Bundespräsidentenwahl:Stimmung in Österreich hilft der FPÖ

Norbert Hofer presents his election program in Vienna

Wahlsieg im zweiten Anlauf? In Umfragen liegt der FPÖ-Kandidat bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich, Norbert Hofer, knapp vorn.

(Foto: Christian Bruna/dpa)
  • In vier Wochen steht die Wiederholung der Stichwahl zwischen Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen an.
  • Beide konkurrieren um das Amt des österreichischen Bundespräsidenten und liefern sich seit einem Dreivierteljahr einen Dauerwahlkampf.
  • Wird es dem grünen Lager gelingen, noch einmal eine Entscheidungsschlacht zwischen Gut und Böse zu inszenieren?

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Sollte er Bundespräsident werden, hat Norbert Hofer gesagt, würde er seine erste Neujahrsansprache in einem Seniorenheim halten. Überraschender wäre es gewesen, hätte Hofer eine Brennpunktschule oder einen Integrationskurs für Ausländer als Ort seiner Rede vorgeschlagen, aber Altenheime gehören nun mal zum Erfahrungsraum des FPÖ-Kandidaten. Seine Frau ist Altenpflegerin, und Hofer wird nicht müde, das zu betonen. Ansonsten ist der Vorschlag, die Ansprache zum neuen Jahr aus der Hofburg ins wirkliche Leben zu verlagern, derzeit fast das Äußerste an Innovation, was vom wiederaufflammenden Wahlkampf erwartet werden kann.

In vier Wochen wird erneut gewählt. Die beiden Bewerber um das höchste Amt im Staat, Hofer und der grüne Ex-Parteichef Alexander Van der Bellen, sind dem Publikum sattsam bekannt. Seit einem Dreivierteljahr befindet sich das Land bereits im Wahlkampfmodus, und neue Argumente für den einen oder anderen Kandidaten sind im politischen Diskurs kaum noch zu finden. Zudem liegt eine gewisse sommerliche Lähmung über dem Land, gekoppelt mit wachsender Wahlmüdigkeit und dem Gefühl: Nicht schon wieder.

Van der Bellen musste auf 2000 Metern Höhe beweisen, dass er fit ist

Aber so ist das nun einmal, nachdem das Verfassungsgericht der Wahlanfechtungsklage der FPÖ im Sommer stattgegeben hatte und der Wahlsieger der Stichwahl, Alexander Van der Bellen, der schon seine Kisten für den Umzug ins Bundespräsidialamt gepackt und die Rede für die Amtseinführung geübt hatte, zurück auf Los geschickt wurde.

Frühe Umfragen, die allerdings aufgrund ihrer Schwankungsbreite nicht das Papier wert sind, auf dem sie stehen, sagen diesmal einen Sieg Hofers voraus. Aber selbst, wenn die Meinungsforscher noch schwimmen, so ist doch auch die Stimmung im Van-der-Bellen-Lager von Skepsis geprägt: Wird es gelingen, alle Hofer-Verhinderer vom Mai wieder zu überzeugen und wieder eine Entscheidungsschlacht zwischen Gut und Böse zu inszenieren? Auf die Mobilisierung der Wechselwähler kommt es an, denn mit 30 000 Stimmen Vorsprung war das Ergebnis beim letzten Mal denkbar knapp.

Eine Reihe von Initiativen hat sich formiert, um dem Kandidaten der Grünen, der SPÖ und der Liberalen Auftrieb zu geben, nach dem Motto: "Es bleibt dabei." Ob es bleibt, ob es kippt, vermag niemand zu sagen; Politikwissenschaftler Fritz Plasser geht angesichts des kollektiven Déjà-vu eher davon aus, dass es wieder sehr, sehr knapp wird. Schließlich hätten sich auf beiden Seiten die Wahlmotive nicht geändert.

In den kommenden Wochen sind Unfreundlichkeiten zu erwarten

Trotzdem wurde der 72-jährige Van der Bellen im Sommer durch die Bundesländer geschickt, um seine Popularität auch fern der Hauptstadt zu erhöhen. Er wanderte mit Reportern auf 2000 Metern Höhe, um seine Gesundheit unter Beweis zu stellen, die zuletzt von bösen Gerüchteköchen in Zweifel gezogen worden war. Und die neue Wahlkampagne stellt den Kandidaten nun vor rot-weiß-rote Fahnen, um zu zeigen: Hier geht es um das Renommee des ganzen Landes. Man setze verstärkt auf den "Heimatbegriff", erklärt sein Wahlkampfmanager.

