Bundesregierung im Maut-Streit:Willkommen im Rosa-Watte-Land

Dobrindt und Schäuble

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU, l) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sind sich uneins in Sachen Pkw-Maut. Den Streit der beiden müssen ihre Sprecher wortreich dementieren.

(Foto: dpa)

Draußen tobt der Streit um die Maut. Seehofer gegen Schäuble, Dobrindt gegen alle. Nur in der Bundespressekonferenz finden die Sprecher von Bundesregierung und den zuständigen Ministerien alle Vorgänge ganz normal und wollen von Sabotage nichts wissen.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Dreimal in der Woche kommen die Sprecherinnen und Sprecher der Bundesregierung vor der blauen Wand im großen Saal der Bundespressekonferenz zusammen. Sie üben sich dann in den Künsten des gepflegten Nichts-Sagens und Schönredens.

Auch an diesem Montag ist es wieder so. Es geht um die Maut, jenes leidige Thema, das Potential hat, eine echte Koalitionskrise auszulösen. Wenn die nicht schon längst da ist.

Am Wochenende ist der Streit eskaliert. Im Spiegel wird aus einer vernichtenden Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums zitiert. Mit dem von CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt vorgelegten Konzept komme nicht genug Geld zusammen, heißt es. Es sei zu befürchten, dass mit Dobrindts Ausländer-Maut weit weniger als die avisierten 600 Millionen Euro zusammenkämen. Vielleicht werde das sogar ein Verlustgeschäft.

Horst Seehofer muss vor Ärger in den Tisch gebissen haben, als er das las. Noch am Sonntag rüffelte der CSU-Chef Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU in der Süddeutschen Zeitung. Es sei schon "ein ungewöhnlicher Vorgang", dass in einer Ressortabstimmung die Stellungnahme "vor allem eines Ministeriums, nämlich des Finanzministeriums, in die Öffentlichkeit lanciert" werde, schimpfte Bayerns Ministerpräsident. Und weiter: "Das erhärtet eigentlich meine Vermutung, dass der Finanzminister ja alles tun möchte, um das zu verhindern."

Und wie klingt das in Bundespressekonferenz, einen Tag nach dem großen Knall? Regierungssprecher Steffen Seibert versichert, alle die Bundesregierung tragenden Parteien arbeiteten "konstruktiv" an einer Lösung für die Maut. Die Welt der Bundespressekonferenz, sie ist eine rosa Wattewolke.

Warum alle immer "konstruktiv" sind

Konstruktiv. Auch so ein Schönsprech-Wort. Im Wortschatz von Pressesprechern darf es nicht fehlen. Genau wie das Wort "prüfen". Ministerien prüfen in der Regel alles. Wer prüft, hat nichts entschieden (muss also nichts dazu sagen), ist aber schwer beschäftigt. Ein praktisches Wort ist das. Universell einsetzbar.

Konstruktiv aber, um auf Seibert zurückzukommen, ist in diesen Tagen rein gar nichts. Seehofer hatte auch in der Bild-Zeitung gepoltert. Nach den Wahlen in Brandenburg und Thüringen am Sonntag sei "die Schonzeit vorbei". War das jetzt konstruktiv in Seiberts Sinne? Er sagt: "Ich beantworte keine parteipolitischen Fragen."

Und was ist mit dem offenkundigen Streit zwischen Finanz- und Innenministerium auf der einen und Bundesverkehrsminister Dobrindt auf der anderen Seite? Das Finanzministerium hält die Einnahme-Seite der Maut für völlig ungesichert. Das Innenministerium sieht Probleme mit dem Grundgesetz. Kraftfahrzeuge zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen sollen von der Maut ausgenommen bleiben, was mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar sei.

Nun, in der Bundespressekonferenz gilt: Streit gibt es nicht. Nicht mal Differenzen. Die Bundesregierung ist sich im Grundsatz immer einig. Immer.

