Bundesrat: Carstensen im Steuerstreit:Merkels neuer Bettvorleger

Loyalität geht wohl vor Schuldenabbau: Anders ist nicht zu erklären, warum Ministerpräsident Carstensen im letzten Moment die Hand hebt für ein Gesetz, das nur neue Schulden produziert - und seinem Land Probleme bereitet.

Thorsten Denkler

Natürlich ist er eingeknickt. Das war absehbar. Ein langer Abend am Kamin mit Unions-Fraktionschef Volker Kauder und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) hat gereicht, um Peter Harry Carstensen (CDU) in die Schranken zu weisen. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein macht mit beim sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz.

Peter Harry Carstensen; Reuters

Hörte letztendlich auf das, was Merkel sagte: Peter Harry Carstensen ließ sich von der Kanzlerin überzeugen.

(Foto: Foto: Reuters)

Nicht, weil das Gesetz über Nacht sinnvoll geworden wäre. Die 8,5 Steuermilliarden für Familien, Hoteliers, Erben und Unternehmer beschleunigen die Staatsverschuldung und belasten die Länderhaushalte bis über jede Schmerzgrenze hinaus.

Kein namhafter Ökonom, der das Gesetz gutheißen würde, der gar nennenswerte Wachstumseffekte voraussagen könnte, wie der Name des Gesetzes glauben machen will. Kaum ein Ministerpräsident, egal welcher Couleur, der an dem Gesetz nichts zu kritisieren hätte.

Und dennoch: Zustimmung.

Das hat einen einfachen Grund. Aus dem verstolperten Start der neuen Bundesregierung soll endlich ein runder Lauf werden. Die schwarz-gelb regierten Länder sehen ihre gesamtstaatliche Verantwortung offenbar allein darin, die Koalition in Berlin zu stützen. Das Signal sei wichtig, dass die schwarz-gelben Länder hinter der schwarz-gelben Bundesreigerung stehen, sagt Hessens Ministerpräsident Roland Koch im Bundesrat. Sei's drum, wenn dieses Signal mit mehr acht Milliarden ziemlich teuer kommt.

Gesamtstaatliche Verantwortung aber hätte zumindest bedeuten müssen, das Gesetz in den Vermittlungsausschuss zu bringen. Dort hätten Bundestag und Bundesrat die schlimmsten Auswüchse des Gesetzes noch beschneiden können.

Den meisten Ländern aber ging es ohnehin nur um eines: Kostenausgleich. Das war auch Carstensens Ziel. Aber er hat sich nicht mal richtig aus seiner anfänglichen Ablehnung herauskaufen lassen.

Statt Kompensation der Steuerausfälle hat Merkel lediglich versprochen, dass der Bund dauerhaft 40 Prozent der auf dem Bildungsgipfel diese Woche verabredeten Mehrausgaben für die Bildung zu übernehmen. Unterm Strich werden Länder und Kommunen real nicht um einen Cent entlastet.

Carstensen ist der klassische Fall eines Mannes, der sich als Tiger hat feiern lassen und der jetzt als Merkels neuer Bettvorleger froh sein kann, wenn nicht alle auf ihm rumtrampeln. Er hatte nicht mal mehr den Mumm, im Bundesrat seines plötzliches Ja zu erklären.

Dass der Mann aus dem Norden die Chance verpasst hat, sich als Wahrer der Interessen nachfolgender Generationen zu profilieren, sei mal dahingestellt. Dass aber die schwarz-gelben Länder sich auch noch auf eigene Kosten derart vor den Karren des Bundes spannen lassen, ist mehr als fahrlässig.

Fragt sich, worin der Bundesrat eigentlich seine Aufgabe sieht. In den vergangenen Jahren hat er sich wahlweise als Blockadeorgan oder als blindes Abnickgremium gezeigt - je nachdem, ob die politischen Mehrheiten in Bundestag gleich oder gegensätzlich waren.

So einen Bundesrat braucht kein Mensch.

Im Video: Nach dem Tauziehen um das umstrittene Wachstumsbeschleunigungsgesetz will auch Schleswig-Holstein im Bundesrat zustimmen.

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