Bundesamt für Migration:Aus dem Schlaf erwacht - und lernfähig

Aus einer Behörde mit 2000 Leuten ist eine mit 10 000 geworden. Und das Amt hat sich in die digitale Gegenwart katapultiert. Was nun, auch zum Schutz der Flüchtlinge, noch zu tun ist.

Von Bernd Kastner

Eine gute Demokratie, eine, in die Bürger Vertrauen haben, braucht funktionierende Behörden. Die Behörden in Deutschland sind längst nicht perfekt, aber sie wissen, aus Fehlern zu lernen. Das gilt auch für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Wie keine andere Behörde stand das Bamf in den vergangenen zwei Jahren im Feuer. Da ist nicht nur das Entsetzen über den deutschen Rechtsradikalen Franco A., der sich als angeblicher Syrer ins Hilfesystem eingeschlichen hat. Da war auch die überlange Dauer der Verfahren und die einhergehende Ungewissheit, für Flüchtlinge wie für ihre Paten.

Das Amt hat sich in die digitale Gegenwart katapultiert

Kritik am Bamf war und ist berechtigt, oftmals aber traf es die Falschen - nämlich die überlasteten Mitarbeiter, die den Flüchtlingen gegenübersitzen. Die wirklich Verantwortlichen aber sitzen in der Berliner Politik und in der Nürnberger Bamf-Zentrale. Viel zu lange ließ man dieses Amt im Behördenschlaf, bis, scheinbar plötzlich, sehr viele Flüchtlinge an der Grenze standen. Immerhin, und das zeichnet Politik wie Bamf aus: Die Verantwortlichen sind aufgewacht und bemühen sich, aus den vielen Versäumnissen zu lernen. Das Bamf hat sich in kürzester Zeit von einem Haus mit 2000 Mitarbeitern zu einer Riesenbehörde mit 10 000 Bediensteten entwickelt. Und es hat sich ebenso rasch modernisiert, hat sich aus dem Papierzeitalter in die digitale Gegenwart katapultiert. Ja, es ist gut, wenn das Bamf nun mittels Software die Sprache der Asylsuchenden analysiert, um zu prüfen, ob einer wirklich aus Syrien kommt und damit beste Bleibechancen hat. Und natürlich ist es sinnvoll, arabische Namen einheitlich in lateinische Schrift zu übertragen. Bisher tat das jeder Beamter, ob bei der Polizei oder im Bamf, für sich. Zu oft kommt es vor, dass ein rechtschaffener Flüchtling mehrere Aliasnamen in seinem Asylbescheid stehen hat, was ihn irgendwie verdächtig macht. Dabei sind nur jeweils ein paar Buchstaben anders übertragen worden.

Das jetzt präsentierte "Integrierte Identitätsmanagement" ist aber nur ein Teil der Qualität, die man vom Bamf erwarten muss. Der andere Teil ist die Qualität im Sinne der Schutzsuchenden. Eine Asylentscheidung ist nicht nur dann falsch, wenn einer wie Franco A. durchschlüpft, sie kann auch dann katastrophale Folgen haben, wenn ein Schutzberechtigter abgeschoben wird - weil Anhörern oder Entscheidern die Erfahrung und Qualifikation fehlen, oder weil noch immer über ein Drittel aller Fälle aufgrund der Akten geurteilt wird, ohne dass der Entscheider den Flüchtling je zu Gesicht bekommen hat.

Deshalb ist nicht nur die Sicherheits-Software weiterzuentwickeln, die Bamf-Leitung muss noch mehr an ihre Mitarbeiter denken. Weiterbildung und Wertschätzung lauten die Zauberwörter, nicht Druck und Zielzahlen. Und der Bund darf nicht jetzt schon wieder das Personal reduzieren, kaum dass der große Antragsberg abgearbeitet ist. Wenn Bamf und Politik auch das noch lernen, wächst das Vertrauen in das Flüchtlingsmanagement wieder. Bei den Bürgern - und den Flüchtlingen.

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