Bundestag:Kauder weiß auch nicht, was Schwarz-Gelb will

Originell ist es nicht, wie sich die Parteien im Bundestag bekämpfen. Zum Glück gibt es Volker Kauder: Der bringt die Lage auf den Punkt.

Thorsten Denkler

Unionsfraktionschef Volker Kauder hat die Lacher auf seiner Seite. Zackig marschiert er zum Rednerpult im Plenum des Deutschen Bundestages. Angriffslustig wirft er auf dem Weg noch einen Blick in Richtung Oppositionsbänke, stellt sich hinter das Pult, drückt den Rücken durch und sagt dann den Satz, nach dem sich nicht wenige im Rund auf die Schenkel klopfen.

"Was Schwarz-Gelb macht, was Schwarz-Gelb will", sagt er, "das weiß ich auch nicht".

Der Satz hallt noch einige Sekunden nach und wird dann von der Opposition jubelnd gefeiert. Besser hat bis zu diesem Zeitpunkt keiner von ihnen den Zustand der Koalition auf den Punkt gebracht.

Es ist Haushaltsdebatte im Bundestag. Die Zeit, in der die Regierung ihre Politik erklären muss und die Opposition draufdrischt, wo es geht.

Für die Opposition kann es kaum besser laufen dieser Tage. Schwarze und Gelbe zoffen sich, seit ihre Vorleute ihre Unterschriften unter den Koalitionsvertrag gesetzt haben. Gesundheitsprämie, Steuersenkungen, Wehrpflicht, überall knirscht es. Hinzu kommen Westerwelles Reisen und eine vom FDP-Chef angezettelte Sozialstaatsdebatte.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier eröffnet die Debatte am Morgen im Bundestag. "Deutschland hat eine Regierung, die nicht regiert", sagt er. Und: So schlecht sei Deutschland noch nie regiert worden. Und: Diese Regierung sei die derzeit "größte Nichtregierungsorganisation in Deutschland". Und: Deutschland regieren sei kein Spiel, das Kabinett keine Selbsterfahrungsgruppe".

Oder: "Das war vor sechs Monaten ihre Liebesheirat. Und wir sagen Ihnen heute: Sie stehen vor den Trümmern einer zerrütteten Ehe." Die Koalition habe keine gemeinsame Idee. "Nehmen Sie endlich ihre Verantwortung war!"

Originell ist das alles nicht, eher leidlich solide Oppositionsrhetorik. Immerhin: Von Steinmeier war schon Ermüdenderes zu hören.

"So geht es nicht", sagt der Ex-Vizekanzler an einer Stelle und schlägt dann auf das Pult, dass sich alle im Plenum kurz erschrecken. Neben Merkel sitzt Außenminister Guido Westerwelle (FDP) auf der Regierungsbank und kichert. Er hebt dann selbst die flache Hand, zieht eine Flunsch, als würde er es jetzt besonders ernst meinen und deutet mehrmals an, selbst auf sein Pult zu hauen. Er kichert wieder, versucht, Merkels Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Die aber will nicht mitlachen. Mit dem Blick, den sie ihrem Stellvertreter zuwirft, wird Kindern nonverbal mitgeteilt, dass der Spaß jetzt vorbei ist. Westerwelles Reiseaktivitäten und seine Verhältnis zu spätrömischer Dekadenz scheinen ihr auf den Magen geschlagen zu haben.

Als sie dran ist, rüffelt die Kanzlerin erst die SPD. Steinmeier solle doch bitte dafür sorgen, dass dem Bundespräsidenten "der nötige Respekt entgegengebracht wird". Aus Reihen der SPD ist mehrfach gefordert worden, Horst Köhler möge sich doch bitte zu Westerwelles Auslandsreisen, und den diversen Spenden- und Sponsoringaffären äußern.

Damit gibt Merkel ihren Koalitionsfraktionären Gelegenheit, ihr donnernd zu applaudieren. Eine Marke setzen nennt man das.

Die Pointe von Kauder

Was dann jedoch folgt, klingt über weite Teile wie die Regierungserklärung der Kanzlerin einer großen Koalition. Sie lobt die erfolgreiche Stabilisierung der Finanzmärkte, den nur moderaten Zuwachs an Arbeitslosen, den Rückgang von Jugendarbeitslosigkeit, die Konjunkturprogramme und Bankenrettungspakete. Nichts davon hat Schwarz-Gelb zu verantworten.

Zur aktuellen Regierung fällt ihr nur das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz ein, dem sie tapfer attestiert, seinen Namen zu Recht zu tragen, womit sie in der Fachwelt ziemlich alleine dasteht.

Für die Lösung der Probleme - Überschuldung, Arbeitslosigkeit, demographischer Wandel - hat sie einen schlichten Vorschlag parat: Arbeit schaffen. Klingt einfach und muss es auch wohl sein, so wie Merkel es verkauft. Es gebe fünf Millionen Hartz-IV-Empfänger im Land, sagt sie, die 1,8 Millionen Kinder in Hartz-IV-Bezug hat sie dabei großzügig herausgerechnet. Merkel: "Wenn wir es hier schaffen, dass immer mehr Menschen in reguläre Arbeit kommen, dann haben wir es geschafft". So leicht kann Politik sein.

Kauder versucht zu retten, was noch zu retten ist

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi macht sich danach gar nicht mehr die Mühe, sofort darauf zu reagieren. Er arbeitet sich lieber wie gewohnt an der SPD ab, der er immerhin bescheinigt, mit ihren Vorschlägen zu einer Reform der Hartz-Gesetze auf dem richtigen Weg zu sein. Für FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger ist die Welt ohnehin eine blau-gelbe. Der Haushalt, sagt sie, sei ein "Dokument der Handlungsfähigkeit" der Koalition.

Unionsfraktionschef Kauder hat das natürlich so nicht gemeint, als er sagte, er wisse nicht, was Schwarz-Gelb will. Es war lediglich die verunglückte Eröffnung seiner Rede, die den Weg zur Pointe nicht gefunden hat. Kauder versucht zu retten, was zu retten ist: Was nämlich die "christlich-liberale Koalition" (man beachte den semantischen Unterschied zur "schwarz-gelben Koalition) mache und wolle, das wisse er sehr wohl, es gehe ja um Werte.

Diese Feinheit geht unter im anhaltenden Gelächter. Vielleicht muss man aus Baden-Württemberg kommen, um den Witz dahinter zu verstehen. Oder Mitglied dieser Koalition sein. Zu Lachen gibt es da derzeit nicht allzu viel.

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