Bundestagswahl:Warum Merkel Kanzlerkandidatin der Union wird

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Merkel will "zu gegebener Zeit" die Frage nach einer weiteren Kandidatur beantworten.

(Foto: Getty Images)

Die Kanzlerin will immer noch nicht sagen, ob sie 2017 wieder als Kanzlerkandidatin antritt. Im Sommer war das noch verständlich. Jetzt wird es langsam lächerlich.

Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

So langsam nervt die Frage: Will Angela Merkel 2017 wieder als Kanzlerkandidatin der Union ins Rennen gehen? Wobei, die Frage ist ja durchaus berechtigt. Angela Merkel ist Bundeskanzlerin und Parteivorsitzende der CDU. Aus Wählersicht wäre es also durchaus interessant zu erfahren, ob sie Politik macht, mit der sie wiedergewählt werden will. Oder ob sie mit einer "Nach mir die Sintflut"-Haltung in den Spätherbst ihrer Kanzlerschaft gehen kann.

Was also tatsächlich nervt, ist Merkels seit Monaten monoton wiederholte Antwort auf die Frage: Sie werde sich dazu "zu gegebener Zeit" äußern. Zu gegebener Zeit. Weder will sie sagen, ob dieser Zeitpunkt noch in diesem oder erst im kommenden Jahr sein wird. Noch, wie denn die Umstände sein müssen, damit sie einen Zeitpunkt als "gegeben" annimmt.

Manche halten ihr Schweigen für strategische Finesse. Merkels Schweigen zwinge ihre Widersacher vor allem in der CSU dazu, sich zu ihr als Kandidatin zu bekennen. Dazu, sich trotz aller Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik hinter ihr zu versammeln. Merkel wolle gerufen werden von denen, die sie gerade am meisten bedrängen. So schreibt es das Magazin Cicero.

Schweigen als Mittel der Disziplinierung also. Und zu beobachten ist nun auch tatsächlich, dass immer mehr politische Persönlichkeiten aus CDU und CSU Merkel als die selbstverständliche und natürliche Kanzlerkandidatin der Union bezeichnen.

Der Riss zwischen Seehofer und Merkel ist unübersehbar

Manche nehmen den CSU-Parteivize und Europapolitiker Manfred Weber dabei als Eisbrecher wahr. "Angela Merkel ist unsere Kandidatin. Daran kann es keinen Zweifel geben", hatte Weber im Spiegel gesagt. Er wünsche sich, dass alle Zweifel daran ausgeräumt werden. Das Bekenntnis zu Merkel als Kanzlerkandidatin müsse "rasch" kommen - "von ihr und von uns".

Allerdings ist Weber eben kein klassischer Merkel-Gegner aus der CSU. Genausowenig wie CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, die sich dem Appell anschließt. Größere Distanz dürften beide inzwischen eher zu ihrem Parteichef Horst Seehofer haben als zur Kanzlerin. Weber und Hasselfeldt halten nicht viel von einer starren Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen. Weber spricht lieber von Kontingenten. Die würden nämlich im Gegensatz zu einer Obergrenze nicht das grundgesetzlich garantierte Asylrecht aushebeln. Wo er kann, lobt Weber Merkels Engagement dafür, die Flüchtlingskrise wieder in den Griff zu bekommen.

An Leuten wie Weber und Hasselfeldt liegt es jedenfalls nicht, dass Merkel erstmals nicht auf einem CSU-Parteitag reden soll. Ihre Nichteinladung ist der Angst geschuldet, dass sie ausgebuht werden könnte. Im vergangenen Jahr war es Horst Seehofer selbst, der Merkel nach ihrer Rede auf dem CSU-Parteitag wie ein Schulmädchen in die Ecke gestellt hat. Seitdem ist der Riss zwischen den beiden unübersehbar.

Darum ist auch die These, Merkel nehme mit ihrem Schweigen Rücksicht auf die Befindlichkeiten der CSU, kaum haltbar. Seehofer hat einiges dazu beigetragen, dass Merkel wenig Lust verspüren dürfte, auf irgendetwas, was die CSU betrifft, noch Rücksicht zu nehmen.

Nichts deutet darauf hin, dass Merkel nicht wieder antritt

Wahrscheinlicher ist: Merkel hat längst einen Plan, wann der Zeitpunkt gekommen sein wird. Vielleicht auf dem Bundesparteitag der CDU im Dezember in Essen. Merkel muss sich dann als Parteivorsitzende neu wählen lassen. Gut möglich, dass der ein oder andere Delegierte diesmal nicht für Merkel stimmen will. Der Mut könnte diesen ein oder anderen Delegierten aber schnell verlassen, wenn mit einem Nein zu Merkel die Gefahr bestünde, die Kanzlerkandidatin der Union zu beschädigen.

Wenn das ihr Plan ist, gäbe es jedoch keinen Grund, die K-Frage bis zum Dezember offen zu lassen. Im Gegenteil. Was anfangs vielleicht noch als probates Mittel erschien, Spannung aufzubauen, wird von Woche zu Woche immer zäher. Weil nämlich keine Spannung mehr da ist.

Nichts deutet darauf hin, dass Merkel nicht wieder antritt. Weder wirkt sie amtsmüde. Noch stehen andere potentielle Kandidaten im Raum, die mehr Erfolg versprechen. Noch scheint sie sonderlich beeindruckt zu sein von den nicht mehr ganz so strahlenden Umfragewerten. Die sind schließlich immer noch besser als die aller anderen.

Wenn die Union ab 2017 wieder das Kanzleramt besetzen will, kommt sie an Merkel nicht vorbei. Sollte SPD-Chef Sigmar Gabriel gegen sie als Kanzlerkandidat antreten, er hätte im direkten Vergleich keine Chance.

Aus der SPD könnte ihr allein Außenminister Frank-Walter Steinmeier das Wasser reichen. Aber der hat als Kanzlerkandidat im Wahlkampf 2009 auch schon mal bewiesen, dass persönliche Zustimmungswerte und das Wahlergebnis der Partei im Zweifel zwei völlig verschiedene Dinge sind.

Aus einer Selbstverständlichkeit wird eine übermäßig große Sache

Eine Nachricht wäre es im Moment höchstens, wenn Merkel nicht noch einmal antreten wollen würde. Nur: Diese Ankündigung hätte sie längst machen müssen. Allein schon um der Nachfolgerin oder dem Nachfolger eine Chance zu geben, sich in neuer Rolle zu präsentieren. Erst im Dezember mit einer so schwerwiegenden Entscheidung um die Ecke zu kommen, dass hätte schon etwas Bösartiges. Und das ist kein Wesenszug, der Merkel je zugeschrieben worden wäre.

Mit ihrem Schweigen macht Merkel aus einer Selbstverständlichkeit eine übermäßig große Sache. Das hat sie schon mal souveräner gelöst. Zwei Jahre vor der Bundestagswahl 2013 sagte sie in einem Fernseh-Interview: "Also, ich hoffe doch, dass ich einen Gegenkandidaten von der SPD bekomme zur nächsten Bundestagswahl." Manche haben diese frühe Festlegung für einen Fehler gehalten. Damit aber war ihre Kandidatur nonchalant gesetzt. Die SPD war von da an in Zugzwang. Was ihr nicht gut tat.

In einem verstolperten Kanzlerkandidaten-Findungs-Desaster blieb am Ende Peer Steinbrück über. Ein an sich guter Kandidat. Der aber zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort war. Merkels Union gewann die Wahl mit mehr als 40 Prozent.

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