Präsidenten-Rücktritt:Warum Wulff um seinen Ehrensold fürchten muss

Deutschland braucht einen neuen Präsidenten - wie geht es jetzt weiter? Wie lange übernimmt Horst Seehofer die Amtsgeschäfte des Staatsoberhaupts? Und vor allem: Wird der zurückgetretene Christian Wulff 199.000 Euro jährlich als Ehrensold bekommen?

auf die wichtigsten Fragen

Kann Christian Wulff nach seinem Rücktritt weiter die vollen Amtsbezüge beanspruchen, wie es für Ex-Bundespräsidenten üblich ist?

Dienstwagen, Sekretärin, lebenslanger Ehrensold - auch nach ihrer Amtszeit genießen Bundespräsidenten staatsmännische Privilegien. Aber wie steht es um Christian Wulff? Hat er nach der Kredit- und Medienaffäre ein Recht auf volle Bezüge - den sogenannten Ehrensold?

Laut Bundeshaushaltsplan erhält das Staatsoberhaupt "Amtsbezüge in Höhe von 10/9 des Amtsgehalts der Bundeskanzlerin" - das sind 199.000 Euro jährlich. Dazu kommt eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 78.000 Euro. Und auch nach der Amtszeit müssen sich die Bundespräsidenten eigentlich keine finanziellen Sorgen machen: Nach Ablauf einer Amtszeit oder wenn er wegen gesundheitlicher oder politischer Probleme zurücktritt - das sogenannte Ehrensold in Höhe der Amtsbezüge ist ihm sicher. So steht es in Paragraph 1 des "Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten" (BPräsRuhebezG) von 1953.

Ob auch Wulff diese "Ehre" gebührt, ist angesichts seines Rücktrittsgrundes derzeit noch strittig. Schließlich kann er die "politischen oder gesundheitlichen Gründe" nicht geltend machen, die das Gesetz über die Ruhebezüge vorsieht. Nach Ansicht des Staatsrechtlers Hans Herbert von Arnim aus Speyer steht Wulff deshalb kein Ehrensold zu. Die gesetzlichen Regelungen sähen die Fortzahlung der vollen Amtsbezüge bis zum Lebensende bei persönlichen Gründen für einen Rückzug nicht vor, sagte der Staatsrechtler dem Radiosender NDR Info.

Wulff habe aber durch sein vermutliches Fehlverhalten als Ministerpräsident, das jetzt den Antrag der Staatsanwaltschaft ausgelöst habe, die Gründe für den Rücktritt geliefert. Und es sei klar, "dass hier ein Rücktritt aus persönlichen Gründen vorliegt", sagt Arnim. Über die Gewährung des Ehrensoldes habe jetzt jedoch die Bundesregierung zu entscheiden.

Auch die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages waren in der Causa Wulff zu dem Ergebnis gekommen, dass Wulff eher keinen Anspruch auf Ehrensold habe - ebenfalls mit Hinweis auf die persönlichen Gründe des Rücktritts.

Die Verfasserin des Bundestagsgutachtens kommt zu dem Ergebnis: "Gründe, die im privaten Verhalten des Präsidenten liegen, werden eher keine politischen Gründe im Sinne des Paragraphen 1 BPräsRuhebezG sein." Umgemünzt auf den Wulff-Rücktritt hieße das: Wer deshalb zurücktritt, weil die Staatsanwaltschaft den Verdacht prüfen möchte, ob er sich als Ministerpräsident einmal zu oft den Urlaub bezahlen ließ und womöglich im Gegenzug Vorteile gewährte, tritt aus persönlichen und nicht aus politischen Gründen zurück.

Immerhin: Dem renommierten Staatsrechtler Arnim zufolge hat der 52-Jährige Anspruch auf die Altersversorgung als ehemaliger Abgeordneter und Ministerpräsident - allerdings frühestens in fünf Jahren.

Was geschieht nun mit Christian Wulff?

Nach dem Rücktritt als Bundespräsident verfügt Christian Wulff über kein politisches Amt mehr. Auch politische Immunität genießt er nicht mehr. Er ist mit seiner Entscheidung vermutlich einer Aufhebung seiner Immunität zuvorgekommen, die die Staatsanwaltschaft in Hannover beim Präsidenten des Deutschen Bundestages beantragt hat. Grund für die Maßnahme ist ein "Anfangsverdacht wegen Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung". Ziel war es, Ermittlungen gegen Wulff aufzunehmen. Das ist nun ohne weitere Einschränkungen möglich. Das Gleiche gilt für eine Anklageerhebung und einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls - wenn die Ermittlungen dies rechtfertigen.

