Bundesnetzagentur-Chef Matthias Kurth:"Kalte Tage ohne Sonne"

Im Sommer wird genug Strom da sein, an Pfingsten wird es eng, im Winter könnte das Netz überlastet sein: Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur, warnt vor Engpässen durch den Atomausstieg.

Michael Bauchmüller

Matthias Kurth, 59, ist Präsident der Bundesnetzagentur. Er warnt vor Engpässen im Stromnetz durch den Ausstieg.

Bundesnetzagentur - Matthias Kurth

Bundesnetzagentur-Chef Matthias Kurth: "Wir prüfen zwei sehr kritische Fälle."

(Foto: dpa)

SZ: Herr Kurth, womöglich wird am Wochenende die Abschaltung von sieben oder acht älteren AKWs beschlossen. Riskiert die Koalition den Blackout?

Kurth: Zumindest für die Sommerperiode können wir die Netzstabilität gerade noch gewährleisten. Besonders eng dürfte es an Pfingsten werden. Aber das dürfte auch zu schaffen sein.

SZ: Und im Winter?

Kurth: Da prüfen wir zwei sehr kritische Fälle, vor denen die Netzbetreiber warnen. Und zwar, wenn es im Winterhalbjahr ein paar Tage praktisch keinen Strom aus erneuerbaren Quellen geben sollte, also weder der Wind weht noch die Sonne scheint, gleichzeitig aber europaweit die Höchstlast im Netz ist. Etwa, weil in Frankreich die Stromheizungen auf Hochtouren laufen. Wenn dann noch eine Leitung ausfällt, könnte es eine Überlastung des Netzes geben. Das wäre hochriskant.

SZ: Und was empfehlen Sie der Bundesregierung?

Kurth: Aus unserer Sicht sollte sie jetzt noch nicht abschließend auf eine Option verzichten, das Netz zu stabilisieren. Das beträfe eine Leistung von rund 1000 Megawatt im Süden Deutschlands.

SZ: Das entspräche einem AKW. Heißt das, von den sieben älteren Meilern sollten ein oder zwei in Bereitschaft bleiben?

Kurth: Für den geschilderten Notfall könnte das eine denkbare Lösung sein. Aber das ist nicht die Entscheidung der Bundesnetzagentur. Es gäbe natürlich auch die Option, Last zurückzufahren in so einem Grenzfall.

SZ: Also Stromkunden abzuklemmen?

Kurth: Ja, zumindest vorübergehend. Aber das wäre natürlich ein starker Eingriff. Das Problem ist, dass im Süden kaum neue Kraftwerke im Bau sind. In Bayern geht gerade mal ein neues Kraftwerk ans Netz. Ich sehe für das Jahr 2011 kaum eine sichere Alternative, um das Erzeugungs-Defizit im Süden auszugleichen, das durch die Abschaltung der Kernkraftwerke entsteht.

SZ: Wie wahrscheinlich ist denn, dass dieses Szenario eintritt?

Kurth: So unwahrscheinlich ist das nicht. Dass erneuerbare Energien nichts liefern und gleichzeitig starke Last herrscht, ist schon vorgekommen. Das wären kalte, windstille Tage, an denen keine Sonne scheint. Aber man wird natürlich alles tun, um das Netz zu stabilisieren.

SZ: Und wie sieht das aus, wenn es mehr Öko-Energie gibt im Stromnetz?

Kurth: Die Frage ist jetzt schon sehr wichtig. Wir haben Tage, an denen allein Sonnen- und Windenergie die Leistung von 28 Kernkraftwerken einspeisen. Aber eben nur tagsüber und nicht im Winter! Das Problem bleibt, dass wir für einige Jahre viel zu wenig große Speicher haben, um diese gewaltigen Mengen an Energie für eine Flaute vorzuhalten. Die derzeit vorhandenen Speicher sind in fünf bis sechs Stunden leer. Wenn dann der Wind nicht auffrischt, ist Schluss.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: