Bulgarien:Atomkraftwerk zu verkaufen

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Hier sollte es entstehen: Arbeiter besichtigen im Jahr 2013 die Baustelle des geplanten AKW in Belene. (Foto: Stoyan Nenov/Reuters)

Bulgarien will Reste seines Atom-Meilers in Belene loswerden. Als Käufer ist Iran im Gespräch.

Von Florian Hassel, Warschau

Atomkraftwerke sind keine Verkaufsschlager. Deshalb wird Bulgariens Ministerpräsident Boyko Borisow wohl mit sattem Preisnachlass werben, wenn er die Regierung Irans überzeugen will, seinem Land das Atomkraftwerk Belene abzukaufen, genauer gesagt: die Hunderte Millionen Euro teure Ausrüstung, die dort verbaut wurde. Schon im kommenden Monat will, ja muss Borisow bei einem Besuch in Teheran sein Glück als atomarer Handlungsreisender versuchen.

Anfang 2008 unterschrieb die damals von den ehemaligen Kommunisten geführte, russlandfreundliche Regierung Bulgariens einen Vertrag mit der russischen Staatsfirma Atomstroiexport über den Bau eines Atomkraftwerkes in Belene an der Donau. Experten warnten, der gewählte Bauplatz sei nicht erdbebensicher. Bulgarien benötige kein neues Atomkraftwerk, sondern modernere und sparsamere Stromtechnik. Vor allem sei das geplante Kraftwerk mit Kosten von zuletzt geschätzten zehn Milliarden Euro viel zu teuer für das arme Bulgarien.

Experten warnten früh vor dem Kraftwerk. Der Baustopp kommt die Regierung teuer zu stehen

Als der vergleichsweise russlandkritische Borisow 2009 Ministerpräsident wurde, stoppte er den schon begonnenen Bau. Atomstroiexport verklagte Bulgarien 2012 vor der Internationalen Handelskammer in Paris auf 1,2 Milliarden Euro Entschädigung für entstandene Kosten und entgangenen Gewinn. Ein von der Handelskammer beauftragtes Schiedsgericht in Genf schickte Bulgaren und Russen am 17. Juni das gut 700 Seiten lange Urteil: Bulgarien muss den Russen 550 Millionen Euro (Moskau zufolge sind es gar 620 Millionen Euro) für Ausrüstung und Anwaltskosten zahlen. Eine Entscheidung, die Ministerpräsident Borisow nach eigenem Bekunden erleichterte - er hatte eine deutlich höhere Summe befürchtet.

Freilich sitzt das sieben Millionen Einwohner kleine Bulgarien nun nicht nur auf einer Rechnung, die einem Prozent seiner Wirtschaftsleistung entspricht, sondern auch auf einem halbfertigen Atomkraftwerk. Dessen Ausrüstung darf Bulgarien verkaufen - mit Zustimmung der Russen. "Es gibt einen Markt für Atomausrüstung", gab sich Bulgariens Energieministerin Temenuzcha Petkowa optimistisch und nannte Indien oder Iran als mögliche Kunden. Den Indern bot Bulgarien die Belene-Technik schon vor Jahren erfolglos an. Schließlich kündigte Ministerpräsident Borisow an, er könne nach einer für Juli geplanten Iran-Reise mehr über einen möglichen Käufer sagen. Ein Deal ist freilich selbst auf dem Papier nur möglich, wenn die Russen in Gestalt von Atomstroiexport und der Mutterfirma Rosatom kräftig mithelfen - und Borisow den Iranern die Ausrüstung mit sattem Rabatt anbietet.

Für Russland ist das entgangene Geschäft mit dem Atomkraftwerk die dritte Pleite im früheren Klientelstaat und heutigen EU-Mitglied Bulgarien. Eine geplante Ölpipeline kam ebenso wenig zustande wie die Erdgaspipeline South Stream, bei der der Kreml lange auf eine Route durch Bulgarien gesetzt hatte.

Und zum Ärger Moskaus wollte Bulgarien nun auch noch mit der Türkei und Rumänien eine gemeinsame Flottenpatrouille im Schwarzen Meer aufbauen - was Moskau als Versuch interpretierte, seine militärischen Ambitionen - bekräftigt mit der Annexion der Krim - einzudämmen.

Mitte Juni allerdings kündigte Regierungschef Borisow Bulgariens Rückzug aus dem gemeinsamen Flottenprojekt an, offenbar wegen des russischen Drucks hinter den Kulissen. Bulgarien hofft nämlich in diesem Sommer auf viele russische Touristen. Nachdem die Türkei Ende November 2015 ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen hatte, mussten russische Reiseveranstalter ihre Türkei-Angebote streichen. Viele Russen boykottieren seitdem die Türkei als Urlaubsziel.

"Ich möchte im Schwarzen Meer Segelboote, Touristen, Frieden und Liebe sehen . . . ich möchte keine Kriegsschiffe in unseren Meerbädern sehen, in die wir so viel Geld und Anstrengung investiert haben", begründete Borisow den Rückzug seines Landes aus den geplanten Flottenpatrouillen.

© SZ vom 24.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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