Bundesregierung in der Kritik:"Das Sparpaket besteht aus Luftbuchungen"

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Womöglich kann die Regierung nur die Hälfte der geplanten 80 Milliarden wirklich einsparen. Haushaltsexperten bemängeln, dass der Großteil des Milliardenprogramms nur Verschiebungen im Etat seien.

C. Hulverscheidt und T. Öchsner

Das Sparpaket der Koalition wird sich womöglich nicht realisieren lassen. Vertreter der Opposition wie auch unabhängige Experten erklärten, das Programm im Umfang von 80 Milliarden Euro bestehe zu einem großen Teil aus "Luftbuchungen", mit denen niemand seriös planen könne.

Kritik von der Opposition: Das Sparprogramm der Regierung besteht zum großen Teil aus Einnahmen, mit denen man nicht seriös rechnen könne. (Foto: dpa)

Mit dem Paket will die christlich-liberale Koalition das um Konjunktureinflüsse bereinigte Etatdefizit binnen vier Jahren von heute 60 Milliarden auf knapp 30 Milliarden Euro drücken. Das schreibt die neue Schuldenbremse im Grundgesetz vor. Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider sagte der Süddeutschen Zeitung, seiner Einschätzung nach werde die Einsparsumme am Ende womöglich nur halb so hoch ausfallen wie geplant.

Er könne sich zudem nicht vorstellen, dass die EU-Kommission ein "halbseidenes Programm aus Luftbuchungen" akzeptieren werde, zumal sich Deutschland in Brüssel als Zuchtmeister aufspiele. Schneiders Grünen-Kollege Alexander Bonde erklärte, mit dem Paket werde die Regierung die Vorgaben der Schuldenbremse nicht umsetzen können. "In zahlreichen Bereichen findet nur vordergründig Sparen statt: In Wirklichkeit werden Belastungen auf heutige und künftige Beitragszahler verschoben."

Tatsächlich ist in vielen Fällen völlig ungewiss, ob CDU, CSU und FDP die Einsparungen auch werden durchsetzen können. Allein zehn Prozent der Summe hängen nach Angaben aus Regierungskreisen an der Zustimmung des Bundesrats, wo Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr hat. Weitere gut vier Milliarden Euro sind gefährdet, weil unklar ist, ob die FDP die Einführung einer Brennelementesteuer und einer Umsatzsteuer auf Bankgeschäfte auch dann mitmachen wird, wenn die Laufzeiten der Atomkraftwerke nicht verlängert und die Finanztransaktionsteuer nicht europaweit eingeführt werden kann.

"Unsoziale" Kürzungspläne

Gegen die Abschaffung der Rentenbeitragszahlungen des Bundes für Hartz-IV-Empfänger, mit dem die Koalition 1,8 Milliarden Euro pro Jahr einsparen will, dürften wiederum die Kommunen rebellieren. Sie müssten nämlich bei der Absicherung der Langzeitarbeitslosen im Alter einen größeren Teil der Kosten übernehmen. Unklar ist zudem, ob die Reform der Bundeswehr und die Zinsentwicklung an den Finanzmärkten tatsächlich zu Minderausgaben von jeweils bis zu zwei Milliarden Euro führen werden. Experten halten das für völlig unrealistisch.

Das gleiche gilt für die geplanten Einsparungen im Sozialbereich, die bereits 2011 rund fünf Milliarden Euro bringen sollen. So verwies der Arbeitsmarktexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft, Holger Schäfer, darauf, dass es für Langzeitarbeitslose kaum Pflichtleistungen gebe, die sich streichen und in günstigere Ermessensleistungen umwandeln ließen. Anders sehe es bei der Förderung Jobsuchender aus, die nicht Hartz IV beziehen.

Dort aber entfalle ein großer Teil der heutigen Pflichtangebote auf Behinderte. "Und daran wird sich die Bundesregierung vermutlich nicht herantrauen", sagte Schäfer der SZ. Nach der Opposition bezeichnete zudem auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) die Kürzungspläne als unsozial. Er sagte, in dem Paket seien "die Beiträge der starken Schultern nicht erkennbar".

© SZ vom 02.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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