Alles "ganz normale Vorgänge"

Also gibt es die Stellungnahmen gar nicht? Doch, die gibt es. Immerhin das bestätigen die Sprecherinnen der beiden Häuser. Sie seien vom Verkehrsministerium angefordert worden, kurz nachdem Dobrindt am 7. Juli sein Maut-Konzept vorgestellt habe.

Nur über deren Inhalte wollen sie konkret nichts sagen. Weshalb Schäubles Sprecherin Marianne Kothé so schöne Sätze wie diese sagt: "Wir prüfen die einzelnen Aspekte", aber "konkrete Zahlen können wir nicht nennen". Und was ist mit den Zahlen, die ja schon in der Stellungnahme stehen? Das sei lediglich eine "vorläufige" Stellungnahme auf Grundlage des Konzeptes vom Juli. Ist denn die Stellungnahme jetzt überholt? "Das habe ich nicht gesagt."

Das sei doch alles ein "ganz normaler Vorgang", ergänzt Dobrindts Sprecherin Vera Moosmayer. Ein Ministerium legt vor, andere geben ihre Stellungnahmen ab. Und am Ende kommt was gemeinsames dabei heraus. Alles halb so wild also.

Aber Moment, die Kritik aus den anderen Häusern liest sich eher so, als wäre alles doppelt so wild. Moosmayer macht ihren Job, sie versucht zu beschwichtigen. Das Maut-Konzept aus ihrem Hause sei europarechtskonform und mit dem Grundgesetz vereinbar. Punkt.

Sie klingt allerdings, als hätte sie diese Sätze in letzter Zeit einige Male zu oft sagen müssen.

Auch europarechtskonform also sei Dobrindts Maut. Aber will nicht die CSU eine Maut, die vor allem Ausländer belastet und Inländer gar nicht? Also eine Ausländer-Maut? Genau das nämlich wäre es, was die Dobrindt-Maut sehr wahrscheinlich nicht europarechtskonform machen könnte.

Moosmayer überrascht das Publikum mit dem Satz: "Es geht nicht darum, Ausländer zur Kasse zu bitten." Nicht? Im Wahlprogramm der CSU las sich das 2013 so: "Wir wollen eine PKW-Maut für Reisende aus dem Ausland."

Aber gut, Wahlprogramme haben mit Regierungsarbeit herzlich wenig zu tun.

Alle sind gesprächsbereit. Immer

Sprecherin Moosmayer will nicht, dass ihr Minister wie ein Sturkopf dasteht. Der sei "bereit zu reden". Jetzt werde auf der Grundlage seines Konzeptes mit anderen Häusern der Gesetzentwurf vorbereitet und "in Kürze" vorgestellt. Also noch in diesem Jahr.

Das klingt so schön nach Kompromissbereitschaft. Alles gut also im rosaroten Watteland?

Nicht ganz. Moosmayers Pech, dass Dobrindt am gleichen Tag in Abensberg beim Gillamoos-Volksfest auftritt, einer Art politischem Aschermittwoch zum Herbstbeginn. Bayerisches Brauchtum. Dort sagt er: "Ich habe nichts an meinem Plan zu ändern."

Wie meint er das nun wieder? Das wäre eine naheliegende Frage an Moosmayer gewesen. Aber die Antwort ist ja bekannt. Alle seien gesprächsbereit. Und auf der Grundlage des Konzeptes werde ein Gesetzentwurf erarbeitet.

Die Wirklichkeit der Bundespressekonferenz ist eben oft eine ganz andere, als die da draußen. Eine Lanze für die Sprecher sei dennoch gebrochen. Die Wirklichkeit, die sie dreimal in der Woche zu verkünden haben, geben ihnen ihre Chefs vor. Sie können nicht anders. Auch wenn so manchem Sprecher anzusehen ist, wie gerne sie manchmal einfach sagen würden, wie es wirklich ist.

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