Bulgarien:Nationalistischer und populistischer

Wahlsieger Borissow muss eine Koalition bilden, in der wohl auch moskautreue Politiker sitzen werden. In jedem Fall wird die neue bulgarische Regierung wohl nationalistischer und populistischer als die alte.

Von Florian Hassel, Warschau

Die proeuropäische, konservative Partei des mehrmaligen Ministerpräsidenten Bojko Borissow hat die vorgezogene Parlamentswahl in Bulgarien deutlicher als erwartet gewonnen. Da Reformer es nicht ins Parlament schafften, muss Borissow eine Koalition mit nationalistischen und rechtsradikalen oder populistischen Parteien bilden, um zu regieren. Auch eine Regierung unter Führung des Zweitplatzierten, der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP), ist möglich.

Die Wahlkommission verkündete nach Auszählung von 99,98 Prozent der Wahlprotokolle dieses Ergebnis: Borissows Gerb-Partei bekam 32,66 Prozent, die BSP 27,16 Prozent. Auf den dritten Platz kam mit 9,07 Prozent der Stimmen der aus den Parteien WMRO, NFSB und Ataka bestehende Wahlblock "Vereinigte Patrioten", gefolgt von der Partei DSP, die die Stimmen türkischstämmiger Bulgaren einsammelt und 8,99 Prozent erhielt. Fünfte Partei im Parlament wird die Wolja-Partei des Apothekenmillionärs Wesselin Mareschki mit 4,15 Prozent. Bulgariens Reformer, zersplittert auf drei Parteien, scheiterten jeweils an der Vier-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 53 Prozent.

Gerb-Parteichef Borissow sagte, die Bulgaren hätten eine "weise Entscheidung" getroffen. Er werde alles tun, um eine Koalitionsregierung "mit kleinen Kompromissen" zu bilden, die "sowohl die internen Bedürfnisse der Menschen erfüllt" wie "auf die schwierige internationale Situation" eingeht. Vor der Wahl hatte Borissow sowohl eine große Koalition mit der BSP wie mit der DSP ausgeschlossen, die ebenso als kremlnah gilt. Ebenfalls als moskautreu gilt allerdings der größere der verbleibenden möglichen Koalitionspartner, die Partei der Vereinigten Patrioten. WMRO-Parteichef Krassimir Karaktschanow ist ehemaliger Offizier des traditionell eng mit Moskau verbundenen bulgarischen Geheimdienstes. Der Vorsitzende der rechtsradikalen Ataka-Partei, Wolen Sidorow, war regelmäßig in Moskau. Er ist Diplomaten in Sofia zufolge wahrscheinlich Empfänger russischer Finanzhilfen - Sidorow bestreitet dies.

Die Partei der Vereinigten Patrioten ist gegen die Aufnahme von mehr Flüchtlingen

Schon in seiner Zeit als Regierungschef hatte Ministerpräsident Borissow mit Unterstützung etwa der Ataka-Partei regiert. Sowohl WMRO-Chef Karaktschanow wie der dritte Parteichef des Patrioten-Blocks, Walerij Simeonow von der Partei NFSB, zeigten sich im Wahlkampf offen für eine Koalition sowohl mit der Gerb wie mit den Sozialisten. Apothekenmillionär Mareschki kündigte am Montag an, er werde seine Position zuerst mit den Vereinigten Patrioten abstimmen und dann auf den Anruf Borissows für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen warten.

Kommt eine solche Regierung zustande, dürfte sie nationalistischer und populistischer als zuvor auftreten: Die Vereinigten Patrioten etwa fordern nicht nur höhere Renten, niedrigere Strompreise oder mehr Polizei in bulgarischen Dörfern, sondern ausdrücklich auch ein schärferes Vorgehen gegen angeblich vor allem in den Reihen bulgarischer Roma zu findende "Sozialhilfebetrüger". Sie sind gegen die Aufnahme von mehr Flüchtlingen und gegen politische Macht für türkischstämmige Bulgaren. Vor der Wahl blockierten die drei Parteivorsitzenden der Vereinigten Patrioten rechtswidrig einen bulgarisch-türkischen Grenzübergang, um in der Türkei lebende Bulgaren daran zu hindern, zur Stimmabgabe in Bussen einzureisen. Die Vereinigten Patrioten lehnen auch die Übernahme von Flüchtlingen aus anderen EU-Ländern in Bulgarien ab.

Kommt keine Koalitionsvereinbarung mit Borissow zustande, könnten nach einem entsprechenden Mandat durch Bulgariens Präsidenten auch die Sozialisten mit den Nationalisten und der DSP eine Regierung bilden - in diesem Fall stünden sämtliche Parteien einer bulgarischen Regierung Moskau nahe. Ahmed Dogan, graue Eminenz der DSP, feierte Russland Ende 2016 als "neuen alternativen Garanten der Sicherheit und des Friedens auf globaler Ebene".

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