins Parlament. Magnitz, Jahrgang 1952, wurde mit 31 Stimmen zum Frontmann gewählt - ohne Gegenkandidaten. Bei Facebook postet der Hanseat, dass er die Grünen-Politikerin Claudia Roth für "strohdumm" hält und glaubt der Verschwörungstheorie, wonach die Bundesrepublik als "Beuteland" der Alliierten ausgesogen wurde. Auch postete er ein Bild, auf dem die Medien als Exekutionskommando dargestellt werden, die eine zur Wahrheit stilisierte Frau erschießen.

Bei seiner Kandidatenkür schimpfte Magnitz, dass es in Bremen kein Geld für Schulturnhallen, aber Millionen für ein Flüchtlingsheim gäbe. Allerdings scheint er nicht so ganz sattelfest zu sein: Als ihn ein AfD-Mitglied fragte, wo bei ihm die Flüchtlingsobergrenze liege, wollte sich Magnitz nicht auf eine Zahl festlegen.

Die Spitzenkandidaten in Sachsen-Anhalt

Begann bei den Jusos, nun hat er beim völkisch-nationalistischen Flügel der AfD angedockt: Martin Reichardt aus Sachsen-Anhalt

(Foto: dpa)

Martin Reichardt, Sachsen-Anhalt

Reichardt stammt ursprünglich aus Niedersachsen und war Berufssoldat bei der Bundeswehr. Parteipolitisch driftete er mal hier, mal dort hin: Zuerst war er bei den Jusos, später bei den rechtsradikalen Republikanern und dann bei der FDP. Nun ist er beim völkisch-rechten Flügel der AfD daheim.

Mit dem Segen des AfD-Landesvorsitzenden André Poggenburg zieht er dank Listenplatz eins in den Bundestag ein. Reichardts patriotische Einstellung passe in die AfD und die national-konservative Strömung, findet Poggenburg. Reichardt posiert auf Wahlplakaten mit dem Widerstandskämpfer Claus Schenk Graf von Stauffenberg, nennt "Linksgrün" den "Verfassungsfeind Nr. 1". Dass er nach Rechtsaußen weitaus weniger Probleme hat, zeigt er ungeniert. Kein Problem hat er mit der von Neonazis gerne verwendeten Parole: "Deutschland den Deutschen", erklärte er mal einer Journalistin. Nur den NPD-Zusatz "Ausländer raus", trage er nicht mit.

Anmerkung der Redaktion vom 18. 10. 2017: Wir haben den Text zu Stephan Brandner präzisiert, da er sich wörtlich tatsächlich so geäußert hatte: "Wissen Sie, es gibt Leute draußen, wenn man denen die Grünen näherbringt, dann sagen die: Da fallen mir immer nur drei K ein: Klimaschutz, Koksnasen und Kinderschänder."​

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