Bundestag des BDI:Die Bosse lieben Guido

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Merkel, Steinmeier, Westerwelle. Alle drei haben beim Verbandstag des BDI gesprochen. Könnten die mehr als 1000 Industriebosse jetzt den Kanzler bestimmen, sie würden den FDP-Chef wählen.

Thorsten Denkler, Berlin

Der Kanzlerkandidat kündigt schon mal vorsichtshalber an, nicht die gleiche Rede wie am Tag zuvor halten zu wollen. Da sprach Frank-Walter Steinmeier auf dem SPD-Parteitag und hielt eine selten stark bejubelte Rede vor den Delegierten. An diesem Vormittag aber, ziemlich genau 24 Stunden später, soll er eine Ansprache auf einer Veranstaltung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) halten.

Der Kandidat und die Kanzlerin: Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel. (Foto: Foto: dpa)

Statt 500 Genossen sitzen hier gut 1000 Wirtschaftsbosse und Topmanager der deutschen Industrie vor ihm. Und die würden wohl kaum dieselbe Begeisterung wie gestern auslösen, bemerkt Steinmeier. Einen kleinen Lacher erzeugt er damit. Es sollte der letzte bleiben.

In der "Station-Berlin", einem ehemaligen Postdepot in Berlin-Kreuzberg, haben sich die Industriellen an diesem Montag versammelt, um Antworten auf die Krise zu hören. Vor Steinmeier war Bundeskanzlerin Angela Merkel dran, nach Steinmeier der FDP-Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle.

Ein interessante Mischung. Gestern noch polterte Steinmeier gegen Merkel, die in seinen Augen lieber moderiert als führt. Merkel wiederum fiel im Vorfeld durch Kritik an den Steuersenkungsplänen der FDP auf. Westerwelle nun reibt sich heute am Kanzlerkandidaten der SPD.

Die Unternehmer hier interessieren sich für zwei Themen: Ordnungspolitik und Steuern. Alle drei Spitzenpolitiker gaben dazu Antworten, die höchst unterschiedlich aufgenommen wurden. Das Ergebnis vorab: Würde der nächste Kanzler durch die Stärke des Applauses auf dem Tag der deutschen Industrie bestimmt, Guido Westerwelle hätte hier im ersten Wahlgang gewonnen.

Der FDP-Chef setzt alles auf die Steuerkarte. Einfacher, niedriger, gerechter müsse das Steuersystem werden, sagt er. So wie er es seit Jahren jedem einbläut, der ihm zufällig begegnet. Trotz sinkender Steuereinnahmen und krisenbedingter Neuverschuldung sei das Geld dafür da, verspricht er und die Industrie-Manager sind begeistert. Immer wieder Applaus, an einigen stellen johlen manche lauthals.

So viel Zuneigung bringen die Industriekapitäne weder der Kanzlerin noch ihrem Herausforderer Steinmeier entgegen. Merkel verlegt sich darauf, die Krisenpolitik der Bundesregierung zu erklären. Die Krise sei nicht hausgemacht, aber die Menschen wollten dennoch, dass die Politik dafür sorge, dass das nicht noch einmal passiere.

Darum verteidigte Merkel, dass der Staat Opel und vielen anderen Unternehmen mit Bürgschaften helfe, auch wenn sie das in normalen Zeiten aus ordnungspolitischer Überzeugung nie getan hätte.

Opel etwa hätten den Weg der geordneten Insolvenz - wie von ihrem Wirtschaftsminister Guttenberg gewünscht - nicht gehen können. Zu komplex die Eigentümerstruktur, zu kompliziert die unterschiedlichen Insolvenzrechte der beteiligten Länder. Reichlich Stoff für Doktorarbeiten, sagt Merkel. Sie jedenfalls konnte sich nicht dazu durchringen.

Und noch etwas habe für Staatshilfe gesprochen: Es gebe zwar international Überkapazitäten im Automobilbau, räumte Merkel ein. Doch Opel stelle anerkannt gute Autos her. Sie könne und wolle deshalb nicht, "dass wir die Marktbereinigung für die Welt erledigen". Niemand dürfe "die Augen verschließen davor, was andere Länder für ihre Arbeitsplätze tun". Es reiche nicht, "ordnungspolitisch sauber die besten Produkte vom Markt zu nehmen". Vorher wolle sie Opel noch "eine Chance geben". Applaus gab es dafür nicht. Im BDI scheinen die Hilfen für die Autoindustrie nicht sonderlich gut anzukommen.

Beifall bekommt Merkel eigentlich nur für zwei Punkte. Dafür, dass sie es "jammerschade" finde, dass Deutschland aus der Kernenergie aussteige. Dies wolle sie in einer neuen Regierungskonstellation nach der Bundestagwahl gerne rückgängig machen. Und dafür, dass sie - wenn auch vage - Steuersenkungen in Aussicht stellte. Auf keinen Fall wolle sie eine höhere Belastung und "womöglich eine Entlastung" der Bürger erreichen. Viel ist das nicht. Aber die Manager spenden Beifall, als wollten sie Merkel vor allem im letzten Punkt bestärken.

Steinmeier hat da von Anfang an keine guten Karten. Er spricht davon, dass das Land "ehrgeiziger und anspruchsvoller im Kampf um die Arbeitsplätze von morgen" werden müsse, vor allem darin, ressourcenschonende Technologien zu entwickeln. Deshalb müsse das Land auch "ehrgeiziger und anspruchsvoller" werden bei Bildung und Ausbildung.

Bis dahin waren wohl alle im Saal mit ihm einig. Doch Steinmeier will Mehrausgaben für Bildung "nicht auf Pump" finanzieren, sondern über höhere Steuern. Um zwei Prozent soll dafür der Spitzensteuersatz steigen, was im Raum gefühlt 90 Prozent der Anwesenden treffen würde.

Steinmeier versucht zu erklären. "Das Mehr an Bildung werden wir zum Nulltarif nicht schaffen." Das koste Geld. Ihm sei aber bewusst, dass "Herr Westerwelle gleich dazu was anderes sagen wird, etwas, das Sie lieber hören." Aber er sehe eben für Steuersenkungen "keinen Spielraum" angesichts der geschätzt 320 Milliarden Euro Mindereinnahmen des Staates für die kommenden Jahre.

Null Reaktion aus dem Publikum. Auch der versteckte Appell an die moralische Verpflichtung hilft nicht. Steinmeier berichtet, dass er "auch aus ihren Reihen" Stimmen gehört habe, die sagten: "Okay, wenn ihr wirklich garantieren könnt, dass das Geld bei der Bildung ankommt, dann bin ich bereit zu zahlen, das bringt mich nicht um."

Es muss eine Einzelstimme gewesen sein. Gastgeber BDI-Chef Hans-Peter Keitel jedenfalls stellte nach Steinmeiers Rede klar, dass die Unternehmen gerne Geld für Bildung ausgeben, aber bitte nicht über den Umweg Staat sondern lieber direkt. Seltsam. In der Krise scheinen die Unternehmen das Geld des Staates sehr direkt anzunehmen.

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