Bürgerschaftswahl in Bremen:Die rot-grüne Wand

In Bremen muss die CDU mit ihrer Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann befürchten, bei der Wahl nur noch dritte Kraft zu werden. So ein Debakel hat die CDU noch nie erlebt.

Jens Schneider

Das kann nicht leicht sein. Aber die Kandidatin lässt es leicht aussehen. Als wäre dies ein Spiel, bei dem sie sich schon freuen darf, wenn nicht jeder ihrer Versuche scheitert. Gewinnen kann die Frau von der CDU hier sowieso nicht. Im Kreis von Bremer Parteifreunden wird die gelernte Apothekerin später sagen, dass dieser Einsatz ihren Humor trainiert. Sie trainiert in diesen Tagen viel.

Rita Mohr-Lüllmann

Hat keinen leichten Job: Rita Mohr-Lüllmann, Spitzenkandidatin für die CDU bei der Bremer Bürgerschaftswahl.

(Foto: dpa)

Rita Mohr-Lüllmann steht mit ihrem Wahlkampf-Flyer und Schokoladen-Herzchen am Stand der CDU vor dem Rewe-Markt im Bremer Hulsberg im Zentrum der Stadt. Das ist ein hübsches Viertel, an diesem sonnigen Nachmittag hat niemand Eile. Doch alle reagieren unfreundlich auf ihr heiteres Gesprächsangebot. "Nein, danke", sagen die meisten im Vorbeigehen.

Einige lächeln sogar, aber sehen die CDU-Spitzenkandidatin für die Bremer Landtagswahlen nicht an. Und ein junger Mann zischt: "Bloß nicht!" Er schüttelt sich, als ob sie ihm Kakerlaken und nicht Schokolade angeboten hätte. Der nächste stöhnt: "Um Gottes Willen!" Danach zieht ein Älterer mit einem schafig norddeutsch langgezogenen "Neeeee" an ihr vorbei. Nein, von der CDU nimmt er nichts.

Da dreht sich Mohr-Lüllmann zu ihren Leuten um und rollt mit den Augen. Sie macht selbst: "Neeee". Heiter, nicht böse oder enttäuscht. Und versucht es gleich wieder. So ist das nun mal in diesem Wahlkampf. Gewiss, dieses Quartier ist besonders schwierig für sie. Hier können die Grünen mit der Hälfte der Stimmen rechnen, wenn in zwei Wochen gewählt wird.

Aber auch sonst muss es der 54-Jährigen vorkommen, als ob sie gegen eine rot-grüne Wand anrennt. Niemand räumt ihr eine Chance ein, SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen abzulösen. Nach jüngsten Umfragen muss sie sogar befürchten, hinter den mitregierenden Grünen zu landen. So ein Debakel hat die CDU noch nie erlebt.

Der promovierten Apothekerin kommt die Situation paradox vor. Der rot-grün geführte Stadtstaat steht keineswegs glänzend da. "Ich kann ihnen auf den Schlag neun rote Laternen aufzählen", sagt sie und rattert eine Negativ-Liste runter, die Bremen bundesweit als Schlusslicht ausweist: bei der Verschuldung, Firmen-Insolvenzen, Pisa, und so weiter.

Die "liberale Großstadt-Frau"

"Wenn man sieht, was sie in 66 Jahren an der Macht geleistet hat, dürfte die SPD nicht einen Tag länger regieren." Sie zählt die Liste oft auf. "Ich sage Ihnen: atemlose Stille", beschreibt sie die Reaktion. Manche Leute finden, sie rede die Stadt schlecht. Andere haben nicht vergessen, dass die CDU vor der rot-grünen Koalition lange mitregierte.

Die Mutter zweier erwachsener Söhne war einst als Studentin nach Bremen gekommen. Sie hatte die Stadt damals auf ihrer Wunschliste nur an achter Stelle angegeben und landete, so wenige wollten hierher, doch an der Weser. Sie blieb schließlich gern, schwärmt vom Leben am Wasser. Mit ihrem Mann hat sie ein chemisches Labor aufgebaut, das inzwischen etwa 70 Mitarbeiter hat. Seit 2003 engagiert sie sich als Abgeordnete, vor allem in der Gesundheitspolitik.

Der Partei- und Fraktionschef der CDU, Thomas Röwekamp, verzichtete zu ihren Gunsten auf die Spitzenkandidatur. Mohr-Lüllmann mit ihrem offenen, wenig aggressiven Stil traute die CDU eher zu, das liberale Bürgertum zu erreichen. Sie sieht sich als "liberale Großstadt-Frau". Als Quereinsteigerin will sie nicht jeden Satz unendlich lange abwägen, um am Ende doch Sprechblasen von sich zu geben.

Sehr bekannt war Mohr-Lüllmann in Bremen bisher nicht. Das dürfte jetzt ein Satz geändert haben. Angesichts der schwachen Pisa-Ergebnisse schlug sie vor, Schüler auch am Samstag wieder unterrichten zu lassen. Nun muss sie überall erklären, dass sie nur ein Sofortprogramm für die Neuntklässler will, die laut Pisa-Ergebnis "um eineinhalb Jahre hinter den bayerischen zurückliegen".

Sie wirft dem rot-grünen Senat vor, mit einer "romantischen Verkehrspolitik", verkehrsberuhigten Zonen und zu vielen Ampeln die Industriestadt auszubremsen. "Wir können die Güter doch nicht mit Kutschen transportieren." Dabei versteht sie sich nicht als Feindin grüner Politik. Ihre deprimierende Position könnte sogar eine neue Machtoption eröffnen. Mohr-Lüllmann schließt nicht aus, als kleiner Partner eine Koalition unter der Grünen-Spitzenkandidatin Karoline Linnert einzugehen. Freilich weiß sie selbst, dass es an Gemeinsamkeiten fehlt. Linnert nennt die Idee abwegig: "Was soll ich denn mit der CDU?"

So bleiben Mohr-Lüllmann der charmante Umgang mit ihrer Chancenlosigkeit und die Erinnerung: Vor zwei Jahren trat sie in Bremen als Direktkandidatin für den Bundestag an. Sie ließ keine Chance zum Bürger-Gespräch aus und kam dem Sieg so nahe wie kein Bremer Christdemokrat zuvor: "Ich habe erlebt, was die persönliche Begegnung bringen kann." Aber sie will ja kein typischer Politiker sein. Also tut sie nicht, als wäre die Stimmung wie vor zwei Jahren.

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