Bundespräsident:Zwischen Leimtopf und Sägespänen

Steinmeier besucht Handwerkskammer Berlin am Ausbildertag

„Achtung, der Bundespräsident“: Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender beim Besuch einer Meisterschule für Tischler in Berlin.

(Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Frank-Walter Steinmeier und seine Frau besuchen gezielt Berufsschulen. Das hat nicht nur politische Hintergründe.

Von Christian Gschwendtner

Ein Zufall ist dieser Auftritt nicht. Ebenso wenig, dass anstatt des Bundespräsidenten, wie man es vielleicht erwarten könnte, nun seine Frau spricht. Dafür gibt es Gründe, und im Bundespräsidialamt dürften sie sich die ziemlich genau überlegt haben.

Elke Büdenbender jedenfalls hält an diesem Montagabend die Eröffnungsrede beim Treffen des Berliner Hotel- und Gaststättenverbands. Es ist der Auftakt einer kleinen Deutschlandtournee. Das First Couple hat sich vorgenommen, in den kommenden Tagen Berufsschulen und Ausbildungsbetriebe im ganzen Land zu besuchen. Sie lobt an diesem Abend, fast möchte man sagen, wie es sich für einen Bundespräsidenten geziemt, die hohen Ausbildungsstandards in Deutschland.

Thema und Rollenwechsel sind bewusst gewählt: Im Schloss Bellevue will man den Präsidenten in ein neues Licht rücken. Steinmeier hat die große Koalition erfolgreich ins Amt gehievt und dafür viel Applaus bekommen. Aus einem bis dahin eher unauffälligen Bundespräsidenten wurde plötzlich ein Schwergewicht. Doch das Problem ist: Genau die bisher größte Leistung seiner Amtszeit könnte Steinmeier auf die Füße fallen, nämlich dann, wenn sich die große Koalition im Regierungskleinklein verlieren sollte - wofür es nun einmal Anzeichen gibt. Deshalb soll rechtzeitig ein neues, politisch virulentes Thema besetzt werden. Und zudem könnte der Präsident dabei auch noch ein bisschen menschlich nahbarer wirken. Dabei soll ihm seine Frau behilflich sein.

Die Lehrlinge daddeln lieber auf ihren Handys, anstatt der Frau des Präsidenten zuzuhören

Wie Steinmeier stammt Elke Büdenbender aus einer Tischlerfamilie. Die beiden haben das vor wenigen Tagen in einem gemeinsamen Facebook-Video herausgestellt. Man sieht Steinmeier, der sonst selten Privates preisgibt, auf einem Sofa im Schloss Bellevue sitzen und aus seiner Studienzeit berichten. Zum Beispiel, dass er in den Semesterferien in einer Möbelfabrik Schränke zusammengeschraubt habe. Sogar an die Maßeinheiten kann er sich noch erinnern: drei auf 3,50 Meter. Den Geruch von Leim und Sägespänen habe er noch immer gerne in der Nase, gesteht der Bundespräsident. Am Ende des Videos sagt Elke Büdenbender einen Satz, den man irgendwie schon öfters gehört hat: "Bildungsgerechtigkeit haben wir dann, wenn nicht nur die Arbeiterkinder auf die Unis kommen, sondern auch Akademikerkinder die berufliche Ausbildung wählen."

Am Montag indes will der Satz nicht so recht zünden. Es ist kein leichter Termin, den Büdenbender vor dem Gaststättenverband zu erledigen hat. Die Lehrlinge daddeln auf ihren Smartphones herum anstatt zuzuhören. Und dann sitzt auch noch die neue Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) bei der anschließenden Diskussion mit auf dem Podium. Sie hat einen Startvorteil, weil sie selbst einmal im Hotelgewerbe gearbeitet hat. Karliczek kennt die unattraktiven Arbeitszeiten, die rauen Umgangsformen. Sie wisse, sagt sie, dass es da mal leicht Stress gebe. Aber sie habe da ein Erfolgsrezept: nach der Schicht zusammen eine Cola oder ein Bier trinken - und dann Schwamm drüber. Den Lehrlingen gefällt das.

Auch im Koalitionsvertrag spielt das Thema berufliche Bildung bekanntlich eine wichtige Rolle. Im Bundespräsidialamt hat man angeblich trotzdem keine Angst, dass das Thema parteipolitisch gekapert werden könnte. Es heißt, Karliczek sei vergangene Woche extra im Schloss Bellevue gewesen - für die "Feinabstimmung".

Steinmeier mahnt eine bessere Balance zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung an

Steinmeier hat es mit seinem Auftritt am Dienstagmorgen leichter. In der Berliner Handwerkskammer spricht er vor Berufsschulausbildern. Auch da wird er persönlich, ein wenig jedenfalls. Er erzählt, wie sehr ihm das Thema am Herzen liege. Alle nickend wissend - vielleicht haben sie ja das Video gesehen. Früher jedenfalls, fährt der Präsident fort, als er in Wohngemeinschaften lebte, sei er schon deshalb beliebt gewesen, weil er mit gut ausgestattetem Werkzeugkoffer eingezogen sei. Doch will Steinmeier auch politische Botschaften loswerden. Die Balance zwischen akademischer und beruflicher Ausbildung müsse auch künftig erhalten bleiben, sagt er. Es könne nicht sein, wenn angehende Meister für ihre Weiterbildung so tief in die Tasche greifen müssten. Neben ihm steht da eine junge Frau. Sie wird bald die Ausbildung zur Elektrikerin abschließen - und dann Physik und Mathe studieren. Und ein weiteres Thema, das erheblich an Brisanz gewinnen dürfte, streift der Präsident: Junge Flüchtlinge, sagt er, mahnend, warnend, vielleicht auch beides, könne man am Ende nur über Arbeit integrieren.

Nach seiner Rede werden Steinmeier und Büdenbender durch die Ausbildungsräume der Handwerkskammer geführt. Sie sprechen mit Zahntechnikerinnen und zwei Flüchtlingen aus Syrien. Bevor sie die Tischlerwerkstatt betreten, schaltet der Ausbildungschef schnell die Sägemaschine ein. Vielleicht damit es möglichst echt anhört, wenn die Fotografen ihre Bilder machen.

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