Bundesnachrichtendienst:Deutschland lässt zu, dass sein Geheimdienst unkontrolliert schaltet und waltet

18. Tag der offenen Tür der Bundesregierung - BND

Beim Tag der offenen Tür erhielten Bürger Einblick in den künftigen Sitz des BND in Berlin.

(Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Seit Jahrzehnten agiert der BND am Parlament vorbei. Er gebärdet sich als Macht, die über allem steht. Das birgt Gefahren.

Kommentar von Ronen Steinke, Berlin

Deutsche Spione machen den Deutschen keine Angst. Den einen gelten die Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) bloß als ewige Anhängsel der Amerikaner, den anderen als treudoofe Anhänger des Rechtsstaats, also als viel zu brav; und in jedem Fall ist man überzeugt, dass ihre Lauscherei nur Ausländern gilt, nicht Deutschen. Da kann's einem ja recht sein. Geheimdienstskandale? Gibt es. Aber sie haben sich hierzulande in Wahlkämpfen und an Wahltagen noch nie niedergeschlagen.

Folglich hat diese Nachricht im ausgehenden Jahr kaum mehr als milde Irritation ausgelöst: Während die offizielle Politik seit Jahren über das Für und Wider der Vorratsdatenspeicherung diskutiert, hat der BND diese kurzerhand schon vor fünfzehn Jahren eingeführt; am Parlament vorbei. Der Dienst hat damit auch Deutsche ins Visier genommen, sofern sie ins Ausland telefonierten; rechtswidrigerweise, wie das Bundesverwaltungsgericht erst jetzt auf eine Klage der Organisation Reporter ohne Grenzen hin klarstellen konnte. Denn die Praxis war auch vor den Augen derjenigen Bundestagsabgeordneten verborgen worden, deren Aufgabe die Kontrolle des BND ist.

Gerade öffnen sich dort erste Archive. Man erfährt, dass rechtswidriges Handeln nichts Neues ist beim BND. Es purzeln Geschichten heraus: die illegale Bespitzelung der SPD im Auftrag des CDU-Kanzlers Adenauer etwa, oder die heimliche Wühlarbeit alter Nazikader gegen Willy Brandt. Allerlei parteiische, die Regeln der Demokratie unterhöhlende Praktiken aus der Vergangenheit also, die zeigen, wie schwer es bereits den Baumeistern der Demokratie in Bonn fiel, der Versuchung zu widerstehen, die jedem Geheimdienst innewohnt. Wer sich unbeobachtet fühlt, der traut sich halt Dinge, die nicht nur edel sind.

Aber ausgerechnet die Deutschen lassen ihre Agenten bis heute erstaunlich frei walten. Während amerikanische Parlamentarier von ihrer CIA Rechenschaft verlangen können, dürfen die deutschen Spione das Parlament weitgehend im Dunkeln belassen. Es liegt jetzt ein Jahr zurück, dass sich der Bundestag einmal dagegen aufgebäumt hat; mit annähernd amerikanischem Selbstbewusstsein wurde ein neues BND-Gesetz geschrieben. Umso bedenklicher, was sich jetzt zeigt: Der Dienst hat diese Reform auf kaltem Wege wieder ausbremsen können.

Kritik am BND ist möglich - soll aber bitte stets geheim bleiben

Zum ersten Mal überhaupt gibt es jetzt ein Gremium, das kontrollieren soll, inwieweit sich der BND beim Lauschen in aller Welt an deutsches Recht und Gesetz hält. Wobei dieses Recht ohnehin schon lax ist für die Agenten, und wobei als Kontrolleure auch keine Heißsporne eingesetzt wurden, die im Verdacht irgendeiner fundamentalen Angriffslust stünden. Sondern es ist aus zwei Bundesrichtern und einem Bundesanwalt zusammengesetzt, handverlesen vom Kanzleramt.

Dennoch: Nach allem, was man hört, stellt selbst dieses sogenannte Unabhängige Gremium, das geheim in Karlsruhe tagt, dem BND ein vernichtendes erstes Zeugnis aus. Die drei Kontrolleure beklagen, dass sie von den Geheimdienstlern keine brauchbaren Antworten bekämen. Hake man nach, schöben die Spione nur geschwärztes Papier herüber. Klopfe man selbst einmal an, stehe man vor verschlossener Tür.

Nach allem, was man hört, sind die neuen Karlsruher Kontrolleure gar nicht einmal so sehr entsetzt über das, was sie beim BND konkret gesehen haben - sondern eher darüber, wie sehr sich der Dienst als eine Macht gebärdet, die über ihnen steht. Nach allem, was man hört - das muss man so schreiben, weil der BND selbst dieses Zeugnis sogleich hat in Panzerschränken verschwinden lassen. Man darf es nicht lesen, man darf es nicht zitieren, darauf dringt auch das Bundeskanzleramt mit juristischem Nachdruck.

Hinter dieser Haltung kann leicht auch Übles gedeihen

Souverän ist, wer sich nicht zu erklären braucht. Neulich hat der BND-Chef Bruno Kahl all jene kritisiert, die als "sogenannte Whistleblower" die Veröffentlichung vermeintlicher Missstände betreiben würden, "natürlich mit der prätentiösen Geste: Die Öffentlichkeit habe einen Anspruch darauf, dieses oder jenes zu erfahren".

Schon richtig, gegen manche Gefahren muss der Staat auf leisen Sohlen ermitteln. Nicht jeder demokratisch unkontrollierte Raum läuft gleich mit Schmutz voll, ein Geheimdienstkontrolleur braucht nicht immer vom Schlimmsten auszugehen; die Adenauer-Zeit ist vorbei. Aber mit welchem Recht wird selbst Kritik am BND geheim gestempelt? Ein Dienst, den es nicht einmal zu kratzen braucht, wenn Bundesrichter ihm mangelnde Rechtstreue bescheinigen - der zeigt eine Haltung, hinter der leicht auch Übles gedeihen kann.

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