Bundesländer:Warum die Einigung der Länder den Namen "Finanzausgleich" nicht verdient hat

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Statt Dankbarkeit zu erfahren, weckte Finanzminister Wolfgang Schäuble neue Begehrlichkeiten. (Foto: dpa)

Wenn der Bund den größten Anteil übernimmt, weckt er damit neue Begehrlichkeiten bei den Ländern.

Kommentar von Nico Fried

Der Länderfinanzausgleich ist die höchste Spielklasse des Föderalismus. Es geht um Geld, was schon das richtige Leben oft besonders schwierig macht. Politisch ist das System aber vor allem pikant, weil zum Beispiel ein bayerischer Ministerpräsident, den jetzt und in absehbarer Ewigkeit noch die CSU stellen dürfte, darauf verpflichtet wird, ein ostdeutsches Land wie Thüringen zu unterstützen, auch wenn dort die nächsten 20 Jahre der Linke Bodo Ramelow regieren könnte, in dem der durchschnittliche Steuerzahler im Alpenvorland immer noch den Kommunisten wähnt.

Der Finanzausgleich als System kollektiver Solidarität

Der Länderfinanzausgleich ist zudem ein Widerspruch in sich: Seine Existenz macht den Föderalismus erst handhabbar - wenn auch nur dadurch, dass diesem Föderalismus Grenzen gesetzt werden. Die Unterschiedlichkeit, die das bundesstaatliche System den 16 Ländern ermöglicht, ebnet es mit dem Prinzip des finanziellen Gebens und Nehmens wieder ein Stück weit ein. Der Finanzausgleich ist ein System kollektiver Solidarität. Aus Bayern, Hamburgern und Sachsen-Anhaltern werden mit ihm auch wieder Deutsche. Er ist der Geld gewordene Kompromiss aus zwei politischen Identitäten. Er hilft, den Staat zusammenzuhalten.

Wichtiges Zeichen für die Funktionsfähigkeit des Föderalismus

Deshalb ist der Länderfinanzausgleich über die Zahlen hinaus so bedeutsam. Wenn sich nun eine Einigung abzeichnet, aus der ein neues System entsteht, dann ist das zum einen natürlich ein äußerst komplexes Gebilde, in das 99,9 Prozent der Bürgerinnen und Bürger ihr Geld fließen sehen, ohne wirklich zu verstehen, was dann damit passiert. Zum anderen aber ist es ein wichtiges Zeichen für die Funktionsfähigkeit des Föderalismus, der gerade wegen seiner Umständlichkeit zum Beispiel im Schulsystem unter wachsenden Legitimationszwang geraten ist. Dieser Föderalismus hat nur dann seine Berechtigung, wenn möglichst alle etwas davon haben - auch die, die zahlen.

Die Einigung der Länder, an deren Spitze Ministerpräsidenten aus insgesamt fünf Parteien stehen, hat lange gedauert. Viel zu lange, könnte man meinen, wenn man nur die Relationen betrachtet: Seit Jahren macht der Anteil des Finanzausgleichs im Haushalt eines Bundeslandes durchschnittlich nur etwa drei Prozent der Steuereinnahmen aus. Andererseits waren das für ein Land wie Bayern zuletzt immerhin 4,8 Milliarden Euro. Und der Regierung in Hessen fehlen gerade diese drei Prozent in etwa, um einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Die Nehmer-Staaten wiederum wären ohne Ausgleich längst pleite. Manche sind davor sogar mit dem Geld der anderen nicht gefeit.

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Man könnte auch sagen: Schäuble hat die Einigung erkauft

So erfreulich die Einigung der Länder nun ist, so deutlich muss man sagen, dass sie den Namen "Länderfinanzausgleich" eigentlich nicht verdient. Denn den größten Ausgleich soll nach den Vorstellungen der Regierungschefs und -chefinnen der Bund übernehmen. Rund acht Milliarden Euro hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble bereits angeboten, um den Erfolg in den zähen Verhandlungen zu erzwingen, man könnte auch sagen: zu erkaufen. Doch wer sich großzügig zeigt, erfährt in der Politik selten Dankbarkeit, vielmehr weckt er neue Begehrlichkeiten. Jetzt soll sich der Beitrag des Bundes auf zehn Milliarden Euro belaufen.

Bund und Länder werden einen Kompromiss finden müssen. Aber mit der Einigung der 16 Ministerpräsidenten ist doch der wichtigste und zugleich der schwierigste Schritt getan. Wolfgang Schäuble und Angela Merkel werden es sich nicht leisten können, die grundsätzliche Einigung der Länder infrage zu stellen. Der politische Schaden, den sie damit riskierten, wäre größer als der finanzielle, der nun droht, wenn der Bund noch einmal seine Taschen öffnet. Verweigerte sich Merkel dem Nachschlag, stünde die Kanzlerin nicht mehr nur gegen Horst Seehofer - woran sie sich in der Flüchtlingskrise vielleicht schon gewöhnt haben mag - sondern gegen alle Ministerpräsidenten. Auch gegen die ihrer eigenen Partei.

Die Flüchtlingskrise förderte die politische Einigung - ausgerechnet

Formal war die Einigung notwendig, weil das geltende System des Länderfinanzausgleichs und der Solidarpakt II für die neuen Länder 2019 auslaufen. Planerisch brauchten die Ministerpräsidenten außerdem Klarheit, weil sie demnächst der Schuldenbremse unterworfen sein werden, die Haushaltspolitik auf Pump verfassungsrechtlich verbietet. Politisch aber hat ausgerechnet die Flüchtlingskrise die Einigkeit gefördert, obwohl doch die jeweiligen Parteien der Ministerpräsidenten über die richtige Migrationspolitik unterschiedliche Ansichten haben.

Die Kosten für Unterbringung und Integration werden steigen. Der Bund wird weniger Geld haben, übrigens auch, weil er die Länder bei diesen Aufgaben schon massiv unterstützt. So aber rechnen weder Seehofer noch Ramelow. Sie eint über die Parteigrenzen hinweg das Bewusstsein, dass die Gelegenheit, den Bund zu schröpfen, wohl auf absehbare Zeit nicht mehr so günstig sein wird wie jetzt.

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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