Sollte Wulff tatsächlich verurteilt werden, so drohen ihm wegen Vorteilsannahme gemäß Paragraph 331 des Strafgesetzbuches eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Wer übernimmt die Aufgaben des Bundespräsidenten, wenn der Amtsinhaber zurücktritt?

Nach dem Rücktritt Christian Wulffs vom Amt des Bundespräsidenten übernimmt gemäß Artikel 57 des Grundgesetzes bis zur Wahl eines Nachfolgers sein Stellvertreter die Amtsgeschäfte, der Präsident des Bundesrats. Derzeit hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) diesen Posten inne. Der Bundesrat ist neben dem Bundestag die zweite Parlamentskammer, in ihr sitzen Vertreter der 16 Bundesländer. Das Amt des Präsidenten dieser Kammer wird jährlich von einem der Ministerpräsidenten übernommen. Ein Machtvakuum entsteht somit nicht. Als Wulffs Vorgänger Horst Köhler am 31. Mai 2010 vom Amt des Bundespräsidenten zurücktrat, übernahm Bremens Regierungschef Jens Böhrnsen die Geschäfte bis zur Wahl von Köhlers Nachfolger am 30. Juni 2010.

Bis wann muss ein neuer Bundespräsident gewählt werden?

Nach dem Rücktritt Wulffs hat die Bundesversammlung 30 Tage Zeit - also bis zum 18. März -, um einen neuen Präsidenten zu wählen. So sieht es Artikel 54 des Grundgesetzes vor. Die Bundesversammlung besteht aus den Bundestagsabgeordneten und einer gleich großen Zahl von Vertretern der Bundesländer und hat lediglich diese Aufgabe. 1240 Wahlfrauen und -männer müssen somit in geheimer Wahl über einen neuen Bundespräsidenten entscheiden - damit ist diese Versammlung das größte politische Gremium in Deutschland. Eine Debatte findet nicht statt, die absolute Mehrheit entscheidet. Wird diese auch im zweiten Wahlgang von keiner Kandidatin und keinem Kandidaten erreicht, genügt im dritten Wahlgang die einfache Mehrheit. Das war bei Christian Wulff am 30. Juni 2010 der Fall, der sich zuvor nicht gegen Joachim Gauck hatte durchsetzen können.

Wer schlägt die Kandidaten vor?

Die Kandidaten werden von den Parteien vorgeschlagen, die im Bundestag vertreten sind - aber durchaus unabhängig von einer Parteizugehörigkeit. Vielmehr sollten es möglichst in der Öffentlichkeit angesehene Persönlichkeiten sein. Die Erfahrung zeigt, dass sich die Mitglieder der Bundesversammlung an die Wahlempfehlung ihrer Partei halten, auch wenn sie nur ihrem eigenen Gewissen verpflichtet sind.

Horst Köhler war von den Abgeordneten der CDU, CSU und FDP gewählt worden, nach seinem Rücktritt 2010 stimmten die Vertreter dieser Parteien für den von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorgeschlagenen damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff. Gegenkandidat war der von SPD und Grünen aufgestellte frühere Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Joachim Gauck, gegen den sich Wulff erst im dritten Wahlgang durchsetzen konnte. Bei den beiden ersten Wahlgängen hatte keiner der insgesamt vier Kandidaten - neben Wulff und Gauck waren Luc Jochimsen für die Linke und Frank Rennicke für die NPD angetreten - die notwendige Mehrheit erreicht.

Welcher Kandidat hat in der Bundesversammlung die besten Chancen?

620 Bundestagsabgeordnete und ebenso viele Vertreter der Länder könnten den nächsten Bundespräsidenten wählen. Insgesamt werden es etwa 487 Vertreter der Unionsparteien sein, etwa 330 von der SPD. Die FDP stellt 136, die Grünen etwa 146, die Linke 125 Abgeordnete. Zehn Stimmen können von den Freien Wählern kommen, drei von der NPD, zwei von der Piratenpartei und einer vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW). Die Zahlen können sich bis zur Wahl noch etwas verändern, denn die Feststellung der Vertreter der Länder orientiert sich an den Bevölkerungsdaten. (Weitere Informationen hierzu bietet die Seite wahlrecht.de.)

Bundespräsident wird, wer im ersten oder zweiten Wahlgang mindestens 621 Stimmen erhält. Das bedeutet, CDU, CSU und FDP haben zusammen mit etwa 623 Stimmen eine kleine Chance darauf, ihren Kandidaten bereits im ersten Wahlgang durchzusetzen. SPD, Grüne und Linke kommen zusammen voraussichtlich nur auf 602 Stimmen. Spätestens im dritten Wahlgang, in dem die einfache Mehrheit genügt, könnte demnach ein Kandidat der Regierungskoalition gewinnen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: