Bundesrat nach der Wahl:Tiger mit Zahnlücken

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Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD, rechts) spricht in der letzten Bundesratssitzung vor der Wahl. (Foto: dpa)

In der letzten Sitzung vor der Bundestagswahl verhindert die rot-grüne Ländermehrheit eine Gehaltsgrenze für Manager, weil sie ihnen nicht weit genug geht. Ab Montag aber ist der Wahlkampf vorbei. Sollte Merkel mit Schwarz-Gelb weiterregieren können, dann ist der Bundesrat für sie vor allem eines: teuer.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Deutschlands Manager dürfen sich freuen. Das Gesetz der schwarz-gelben Bundesregierung, das ihre Gehälter begrenzen sollte, ist gestoppt. Der Bundesrat hat es an diesem Freitag in seiner letzten Sitzung vor Ende der Legislaturperiode des Bundestages zu Fall gebracht.

Beides war ein bisschen Wahlkampf. Das Gesetz selbst, weil den Koalitionären aus Union und FDP klar gewesen sein muss, dass es im Bundesrat so kurz vor der Wahl scheitern musste. Und auch das Verhalten der rot-grünen Mehrheit im Bundesrat folgt den Regeln des Wahlkampfs. Das Gesetz hätte der Zustimmung der Länder gar nicht bedurft, der Bundesrat konnte nur Einspruch einlegen. Der Bundestag hätte den Einspruch dann zurückgewiesen. Aber das ist jetzt eben wegen der Wahl am Sonntag nicht mehr möglich.

Die Frage nach den Managergehältern wird so Teil der kleinen Fingerhakeleien, die sich die rot-grünen Länder im Bundesrat mit der schwarz-gelben Bundesregierung liefern. Abgehnt hat Rot-Grün die Initiative, weil sie ihnen nicht weit genug ging. Seit nach der Wahl in Niedersachen aus dem Patt eine sogenannte Gestaltungsmehrheit für Rot-Grün im Bundesrat wurde, feuern sie aus allen Rohren. Mindestlohn, Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehe, Abschaffung des Betreuungsgeldes. Gesetzesentwurf um Gesetzesentwurf brachten SPD und Grüne mit ihrer Mehrheit durch die Länderkammer, um es im Bundestag beraten zu lassen. Wo die Pläne - wenig überraschend - abgelehnt wurden.

Regierungen mit dem Bundesrat: Schwierig, aber möglich

Der Bundesrat ist, selbst wenn er in der Hand einer klaren Mehrheit ist, eben doch nur ein Tiger mit erheblichen Zahnlücken. Er kann Gesetze vorschlagen, aber nicht alleine durchsetzen. Politik selber aktiv zu gestalten, ist für ihn also in der Praxis quasi unmöglich. Er kann aber Gesetze des Bundes komplett verhindern, wenn diese zustimmungspflichtig sind, also in die Belange der Länder eingreifen. Oder ein Gesetz zumindest zeitlich verzögern, wenn die Länder nur ein Einspruchsrecht haben.

Der Bundesrat ist eher ein Blockade- oder (wenn es gut läuft) ein Korrektur-Instrument in der Gesetzgebung des Bundes. Dass Gesetzesvorschläge der Länder im Bundestag angenommen werden, ist eine Seltenheit. Selbst dann, wenn die Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat die gleichen sind.

Das bedeutet nicht, dass Regieren unmöglich ist, wenn die Farben der Länder andere sind als die im Bund. Sollte Kanzlerin Angela Merkel ihre schwarz-gelbe Koalition fortsetzen können, wird es zwar schwer. Es ist aber nicht anzunehmen, dass die Länder im Wahlkampfmodus verbleiben. Dafür sind die Interessen auch zu unterschiedlich. Die rot-grüne Ländermehrheit ist längst nicht so stabil, wie es sich die Strategen in den Parteizentralen von SPD und Grünen wünschen würden.

Die ganz, ganz große Koalition

Als im Frühjahr das umstrittene Leistungsschutzrecht für Verlage auf der Tagesordnung stand, da hatten es rot-grüne Politiker im Bundestag noch als Teufelszeug gebrandmarkt. Im Bundesrat aber ging das Gesetz glatt durch, weil das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen und das rot regierte Hamburg Gefallen an dem Gesetz gefunden hatten.

Für Merkel wäre ein rot-grüner Bundesrat also vor allem eines: teuer. Etwa die Hälfte aller Bundesgesetze sind zustimmungspflichtig, können also ohne den Segen der Länderkammer nicht in Kraft treten. Die kann Merkel nur im Kompromiss mit den Ländern durchbekommen. Und die rot-grünen Länder werden schon darauf achten, jedes Mal möglichst viel für sich dabei herausschlagen. Schwarz-Gelb im Bund und Rot-Grün im Bundesrat - es wäre dann die ganz, ganz große Koalition, die das Land regiert.

Schlecht muss das nicht sein. Die rot-grüne Koalition von Kanzler Gerhard Schröder hatte auch eine schwarz-gelbe Mehrheit in der Länderkammer gegen sich. Und doch setzte er eine Mammutreform wie die Agenda 2010 durch.

Einfacher wäre es für Merkel natürlich mit einer großen Koalition. Union und SPD sind in allen Landesregierungen vertreten. Blockade um der Blockade willen wäre dann fast unmöglich

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