Bundestag erleichtert Vaterschaftstests:Wahre Liebe

Väter bekommen das Recht, die Abstammung ihrer Kinder zu klären - aber sie haben auch Zeit, sich den Schritt gut zu überlegen.

Heribert Prantl

Das alte Recht hatte nichts übrig für den zweifelnden Vater. Es gab ihm nur die Anfechtungsklage - es zwang ihn zu einem juristischen Schritt, der ein juristischer Schnitt war. Der zweifelnde Vater musste felsenfest behaupten und untermauern, nicht Vater zu sein, auch wenn er die Gewissheit nicht hatte.

Er riskierte mit der Anfechtungsklage die komplette juristische Loslösung vom Kind. Der Erfolg seiner Klage beendete automatisch die Verwandtschaft, also jegliche Rechtsbeziehung zu dem Kind, mit dem er womöglich seit Jahren zusammengelebt hatte. Das ging und geht vielen zweifelnden Vätern zu weit. Sie wollten und wollen zwar Klarheit haben, aber nicht sämtliche rechtlichen Bande zum Kind abschneiden.

Viele zweifelnde Väter gingen also bisher nicht zum Gericht, sondern - heimlich - ins Genlabor. Sie grabschten sich Schnuller oder Zahnbürste des Kindes, schnippelten sich selbst ein paar Haare vom Kopf und gaben das Ganze im Genlabor ab. Zwanzigtausend solche Tests sollen nach Schätzungen des Bundesjustizministeriums jährlich gemacht worden sein. Dann hatte der zweifelnde Vater Gewissheit; aber dann folgte der womöglich sehr viel schwierigere Umgang mit dieser Gewissheit. Rechtlich war mit dem heimlichen Test überhaupt nichts anzufangen. Denn kein Gericht durfte einem heimlichen Test Beachtung schenken.

Dabei bleibt es. Es gibt zwar künftig ein Recht auf den Gentest, aber nur auf offenem Weg, nicht heimlich. Nach dem Gesetz "zur Klärung der Vaterschaft unabhängig von einem Anfechtungsverfahren", das am Donnerstag im Bundestag beschlossen wurde, sind heimliche Tests rechtswidrig, ihre Verwendung in Unterhaltsprozessen ist untersagt.

So hat es das Bundesverfassungsgericht vor einem Jahr vorgeschrieben und das neue Recht vorgezeichnet. Es bietet einen offenen Weg an, die Abstammung zu klären; und der ist glücklicherweise nicht so kompliziert wie der Name des Gesetzes. Der zweifelnde Vater kann künftig einen Gentest auch gegen den Willen der Mutter durchsetzen. Er hat einen "Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung". So steht es im neuen Paragraphen 1598 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Wenn die Mutter nicht zustimmt, ersetzt das Familiengericht auf Antrag des Vaters die Einwilligung und ordnet die Duldung "einer Probeentnahme" an.

Nach den Grundsätzen der Wissenschaft

Die Probe muss, auch das steht im neuen Gesetz, "nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft entnommen werden". Das heißt: Es muss ein Arzt oder ein Labor aufgesucht werden, bei dem man sich mit Ausweis legitimieren muss. Das Abstammungsgutachten wird nicht vom Gericht, sondern vom zweifelnden Vater in Auftrag gegeben. Es bleibt also, auch wenn das Gericht die Einwilligung der Mutter ersetzt hat, ein privates Gutachten. Die Mutter kann vom Vater eine Abschrift des Abstammungsgutachtens verlangen. Juristische Konsequenzen hat es nicht.

In den meisten Fällen wird der Vater von Mutter und Kind die Einwilligung in den Gentest verlangen. Das Gesetz sieht aber auch vor, dass die Mutter von Vater und Kind - und auch das Kind von beiden Elternteilen - einen Gentest verlangen kann. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hofft, dass die Einwilligung in diesen Gentest in der Regel freiwillig erteilt wird, dass es also der Klage vor dem Familiengericht gar nicht bedarf.

Im Grundsatz bleibt es bei der uralten Regel, die der Paragraph 1592 BGB wie folgt formuliert: Vater eines Kindes ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet ist, oder derjenige, der mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft anerkannt hat.

Diese Regel, diese gesetzliche Vaterschafts-Vermutung, die Ordnung ins Chaos der menschlichen Natur bringen soll, gilt auch weiterhin - solange nicht der Gegenbeweis geführt ist und daraus die juristischen Konsequenzen gezogen werden. Diese Gegenbeweise werden allerdings nun mit dem neuen Recht den neuen genetischen Feststellungsmöglichkeiten angepasst - und dem Wunsch des zweifelnden Vaters nach Klarheit.

In achtzig Prozent der Fälle bestätigen übrigens derzeit die Untersuchungen die Vaterschaft. Dann kann - theoretisch - wieder Friede in der Familie einkehren. Zu den Risiken und Nebenwirkungen von Gentests darf man allerdings den Gesetzgeber nicht befragen. Die muss jeder für sich selbst klären. Das neue Recht gibt dem Zweifler daher Zeit, darüber nachzudenken, ob er wirklich einen Gentest will, ob es ihm wirklich so wichtig ist, genau zu wissen, ob er biologischer Vater ist. Es gibt, anders als bei der Vaterschaftsanfechtung, keine starren Fristen. Vielleicht kommt ja so der Zweifler noch zu der Erkenntnis, deshalb der wahre Vater zu sein, weil er sein Kind liebt.

Ein Letztes: Den Männern, die nicht Vater sind, aber gern Vater sein wollen, gibt das neue Recht kein neues Recht. Wenn also ein Mann, der in keiner rechtlichen oder sozialen Beziehung zum Kind steht, klären lassen will, ob er der Erzeuger ist, geht das nur so: Er muss, wie bisher, "an Eides statt" versichern, "der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben" und die Vaterschaft des Kindes anfechten.

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