Bundespräsident:Duft '69

Kretschmann als Merkels Kandidat? Ein Schock für die CSU.

Von Heribert Prantl

Es riecht nach 1969: Das ist eine erstaunliche Feststellung in diesen Zeiten. Die wilden linken Jahre liegen ja so weit zurück wie die Bronzezeit. Und der Zeitgeist von 2016 hat mit dem der 68er-Jahre nichts, gar nichts zu tun. Trotzdem riecht es nach 1969 - in einer, in nur einer einzigen Hinsicht: wenn es um die Bundespräsidentenwahl geht.

Damals, im Frühjahr 1969, wurde der Sozialdemokrat Gustav Heinemann mit den Stimmen der oppositionellen FDP zum Bundespräsidenten gewählt. Diese Wahl kündigte die Neuausrichtung der FDP an, sie war Auftakt zur sozial-liberalen Koalition unter Willy Brandt.

Nach 1969 riecht es, weil die Merkel-CDU erwägt, den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann als Bundespräsidenten zu nominieren. Das würde als Ouvertüre für eine schwarz- grüne Koalition im Herbst 2017 verstanden. Ausgeschlossen? Nein. Wahrscheinlich? Auch nicht unbedingt, weil ein Kandidat Kretschmann die CSU in den Aufstand triebe. Er wäre ja nicht nur Indikator für Schwarz-Grün, sondern auch für schwarze Personalnot. Seehofer hat soeben die CSU auf einen Unions-Wahlkampf gegen die angeblich drohende Linksfront eingeschworen. Dieses Konzept wäre perdu. Ein Unions-Kandidat Kretschmann wäre für so manche CSUler ein größerer Schock als die Wahl Trumps zum US-Präsidenten. Und die SPD? Ihr Kandidat Steinmeier könnte sich an der Hoffnung auf viele Dissidenten gegen Kretschmann wärmen.

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