Bundespräsident bei ARD und ZDF:Wulffs Antworten zu Ende gedacht

"Und trotzdem macht man Fehler": Christian Wulff ließ es bei seinem Fernsehauftritt gewaltig menscheln, Einsicht hingegen zeigte er erstaunlich wenig. Ein Überblick über die zentralen Sätze aus dem Interview mit ARD und ZDF, was Wulff damit bewirken wollte - und weshalb er so oft daneben lag.

Lilith Volkert und Kathrin Haimerl

Die Koalition zeigt sich erleichtert, die Opposition hingegen ist vom Fernsehauftritt des Bundespräsidenten enttäuscht: In einem Interview mit den Hauptstadt-Büroleitern von ARD und ZDF hat sich Christian Wulff erneut an die Öffentlichkeit gewandt. Er versuchte, ein sympathisches, menschliches Bild von sich zu zeichnen, Einsicht hingegen zeigte er erstaunlich wenig: Süddeutsche.de dokumentiert die Kernsätze aus dem Interview.

TV-Interview Bundespräsident Wulff

"Und trotzdem ist man Mensch, und man macht Fehler": Bundespräsident Wulff bei seinem Auftritt im Fernsehen. Die Koalition ist zufrieden, die Opposition hingegen fordert weitere Aufklärung.

(Foto: dpa)

"Ich weiß, dass ich nichts Unrechtes getan habe, aber nicht alles richtig war, was ich getan habe."

Wulffs Kreditaffäre begann mit einem äußerst spitzfindigen Satz. "Zwischen Ministerpräsident Wulff und den in der Anfrage genannten Personen und Gesellschaften hat es in den letzten zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben", ließ er im Februar 2010 auf die Frage antworten, ob er zu dem Unternehmer Egon Geerkens oder einer seiner Firmen geschäftliche Beziehungen habe. Tatsächlich wurde sein Privatkredit über 500.000 Euro von einem Konto von dessen Ehefrau Edith überwiesen. Juristisch war seine Antwort korrekt, politisch zumindest heikel.

Dieser Spitzfindigkeit bleibt Wulff auch in dem TV-Interview treu, das die ganze Affäre eigentlich beenden sollte, und steigert sie ins Philosophische: "Nichts Unrechtes" habe er getan - also folglich nur "Rechtes". Doch "richtig" war auch nicht alles an seinem Verhalten. Alles klar?

Zum wiederholten Male betont Wulff, sein Verhalten sei juristisch korrekt: "Ich habe weder jetzt im Amt als Bundespräsident gegen irgendein Gesetz verstoßen noch vorher", sagt er auf die Frage, ob er ein Bundespräsident auf Bewährung bleibt. Der Jurist Wulff scheint noch immer nicht verstanden zu haben, dass es in der Affäre weniger um rechtliche denn um moralische Kategorien geht. Mehr als bemerkenswert ist es auch, dass ein Bundespräsident tatsächlich betonen muss, dass er sich an Gesetze hält.

"Und trotzdem ist man Mensch, und man macht Fehler."

Ganz ähnlich hat sich der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Bundestag zu den Vorwürfen um seine Doktorarbeit geäußert: Auch er betonte mehrfach, er sei nur "ein Mensch mit Fehlern und Schwächen". Wie Guttenberg setzt Wulff anscheinend darauf, dass der Zuschauer vor dem Fernseher Mitleid mit dem reumütigen Sünder empfindet und sich mit ihm solidarisiert.

Auffällig ist, dass Wulff meist "man" sagt, wenn er über seine Fehler und Versäumnisse spricht. Geht es darum, dass er sich schlecht behandelt fühlt, spricht er lieber in der ersten Person: "In dem Moment habe ich mich offenkundig eher als Opfer gesehen."

"Es gibt auch Menschenrechte, selbst für Bundespräsidenten."

Dass auch der Bundespräsident Nutznießer von Grundrechten ist: bekannt. Offenbar fühlt sich Christian Wulff aber gerade von der Berichterstattung so in seinen Persönlichkeitsrechten bedroht, dass er dies den Journalisten gegenüber ausdrücklich betonen muss - ein weiterer Versuch, beim Zuschauer um Verständnis zu werben.

