Bundestag: Haushaltsdebatte:Schlappes Gemerkel

In der Generaldebatte zum Bundeshaushalt wird der Geburtstag eines FDP-Abgeordneten zum Höhepunkt. Die Kanzlerin schießt sich auf die Grünen ein - und erntet mit einer erstaunlichen Erkenntnis einen ungewollten Lacherfolg.

Thorsten Denkler, Berlin

Kommen wir direkt zum Höhepunkt an diesem Mittwochmorgen im Bundestag: Hermann Otto Solms hat Geburtstag. Der Vizepräsident des Deutschen Bundestages und Mr. Steuerreform der FDP-Fraktion wird 70 Jahre alt. Dafür gibt es viel Applaus im Plenum. Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier beginnt seine Rede zum Bundeshaushalt mit einem Gruß an ihn: "Wenn ich Sie anschaue, dann muss der Bundestag der reinste Jungbrunnen sein."

Bundestag

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) während der Schlussberatungen über den Haushalt 2011 im Bundestag.

(Foto: dpa)

Wenn das so wäre, dann hätte sich der geneigte Zuschauer auf eine erfrischende Generaldebatte freuen können. Aber schon der SPD-Fraktionschef Steinmeier hat sich lieber der Wintermüdigkeit hingegeben als in den Jungbrunnen zu steigen. Da bleibt am Ende nur hängen, dass Union und Grüne sich gegenseitig zu neuen Lieblingsfeinden erkoren haben.

Steinmeier eröffnet die Debatte und erzählt, was er immer erzählt. Der Aufschwung und die niedrigen Arbeitslosenzahlen seien in Wirklichkeit Ergebnisse der Politik der großen Koalition und damit der Regierungsbeteiligung der SPD. Konjunkturpakete, Abwrackprämie, Kurzarbeitergeld - mit der FDP wäre das alles nicht zu machen gewesen. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle habe zwar den "Aufschwung XXL" ausgerufen, doch "derjenige, der so redet, hat gegen alles gestimmt, was diesen Aufschwung begründet", urteilt Steinmeier.

Ansonsten arbeitet sich der SPD-Politiker an einen Brief der Kanzlerin an die Bürger ab, der in fast allen deutschen Tageszeitungen veröffentlich wurde. 2,8 Millionen Euro soll die Aktion gekostet haben. Da findet Steinmeier, eine Regierung, die sparen wolle, solle erst mal an so was sparen. Der 54-Jährige endet mit dem innovativen Satz: "Diese Land wird weiter unter seinen Möglichkeiten regiert."

Seine Fraktion bringt danach kaum mehr als einen müden Applaus zustande. SPD-Chef Sigmar Gabriel hörte sich Steinmeiers Auftritt aus einer der letzten Reihen im Plenum an. Er hatte vielleicht geahnt, dass sich in diesem Fall ein Platz in der ersten Reihe nicht gelohnt hätte. Als Kanzlerin Angela Merkel beginnt, kommt Gabriel nach vorne und gratuliert Steinmeier kurz. Dann geht er wieder zurück. Auch Merkel verspricht, nicht aufregender zu werden.

Die Nachwirkungen des Parteitags

Immerhin: Der Applaus aus den eigenen Reihen ist um einiges kräftiger als der für ihren einstigen Vizekanzler. Das mag aber noch am Karlsruher Parteitag liegen, von dem die Abgeordneten freudetrunken in die Hauptstadt zurückgekehrt sind. Merkel hat dort erfolgreich ihr neues Image als konservative Hardlinerin manifestiert. Das soll sie jetzt noch mal wiederholen.

Macht sie aber nicht. Die Kanzlerin merkelt sich gewohnt schlapp durch ihre Rede. Die besten Szenen hat sie im Mittelteil, als sie ihre neuen grünen Lieblingsgegner angreift. Union und FDP haben sich vorgenommen, die Grünen bei jeder Gelegenheit als "Dagegen-Partei" anzugreifen. Das macht Merkel jetzt auch: Die Grünen seien zwar für erneuerbare Energien, aber gegen den Netzausbau. Sie seien für die Schiene, aber gegen neue Bahnhöfe.

Sie seien gegen die Erkundung von Gorleben - doch zugleich beklagten sie, dass es kein Endlager gebe. Die Öko-Partei sei auch für den Sport. "Aber wenn es um Olympische Spiele in Deutschland geht, dann sind sie auch dagegen." Das gibt kräftigen Applaus. Die Grünen haben just auf ihrem Parteitag in Freiburg zum Missmut ihrer Führung beschlossen, die Bewerbung von Garmisch-Partenkirchen und München um die Winterspiele 2018 nicht weiter zu unterstützen.

Die Grünen und der Weihnachtsmann

Merkel legt noch einen drauf: "Wenn das so weitergeht, dann werden die Grünen für Weihnachten sein aber gegen die davor geschaltete Adventszeit." Stillstand statt Fortschritt, das wirft Merkel den Grünen vor. Mit der schwarz-gelben Koalition werde Deutschland jedenfalls kein Entwicklungsland, sagt sie. Dann schaut die Kanzlerin Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin an, und fährt fort: "Bei Ihnen bin ich mir da nicht ganz sicher."

Bundestag Künast

Sie reagierte auf die Attacken der Kanzlerin in der Generaldebatte: Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast.

(Foto: dpa)

Trittins Ko-Vorsitzende Renate Künast darf sich für die Grünen an Merkel versuchen. Die gibt sich zunächst staatstragend, denn schließlich will sie 2011 Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden. Ausdrücklich lobt Künast CDU-Innenminister Thomas de Maizière für dessen "Ernsthaftigkeit und Seriosität" im Umgang mit den Terrorwarnungen. "Wir sind hier in einem freien Parlament in einem freien Land und das wird es immer bleiben." Da nickt Merkel anerkennend und sogar CDU-Fraktionschef Volker Kauder, der ein bekennender Grünen-Fresser ist, klatscht.

Sonst hat auch Künast kaum etwas zu bieten, was ihrer Rolle als Führerin einer Oppositionspartei gerecht werden würde. Ein bisschen gegen Steuerprivilegien für Hoteliers, ein wenig Rütteln am bürgerlichen Anstandsgefühl der Koalition und ihrem christlichen Selbstverständnis, weil die Union den Städten und Gemeinden das Geld nehme, weshalb kommunale Schwimmbäder geschlossen werden müssten und Kinder nicht mehr das Seepferdchen machen könnten.

Na ja, originell war das alles nicht - abgesehen von einem Satz, der zu besonderer Erheiterung im Saal geführt hat. Er stammt von Angela Merkel. Die sagt zum Schluss ihrer Rede über die Regierungsarbeit von CDU, CSU und FDP: "Es macht uns sogar noch gemeinsam Spaß." Das war wirklich mal ein lustiger Satz.

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