Bundespräsidentenwahl:Österreich bekämpft den Ruf der Bananenrepublik

  • Das österreichische Verfassungsgericht entscheidet: Die Bundespräsidentenwahl muss wiederholt werden.
  • Es sei zwar nicht zu nachweisbaren Manipulationen bei der Auszählung gekommen; diese seien aber auch nicht auszuschließen gewesen.
  • Noch-Bundespräsident Fischer sagt, das Urteil werde "positiv in die Geschichte" eingehen.

Von Cathrin Kahlweit

Die zweite Runde der Bundespräsidentenwahl muss in ganz Österreich wiederholt werden. Wahrscheinlich schon Ende September werden die Österreicher erneut zur Stichwahl zwischen den Kandidaten Alexander Van der Bellen (Die Grünen) und Norbert Hofer (FPÖ) gebeten. Das Verfassungsgericht hatte am Freitag der Wahlanfechtung der Freiheitlichen Partei stattgegeben. Nun ringen Parteien und Betroffene um Fassung. Denn eine Neuauflage des Wahlkampfes droht die politischen Gräben aufzureißen, die zuletzt - auch mithilfe eines sachlich und sorgfältig geführten Wahlprüfungsverfahrens - mühsam zugeschüttet worden waren.

Das Urteil der Verfassungsrichter gilt als international einzigartig: Wahlexperten verweisen darauf, dass wohl nirgends in der westlichen Welt je eine Präsidentenwahl wiederholt werden musste. Dabei war es, das betonte auch das Verfassungsgericht, am 22. Mai nicht einmal zu nachweisbaren Manipulationen bei der Auszählung gekommen; diese seien aber eben auch nicht auszuschließen gewesen. Und so werteten es die Richter als ihre Pflicht, dazu beizutragen, das "wahre Fundament einer Demokratie, die Wahl, funktionsfähig" zu erhalten.

Das Verfahren, das Dutzende von teilweise eklatanten Unregelmäßigkeiten seitens der Behörden bei der Auszählung der Briefwahl offenlegte, hatte grundlegende Zweifel am österreichischen Rechtsstaat gesät. Das Gericht hatte in seiner mehr als dreiwöchigen Beweisaufnahme so viele "Verstöße gegen die Grundsätze freier und geheimer Wahlen" gefunden, dass es nach eigener Ansicht gar nicht anders konnte, als der Wahlanfechtung stattzugeben.

Bundespräsidentenwahl: SZ-Grafik; Fotos: AFP

SZ-Grafik; Fotos: AFP

Nicht auffindbar, gefälscht, ungelesen unterschrieben

Da waren nicht mehr auffindbare Stimmzettel als ungültig gewertet und Protokolle gefälscht oder ungelesen unterschrieben worden. Da wurden Wahlbriefe schon viele Stunden vor der zulässigen Frist geöffnet oder von Verwaltungsmitarbeitern unbeaufsichtigt ausgewertet. Als besonders problematisch wertete das Gericht, dass in vielen Fällen die Beisitzer der Wahlkommissionen nicht bei der Auszählung anwesend waren - und so Stimmen ohne ausreichende demokratische Kontrolle ausgewertet wurden.

"Die genaue Einhaltung der Wahlvorschriften sichert das Vertrauen der Bürger in die Demokratie", fasste Verfassungsgerichtspräsident Gerhart Holzinger seine Einschätzung zusammen. Aber leider sei in 14 von 20 untersuchten Wahlbezirken massiv gegen jene Bestimmungen verstoßen worden, deren strikte Beachtung für eine Demokratie besonders wichtig seien.

Bereits während der Zeugenvernehmungen hatte in Medien und sozialen Netzwerken immer wieder das Wort von der "Bananenrepublik Österreich" die Runde gemacht. Schlampereien bei Wahlen seien eher die Regel als die Ausnahme und auch schon bei früheren Wahlen vorgekommen. Der noch amtierende Präsident, Heinz Fischer, der am kommenden Freitag verabschiedet wird, versuchte nun, der Wahlwiederholung etwas Positives abzugewinnen und einem möglichen Vertrauensverlust der Bürger vorzubeugen: Das Land habe eine Bewährungsprobe bestanden, und er sei stolz darauf, wie das Verfassungsgericht seine schwierige Aufgabe gelöst habe.

"Positiv in die Geschichte" eingehen

Fischer appellierte auch "an das Ausland", in dem zuletzt wenig Schmeichelhaftes über Österreich zu lesen gewesen sei, seinem Land Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Das Urteil werde "positiv in die Geschichte" des Landes eingehen. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) schloss sich Fischers Lob für Richter und Urteil an, mahnte aber auch, dies sei kein Anlass für "Emotionen", sondern ein Beweis dafür, dass der österreichische Rechtsstaat "hervorragend" funktioniere.

Eine fast väterliche Mahnung sowie ein Verbot sprach das Verfassungsgericht auch noch aus. Beides dürfte sich schon in der Wiederholung der Stichwahl niederschlagen: Die Beisitzer in den Wahlkommissionen, die zum Auszählen der Stimmen oft nicht erschienen waren, treffe keine Schuld an der Misere; sie hätten "versucht, alles richtig zu machen". Nur müssten die Freiwilligen in Zukunft gezielt geladen, informiert, geschult werden. Außerdem darf das Innenministerium keine Teilergebnisse aus einzelnen Wahlbezirken mehr vor Schließung der Wahllokale an die Medien herausgeben. Diese könnten durchsickern und Wähler beeinflussen.

Völlig ungewiss ist, ob die FPÖ, die mit ihrer Klage erfolgreich war, von der Neuauflage der Wahl nun auch profitiert. Nach der Stichwahl hatte sie massive Zweifel am "System" geäußert, das ihr den Sieg nehmen wolle. Nach dem Urteil gab sich die Parteiführung demütig. Norbert Hofer dankte dem Gericht für dessen "objektive" Entscheidung. Hofer ist übrigens nicht erst nach einem möglichen Wahlsieg im Herbst, sondern schon von kommender Woche an Präsident. Während er wahlkämpft, vertritt er als einer von drei Nationalratspräsidenten - kommissarisch - das Staatsoberhaupt.

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