Bundestag:Lammert setzt den Ton

Warum der Bundestagspräsident die Kanzlerin düpiert.

Von Cerstin Gammelin

Trefflich kann man jetzt darüber streiten, was für Angela Merkel unangenehmer war an diesem Donnerstag. Dass die Bundeskanzlerin im Bundestag wie ein Schulmädchen ausharren musste, bis ihr das Wort erteilt wurde. Dass ihre staatstragend moderaten Töne im Streit mit der Türkei in Bayern wohl nicht gehört werden. Oder, dass sie nach ihrem Auftritt im Bundestag nach Brüssel reisen musste, wo zwar keine innenpolitischen Rivalen warten, dafür aber zerstrittenes EU-Personal.

Richtet man das Ranking der Unannehmlichkeiten an dem aus, was unerwartet kam, ist das Ergebnis klar. Es ist bemerkenswert, mit welcher Chuzpe Bundestagspräsident Norbert Lammert die Kanzlerin warten ließ, um selbst eine Erklärung zum deutsch-türkischen Verhältnis abzugeben. Der Cicero des Bundestages ließ es sich nicht nehmen, die Werteskala vorzugeben, die selbst in - wie er es nannte - hysterischen Zeiten in demokratischen Staaten zu gelten hat. Erst danach durfte die Kanzlerin ran.

Der Auftritt Lammerts war weder eine Unhöflichkeit noch ein Versehen. Der CDU-Abgeordnete setzte bewusst die entschlossenen Worte, die man spätestens nach den Nazi-Vergleichen aus der Türkei von der Bundeskanzlerin erwartet hatte. Dass er dafür bereit war, die Kanzlerin zu düpieren, zeigt, für wie dringlich er es hält, die Werte der Demokratie konsequent zu verteidigen.

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