Etwas seltsam wirkt die Verwendung des Plurals bei "Bundespräsidenten": Die Chance, dass sich Fernsehzuschauer mit dieser Berufsbezeichnung persönlich angesprochen fühlen, dürfte gegen Null gehen. Im Internet muss sich Wulff deshalb erneut Spott gefallen lassen: "'Menschenrechte für Bundespräsidenten' ist das neue 'Spätrömische Dekadenz'", schreibt ein Twitter-Nutzer in Anspielung auf Guido Westerwelles polemische Hartz-IV-Kritik.

Wo Wulff nicht Präsident sein möchte

"Ich musste ja auch einen Lernprozess machen. Ich bin vom Ministerpräsidenten ohne Karenzzeit zum Bundespräsidenten geworden."

Tatsächlich hatte Christian Wulff wenig Zeit, sich auf eine Tätigkeit als Staatsoberhaupt einzustellen. Am 3. Juni 2010 präsentierte ihn Kanzlerin Merkel als ihren Kandidaten, kurz nach seiner Wahl am 30. Juni trat er als Ministerpräsident von Niedersachsen zurück, zwei Tage später wurde er als Bundespräsident vereidigt. Alleine: Entschuldigt dieses plötzliche Ins-Amt-Gestoßen-Werden seine Reaktion auf das Bekanntwerden der Kreditaffäre? Soll das bedeuten, dass er als Ministerpräsident regelmäßig verdruckst Halbwahrheiten in die Welt gesetzt hat und empört bei Chefredakteuren angerufen hat? Dass er sich das leider so schnell nicht hat abgewöhnen können?

"Ich möchte nicht Präsident in einem Land sein, wo sich jemand von Freunden kein Geld mehr leihen kann."

Christian Wulff spricht ein Problem an, das vermutlich nicht viele Deutsche betrifft: Wer hat schon Freunde, die einem zinsgünstig eine halbe Million Euro leihen können, wie es das Unternehmerehepaar Geerkens getan hat? Überdies stellt sich die Frage, ob die Deutschen in einem Land leben wollen, in dem sich der Präsident von Freunden nicht nur mit Geld, sondern auch mit kostenlosen Urlaubsaufenthalten versorgen lässt. Und der nicht versteht, warum sich viele Menschen fragen, wie er sich für diese Freundschaftsdienste revanchiert haben könnte.

Lieber nimmt Wulff durch unsachliche Übertreibungen Fragen die Spitze: "Wenn man als Ministerpräsident keine Freunde mehr haben darf und wenn alle Politikerinnen und Politiker in Deutschland ab sofort nicht mehr bei Freunden übernachten dürfen, (...) verändert sich die Republik zum Negativen." Zusätzlich geht er in die Offensive, indem er etwa die ZDF-Reporterin Bettina Schausten fragt, ob sie denn Freunden, die sie eingeladen haben, dafür bezahlt - was Schausten völlig verdattert bejaht (die Reaktionen im Netz finden Sie hier).

"Ich muss mein Verhältnis zu den Medien herstellen, neu ordnen, anders mit den Medien umgehen, sie als Mittler stärker einbinden und anerkennen. Sie haben eine wichtige Aufgabe in der Demokratie."

Schon kurz vor Weihnachten hat Christian Wulff in seiner Erklärung der Pressefreiheit einen hohen Stellenwert attestiert, auch das eigentlich eine Selbstverständlichkeit für einen Bundespräsidenten. Was der Öffentlichkeit damals allerdings noch nicht bekannt war: Eine Woche zuvor hatte Wulff versucht, einen Artikel der Bild-Zeitung zu verhindern.

Dass das Verhältnis des Bundespräsidenten zu den Medien in den vergangenen Wochen gelitten hat und etwas Pflege vertragen könnte, ist offensichtlich. Doch was genau heißt für ihn "herstellen, neu ordnen"? Bisher hat Wulff vor allem die Bild gerne in sein Privatleben eingebunden, vor allem, wenn er als sympathischer Politiker und Familienmensch dargestellt werden wollte. Offenbar hat Wulff jetzt erkannt, dass er die Risiken einer Zusammenarbeit mit dem Boulevardblatt unterschätzt hat. Hat er sich nun die öffentlich-rechtlichen Sender als neue Partner auserkoren? Privatsender und andere TV- wie Print-Journalisten hatten jedenfalls am Mittwoch stark gegen die Entscheidung protestiert, sich ausschließlich in ARD und ZDF zu äußern.

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