Während Hofer sich freundlich mit allerlei Getier und bei der Ausübung seiner Hobbys fotografieren lässt und seine seriöse Seite pflegt, ätzte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl umgehend, die Grünen hätten etwa so viel mit Heimat am Hut wie der türkische Präsident mit Menschenrechten. Für die kommenden vier Wochen lässt das weitere Unfreundlichkeiten erwarten.

Das politische Establishment befindet sich in einer Art Duldungsstarre

Derweil befindet sich das politische Establishment des Landes in einer Art Duldungsstarre, die erst vergehen dürfte, wenn die Schlacht geschlagen ist. Die Medien befassen sich entweder ausgiebig mit dem ewigen Koalitionsgezänk, an dem auch der neue Kanzler, Christian Kern (SPÖ), nichts ändern konnte, sie spekulieren über vorgezogene Neuwahlen oder die baldige Ablösung des ÖVP-Chefs und Vizekanzlers Reinhold Mitterlehner durch den 30-jährigen Außenminister Sebastian Kurz. Der stehe bereit, um die Partei zu übernehmen und sie nach einem Hofer-Sieg in eine schwarz-blaue Koalition zu führen.

Kurz dementiert vehement, das Ganze sei eine "Scheindebatte". In seiner Umgebung werden Neuwahlen als schlechteste Lösung für die ohnehin nur herbeigeschriebene Koalitionskrise bezeichnet, und sollte es dennoch welche geben, sei Schwarz-Blau zwar "denkmöglich", aber andere Varianten seien erstrebenswerter.

Zwei Themen dominieren den FPÖ-Wahlkampf: Sicherheit und Flüchtlinge

Alles dreht sich um die FPÖ. Um ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen, befasst sich das politische Österreich zeitweilig auch mit Inhalten - insbesondere mit der Flüchtlingskrise, was der Agenda der Rechtspopulisten geschuldet ist. Im Gespräch sind ein Verbot der Burka und eine Arbeitspflicht für anerkannte Asylbewerber (Stichwort Ein-Euro-Jobs).

Vorbereitet wird außerdem eine "Notverordnung", die mit einem Beschluss im Frühsommer prinzipiell möglich gemacht wurde; danach soll, wenn 37 500 Asylanträge eingegangen sind, für 2016 Schluss sein mit der Annahme von Anträgen, Flüchtlinge sollen bereits an der Grenze zurückgewiesen werden können. Die Verordnung träte in Kraft, wenn ein echter Notstand im Bildungsbereich, in der Gesundheitsversorgung, auf dem Arbeitsmarkt im Land zu beklagen wäre.

Noch weigert sich der sozialdemokratische Sozialminister, einen solchen Notstand zu erkennen. Und in der Tat ist die Lage, anders als im vergangenen Jahr, derzeit vergleichsweise entspannt. Aber die ÖVP-Riege in der Regierung findet, man müsse vorbereitet sein. Der Kanzler hat dem nichts entgegenzusetzen und will es wohl auch nicht. Sicherheit und Flüchtlinge - diese Themen dominieren den Bundespräsidentenwahlkampf der FPÖ, und solange der nicht vorbei ist, wird es niemand wagen, andere Prioritäten zu setzen.

Die Mitte kann diesmal nur zuschauen

Das wäre auch deshalb schwierig, weil sich das Land in einer seltsamen Schieflage befindet. Der rote wie auch der schwarze Kandidat sind in der ersten Runde der Präsidentenwahl hinausgeflogen, daher stehen sich zwei Oppositionsvertreter gegenüber: rechts außen und links-alternativ. Für das konsensual geprägte Österreich rücken beide Kandidaten in die Mitte, während eben diese Mitte nur zuschauen kann, ob sich der Systemverächter Hofer oder der Versöhner Van der Bellen durchsetzt.

Politikwissenschaftler Plasser bezweifelt für den Fall eines Hofer-Sieges aber, dass sich das Establishment sogleich der FPÖ an den Hals werfen wird: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ernstzunehmende Akteure bei den Volksparteien gibt, die in eine FPÖ-geführte Regierung gehen wollen. Das wäre Selbstaufgabe."

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