Bundestag: Union und FDP:Die Späße der Sieger

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Während die SPD leidet, herrscht bei Schwarz-Gelb gute Laune. Seehofer witzelt über ein Superministerium für Guttenberg und Westerwelle redet vom Tee bei der Kanzlerin.

G. Babayigit und M. König, Berlin

Es herrscht ein Ungleichgewicht auf der Fraktionsebene des Reichstages: Riesiger Andrang vor dem Sitzungssaal der SPD, deutlich weniger vor dem Raum der CDU. Während auf der einen Seite die Genossen personelle Konsequenzen aus dem schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten ziehen, herrscht auf der anderen Seite entspannte Stimmung.

"Heute ist kein Tag der Nachdenklichkeit, heute ist ein Tag der Freude", sagt Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU), bevor er in den Sitzungsraum schlendert. Mit einer Analyse der Wahl rechnet er nicht, das heutige Programm umschreibt er so: "Wir wählen einen Fraktionsvorsitzenden, dann wird gejubelt. Dann wird ein Parlamentarischer Geschäftsführer gewählt und wieder gejubelt."

Seehofers Selbstironie

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zwar im Bundesvorstand anklingen lassen, man werde sich diesmal - anders als 2005 - die Fehler genau anschauen, die zu dem zweitschlechtesten Ergebnis der Parteigeschichte geführt haben. Bis Ende Oktober soll Generalsekretär Ronald Pofalla Material für eine Analyse zusammengetragen haben. Bis dahin sind die Koalitionsverhandlungen womöglich längst abgeschlossen und bis dahin gilt es, gegenüber der FDP selbstbewusst aufzutreten.

Sogar die CSU-Oberen versuchen sich in dieser Disziplin. Horst Seehofer, dessen Partei mit 42,6 Prozent in Bayern abgestraft wurde, stellt sich vor dem Sitzungsraum demonstrativ ins Scheinwerferlicht. Auf Fragen reagiert er gar nicht - oder mit Spott: "Sie werden sehen, es wird alles gut. Sie werden Ihre Kommentare umschreiben müssen", sagt er. Mit einem gequälten Lächeln und viel Ironie nimmt Seehofer seine parteiinternen Kritiker aufs Korn: "Sie werden es nicht glauben, aber ich mache jetzt tatsächlich Teamarbeit!"

Superministerium für Guttenberg

Neben Seehofer steht Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Der CSU-Vorsitzende beachtet den Shootingstar aus Franken zunächst nicht. Dann wendet er sich ihm zu und sagt: "Wo kommst du denn plötzlich her?" Guttenberg kontert: "Ich bin völlig überraschend an deiner Seite."

Welches Ministerium er sich wünsche, wird Guttenberg gefragt. "Ich bin ja noch einige Tage im Wirtschaftsministerium und habe gut zu tun", sagt er. Ist das ein Hinweis auf einen Wechsel ins Verteidigungsministerium? Seehofer drängt sich dazwischen: "Wir richten ihm ein Superministerium ein, das haben wir 2005 schon mal probiert." Er hält kurz inne und fügt hinzu: "Das ist natürlich alles nur Spaß."

FDP zieht um

Auch der zukünftige Koalitionspartner würde das wohl ablehnen. Von dem ist am heutigen Tag im Reichstag keine Spur. Dutzende Kameras sind vor den Sitzungsräumen der SPD und der Union aufgebaut. Doch vor der FDP? Niemand. Hat das Interesse etwa schon nachgelassen an den Liberalen, die aller Voraussicht nach Teil der Koalition sein werden? Natürlich nicht. FDP-Chef Guido Westerwelle scherzte tags zuvor noch darüber, aber der Raum im Reichstag ist tatsächlich zu klein für seine neue, vor Kraft strotzende Fraktion. So ist sie für ihre konstituierende Sitzung kurzerhand ins benachbarte Jakob-Kaiser-Haus umgezogen. Dem Andrang tat dies freilich keinen Abbruch.

Zusammengepfercht haben sich 88 Abgeordnete im Sitzungssaal 1228 versammelt. Dicht aneinandergereiht die Stuhlreihen, und mitten drin im Getümmel Dutzende Kameraleute und Journalisten. Dass das Ganze an eine Versammlung der Schülervertretung in einem viel zu kleinen Klassenzimmer erinnert, scheint Westerwelle nicht zu stören.

Mehrmals lässt er seine Klingel ertönen, um die Medienmeute nach draußen zu komplimentieren. Aber so richtig scheint er sich dann doch nicht trennen zu wollen von dem Rummel. Einige Minuten verspätet beginnt die konstituierende Sitzung - mit Geburtstagsglückwünschen an den langjährigen parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, Jörg van Essen, "der gutaussehende Mann neben mir", wie Westerwelle sagt.

Dabei haben die Parlamentarier auch etwas Wichtiges zu beschließen. Ein neuer Fraktionsvorsitzender muss gewählt werden. Guido Westerwelle muss gewählt werden.

Nach einer halben Stunde verkündet Generalsekretär Niebel dann auch das Ergebnis, das hinter verschlossenen Türen erzielt wurde. 87 gültige Stimmen, 87 Stimmen für "Dr. Guido Westerwelle". Anwesend waren laut Niebel 88 Parlamentarier.

Tee mit Merkel

Von "ganz wichtiger Rückendeckung" durch das hervorragende Ergebnis spricht denn auch der Gewählte. Bei den "gründlichen" Koalitionsverhandlungen mit der Union, die nun offiziell am Montag beginnen sollen und bei denen er möglichst viel vom FDP-Programm durchsetzen wolle, "kann man Rückenwind sehr gut gebrauchen".

Die Gespräche mit Merkel am Vortag, so lässt Westerwelle wissen, seien schon mal in sehr angenehmer Atmosphäre verlaufen. Schampus sei jedoch keiner geflossen. "Es gab Tee."

Trotz des kordialen Verhältnisses zur zukünftigen Koalitionspartnerin ist sich Westerwelle aber der Verantwortung bewusst: "Ich weiß genau, was auf uns lastet und welche Blicke auf uns ruhen werden."

Vom öffentlichen Druck wolle er sich aber nicht beeindrucken lassen. Und ja, den Koalitionsverhandlungen mit den Profis der Union fühle er sich auch als Neuling am Verhandlungstisch gewachsen. "Das soll nicht unbescheiden klingen. Aber ich bin seit acht Jahren Chef der FDP. Die Deutschen trauen es mir zu. So bitte ich auch die anwesenden Journalisten, mir das zuzutrauen."

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