Bundesgerichtshof:Sexualverbrecher bleibt frei - und überwacht

Der als gefährlich eingestufte Sexualstraftäter Karl D. bleibt in Freiheit. Der BGH lehnt die Sicherungsverwahrung ab - D. muss weiter überwacht werden.

Der seit seiner Haftentlassung im nordrhein-westfälischen Heinsberg lebende Sexualtäter Karl D. bleibt auf freiem Fuß. Dies entschied am Mittwoch der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.

Bundesgerichtshof: Randerath: In dem 1400-Seelen-Dorf lebt Karl D. bei seinem Bruder.

Randerath: In dem 1400-Seelen-Dorf lebt Karl D. bei seinem Bruder.

(Foto: Foto: dpa)

Der BGH sah trotz der ausdrücklich betonten Grausamkeit der Taten keine gesetzliche Grundlage, den Sextäter einzusperren, der drei Mädchen vergewaltigt und gequält hatte. Eigens nach Karlsruhe angereiste Anwohner waren den Tränen nahe und tief betroffen.

"Die heutige Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach der hochgefährliche Sexualstraftäter Karl D. in Freiheit bleiben darf, ist für einen normalen Bürger nicht mehr verständlich. Sie ist eine Schlag ins Gesicht aller Opfer von Sexualstraftaten", sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann. Er fordert eine Reform des Rechts zur Sicherungsverwahrung.

Der Hang des Mannes zu Straftaten sei ebenso bekannt wie die Tatsache, dass er als gefährlich einzustufen sei, sagte der Vorsitzende Richter. Eine bloße Neubewertung von Tatsachen rechtfertige aber nicht eine nachträgliche Sicherungsverwahrung. "Das Landgericht hat zu Recht geurteilt", so der BGH-Richter. Die Revision der Staatsanwaltschaft wurde verworfen. Das Urteil ist somit rechtskräftig.

Der BGH hat die Verhängung einer nachträglichen, also erst kurz vor dem Entlassungstermin verhängten Sicherungsverwahrung wiederholt an strenge Voraussetzungen geknüpft. So müssen während der Haftzeit gravierende neue Umstände aufgetreten sein, die auf ein Rückfallrisiko schließen lassen. Das bloße Versäumnis, bereits mit dem Urteil eine Sicherungsverwahrung anzuordnen, kann laut BGH nicht über deren nachträgliche Verhängung korrigiert werden.

Das Landgericht München II hatte im Februar 2009 eine nachträgliche Sicherungsverwahrung abgelehnt, obwohl Gutachter den verurteilten Sexualverbrecher als weiterhin gefährlich einstufen.

Das Münchner Oberlandesgericht (OLG) bestätigte im Mai 2009 diese Entscheidung. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Aufhebung des Unterbringungsbefehls sei unbegründet, entschied das OLG. Damit blieb dem heute 59-jährigen Karl D. die Sicherungsverwahrung erspart. Zur Begründung hatte es geheißen, in den Vorinstanzen seien keine "offensichtlichen Revisionsfehler" erfolgt.

Auch lägen keine "zusätzlich dringende Gründe für die Annahme" vor. Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers müssten für die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung neben der Gefährlichkeit auch "neue Tatsachen" vorliegen, hatte das OLG weiter begründet.

Der Fall sorgte für bundesweites Aufsehen, als der aus Penzberg stammende D. nach seiner Haftentlassung zu seinem Bruder nach Randerath zog und dort heftige Reaktionen der Bürger provozierte. Der Landrat des Kreises Heinsberg, Stephan Pusch (CDU), hatte die Bewohner des Orts öffentlich vor dem Ex-Häftling gewarnt.

Der 59-Jährige wird seit knapp einem Jahr rund um die Uhr von der Polizei bewacht. Bürger protestieren täglich gegen den Mann, der 14 Jahre im Gefängnis saß.

D. hatte 1994 in Geretsried zwei Mädchen vergewaltigt und sadistisch misshandelt. Bereits zehn Jahre zuvor hatte er sich an einem Mädchen vergangen. Bei seiner Entlassung warnten Gutachter vor seinem Sadismus - und einer hohen Rückfallwahrscheinlichkeit.

Die Bewachung rund um die Uhr wird nach der Entscheidung aus Karlsruhe weitergehen. Das kündigte der Kreis Heinsberg als oberste Polizeibehörde am Mittwoch an. "Wir haben keine andere Möglichkeit. Wir werden die Observationsmaßnahmen in der Art und in dem Umfang wie bisher weiter fortsetzen", sagte der Kreisdirektor Peter Deckers. Es gebe keine Alternative, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten.

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