Bundestagsentscheidung:Grapschen ist jetzt strafbar

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  • Der Bundestag beschließt eine Verschärfung des Sexualstrafrechts.
  • Den nun beschlossenen Grundsatz "Nein heißt Nein" unterstützen auch die Oppositionsparteien. Trotzdem stimmten Grüne und Linke der Gesetzesreform als Ganzes nicht zu.
  • Sie halten die darin enthaltene Schaffung eines Straftatbestand von sexuellen Übergriffen aus Gruppen heraus für verfassungswidrig.
  • Außerdem kritisieren sie die Verknüpfung des Gesetzes mit dem Aufenthaltsrecht von Asylbewerbern.

Von Barbara Galaktionow

"Nein heißt Nein" - dieser Grundsatz gilt künftig im Sexualstrafrecht. Das hat der Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD beschlossen. Für die Opfer von Vergewaltigungen heißt das: Künftig müssen sie sich nicht mehr mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen einen Übergriff wehren, damit Vergewaltigungen auch vor Gericht als solche anerkannt werden. Ein einfaches "Nein" kann jetzt dafür reichen. Handlungen die "gegen den erkennbaren Willen" des Opfers erfolgen, werden bestraft, heißt es in der Neufassung von Paragraf 177 des Strafgesetzbuchs.

Eine Neuerung, die überfällig war - darin waren sich die Redner aller Fraktionen im Bundestag einig. Bisher sei es darum gegangen, was das Opfer getan habe, jetzt wende sich der Blick endlich auf den Täter, sagte Karin Maag (CDU), Vorsitzende der Unionsfrauen. "Dem 'Nein' wird endlich strafrechtliche Bedeutung beigemessen", sagte auch Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen. Sie sprach von einem "Meilenstein".

Positiv würdigten die Sprecher auch, dass künftig sexuelle Übergriffe wie der ungebetene Griff in den Schritt oder an den Busen rechtlich geahndet werden können - durch die Einführung des sogenannten "Grapschparagrafen". "Grapschen ist kein Flirten", sagte dazu SPD-Vizefraktionschefin Carola Reimann. "Wir wollen Frauen dazu ermutigen, diese Taten auch anzuzeigen."

Gerade Grüne und Linke hatten sich schon lange für eine Verschärfung des Sexualstrafrechts starkgemacht. Bei der Abstimmung über den Gesetzesentwurf als Ganzes enthielten sie sich jedoch. Der Grund: Neben dem Prinzip des "Nein heißt Nein" und dem "Grapschparagrafen" hatte die Regierungskoalition noch zwei weitere Neuerungen ins Gesetz mit hineingeschrieben, denen die Opposition nicht zustimmen mochte.

Neue Gruppenstraftat - aus Sicht der Opposition verfassungswidrig

So war auf Drängen der Union ein neuer Straftatbestand von sexuellen Übergriffen aus Gruppen heraus eingeführt worden - ganz klar mit Blick auf die Vorfälle am Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht. Erst am vergangenen Montag war zudem - ebenfalls ein Anliegen von CDU und CSU - im Gesetzentwurf eingefügt worden, dass Asylbewerber künftig auch ausgewiesen werden können, wenn sie wegen Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt werden. Bisher konnten das nur bei schweren Straftaten geschehen. Beide Vorhaben zogen massive Kritik von Linken und Grünen auf sich.

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Das nun vorliegende Gesetz sei leider eines, "das in wesentlichen Teilen das Politikverständnis weißer, alter Männer widerspiegelt", sagte Halina Wawzyniak, rechtspolitische Sprecherin der Linken. Es sei offenbar nicht möglich, das Sexualstrafrecht zu verschärfen, ohne dass dies gleichzeitig von anderen Debatten überlagert werde.

Katja Keul von den Grünen kritisierte im Hinblick auf die Gruppenregelung, hier werde ein "ebenso populistischer wie verfassungswidriger Straftatbestand" eingeführt. Im Strafrecht müsse immer eine eigene, individuelle Tat bestraft werden, nicht die Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Zudem bleibe die Frage, was genau eine Gruppe ausmache, "völlig nebulös".

Auch SPD-Mann spricht von "bedenklicher Regelung"

Ein sexueller Angriff aus einer Gruppe heraus sei "aus der Sicht von Opfern ein ganz besonders übergriffiges, traumatisches Erleben", hielt dem Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der CDU, entgegen. Ihre Partei sei der Ansicht, dass auch "derjenige in der dritten, vierten Reihe mitwirkt", der sexuelle Übergriffe ermögliche, auch wenn eine Einzeltäterschaft nicht nachzuweisen sei.

Auch SPD-Staatssekretärin Elke Ferner rechtfertigte die Neuregelung. Jeder in einer solchen Gruppe habe die Möglichkeit einzugreifen.

Der rechtspolitische Sprecher der SPD, Johannes Fechner, äußerte sich hingegen zurückhaltender. Der Gruppentatbestand sei "ein Vorschlag der Union", betonte er. Es sei eine "aus unserer Sicht bedenkliche Regelung". Doch um die Verschärfung des Vergewaltigungsparagrafen hinzubekommen, sei die SPD diesen Kompromiss eingegangen.

Was die Verschärfung des Asylrechts im Zuge der Sexualstrafrechtsverschärfung angeht, monierte Katja Keul von den Grünen, dass diese "schlicht unverhältnismäßig" sei. Auch Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linken, übte harsche Kritik. Durch diese Verknüpfung mit dem Asylrecht werde der Blick vom Selbstbestimmungsrecht der Frauen weggelenkt und erhalte eine rassistische Konnotation.

Grüne und Linke stimmten dem Gesetzentwurf als Ganzes deshalb nicht zu. In den vor allem protokollarisch wichtigen Einzelabstimmungen über die Neuerungen stimmten sie allerdings der "Nein heißt Nein"-Neuregelung zu.

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