Bundespräsident:Gauck verzichtet offenbar auf zweite Amtszeit

Jahresrückblick 2012

Joachim Gauck und Angela Merkel.

(Foto: Robert Schlesinger/dpa)

Der Bundespräsident will Merkel nächste Woche über seine Zukunft informieren. Die Entscheidung könnte die Koalition belasten.

Von Constanze von Bullion und Nico Fried, Berlin

In der Frage einer zweiten Amtszeit des Bundespräsidenten steht eine Entscheidung unmittelbar bevor. Es wird erwartet, dass Joachim Gauck sich Anfang der Woche erklären und auf weitere fünf Jahre im Amt verzichten wird.

Gauck, dessen Präsidentschaft als ausgesprochen erfolgreich gilt, wurde zwar von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und führenden Vertretern von SPD und Grünen gebeten, sich für eine weitere Amtszeit zur Verfügung zu stellen. Laut dem ZDF-Politbarometer wünschen sich 70 Prozent der Deutschen, dass er weitermacht. Da Gauck aber 76 Jahre alt ist, kommt der Verzicht auf eine weitere Amtszeit für Beobachter nicht überraschend.

Zusammensetzung der Bundesversammlung steht erst im Herbst fest

Das Bundespräsidialamt wollte die bevorstehende Entscheidung weder bestätigen noch dementieren. "Wie üblich äußern wir uns zu solchen Berichten nicht", sagte die Sprecherin des Bundespräsidenten. Bundeskanzlerin Merkel, die sich am Montag turnusgemäß mit Gauck treffen wird, hat bereits erklärt, dass sie eine zweite Amtszeit von Gauck begrüßen würde. Lehnt er ab, beschert ihr das eine schwierige Nachfolgersuche. Aber auch für mögliche Kandidaten aus den Bundestagsparteien ist die Lage nicht einfach.

Die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung, die das Staatsoberhaupt wählt, sind kompliziert. Die Bundesversammlung setzt sich zusammen aus den Abgeordneten des Bundestages - derzeit 630 - und einer ebenso großen Zahl von Vertretern, die aus den Ländern entsprechend ihrer Bevölkerungszahl und analog zur jeweiligen Sitzverteilung in den Parlamenten entsandt werden. Die endgültige Zusammensetzung der Bundesversammlung steht also erst nach den Landtagswahlen fest, die im Herbst in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern stattfinden. Außerdem dürften Merkel und die Spitzen der übrigen Parteien aus Respekt vor Amtsinhaber Gauck die Nachfolgesuche möglichst hinter den Kulissen vorantreiben.

Nach derzeitigen Mehrheitsverhältnissen könnte die große Koalition zwar einen gemeinsamen Kandidaten ins Amt bringen. Da die Wahl im kommenden Februar jedoch wenige Monate vor der Bundestagswahl stattfindet, gilt es als äußerst unwahrscheinlich, dass sich CDU, CSU und SPD auf eine Person verständigen können.

Die Union stellt die meisten Mitglieder der Bundesversammlung, weshalb sie von Bundeskanzlerin Merkel erwarten dürfte, dass sie einen Unionskandidaten präsentiert. Im Gespräch sind Finanzminister Wolfgang Schäuble sowie Bundestagspräsident Norbert Lammert. Gegen beide gibt es allerdings auch Bedenken. Schäuble gilt zwar als persönlich geeignet, vielen aber als zu alt. Lammert wiederum eilt der Ruf voraus, sich schon allzu oft selbst ins Gespräch um einen Posten in Schluss Bellevue gebracht zu haben.

Widerstände bei Kandidatensuche programmiert

Bundeskanzlerin Merkel hat bereits signalisiert, dass sie einen Kandidaten der SPD nicht unterstützen wird. Denn dies könnte wenige Monate vor der Bundestagswahl als vorzeitige Festlegung auf eine weitere große Koalition missverstanden werden. Ebenso gilt es als unwahrscheinlich, dass Kandidaten der Grünen - etwa Joschka Fischer oder Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt - in Frage kommen. Das könnte als verfrühter Hinweis auf eine schwarz-grüne Koalition im Bund gedeutet werden.

Die SPD wiederum kann kein Interesse daran haben, einen Unionskandidaten zu unterstützen - zumal sie zumindest theoretisch gemeinsam mit Grünen und Linken eine eigene Mehrheit zustande bringen könnte. Ein geeigneter Kandidat für diese Konstellation ist allerdings nicht in Sicht. Und Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der als präsidiabel gilt, dürfte sich kaum damit abfinden, nur mithilfe der Linken eine Chance zu haben.

SPD-Chef Sigmar Gabriel wiederum erklärte es für wünschenswert, eine Frau mit Migrationshintergrund zum Staatsoberhaupt zu machen. Wer das sein könnte, blieb offen. Unklar ist nicht zuletzt, wie sich die Grünen verhalten. Dem Vernehmen nach ist ihre Zustimmung für eine Kandidatin (oder einen Kandidaten), den die Kanzlerin nominiert, erwünscht. Sie könnten theoretisch auch gemeinsam mit der Union ein Staatsoberhaupt ins Amt heben.

Allerdings dürfte das sowohl bei den Grünen als auch in der Union zu schwierigen Debatten führen. Und gerade in der CSU dürfte es gegen eine solche Kooperation erhebliche Widerstände geben. Angesichts der schwierigen Lage gilt eine Kandidatin oder eine Kandidat ohne Parteibuch als möglicher Ausweg aus dem Dilemma. Im Gespräch sind die Berliner Soziologin Jutta Allmendinger und der Orientalist Navid Kermani. Gegen ihn gibt es allerdings nicht nur in der Union, sondern auch in der SPD Einwände.

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