Bürgerkrieg in Syrien:Radikale auf dem Vormarsch

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Die Freie Syrische Armee, bisher der größte Kampfverband gegen Herrscher Assad, erleidet Niederlagen gegen islamistische Gruppen - und verliert Tausende Mitglieder. Die Schwächung der moderateren Kräfte könnte unabsehbare Folgen für die geplante Friedenskonferenz haben.

Von Sonja Zekri, Kairo

In Syrien zeichnet sich eine dramatische Schwächung der moderaten Kämpfer zugunsten der radikalen Islamisten ab, mit unabsehbaren Folgen für eine Friedenskonferenz. Einheiten der Islamischen Front, ein Zusammenschluss von sechs Verbänden, hatten am Wochenende in der Nähe der türkischen Grenze Lagerhäuser der Freien Syrischen Armee (FSA) übernommen. In den Depots befanden sich Medienberichten zufolge unter anderem Flugabwehr- und Panzerabwehrgeschütze.

Außerdem vertrieben die Islamisten die FSA-Kämpfer vom syrisch-türkischen Grenzübergang Bab al-Hawa, den diese ein Jahr lang kontrolliert hatten. Ankara schloss diesen daraufhin. Amerika und Großbritannien froren zudem alle Lieferungen an nicht-tödlicher Ausrüstung ein, etwa Lastwagen, Medizin und Telefone sowie Geld und Lebensmittel. Nach dem Chemiewaffenangriff im Sommer halfen Washington und London auch mit Schutzkleidung.

Das Wall Street Journal berichtet unter Berufung auf amerikanische Behörden, dass der Chef der Freien Syrischen Armee, Selim Idriss, inzwischen nach Katar geflohen sei. Die Exilopposition dementiert dies. Idriss halte sich weiterhin im Grenzgebiet zur Türkei auf und führe Gespräche mit der Islamischen Front.

Unklar ist, wie die FSA überhaupt aus den Lagern und Grenzposten vertrieben wurde. Einer Version zufolge hatten die al-Qaida-nahen Einheiten des Islamischen Staates im Irak und Syrien (Isis) die Depots angegriffen. Die Freie Syrische Armee habe daraufhin die Islamische Front zu Hilfe gerufen - die kurzerhand die Einrichtungen übernahm.

Der Vorfall ist einer von zahlreichen Hinweisen auf eine gefährliche Dezimierung der moderateren Kämpfer, nach den Worten einiger Beobachter sogar auf einen drohenden Kollaps der Freien Syrischen Armee. Für die Ende Januar in der Schweiz geplante Friedenskonferenz und für die Zukunft der Region könnte dies unabsehbare Konsequenzen haben.

Freie Syrische Armee verliert Kämpfer

Vor zwei Jahren war die Freie Syrische Armee der größte, wenn auch unorganisierte Kampfverband gegen Präsident Baschar al-Assad. Zwar gab es nie zuverlässige Zahlen über ihre Stärke, doch gingen Schätzungen von 70.000 Mann aus. Heute sprechen Kommandeure nur noch von 40.000 Kämpfern. Viele Deserteure der regulären Armee bleiben lieber in der Türkei anstatt sich der FSA anzuschließen, andere Kämpfer wechseln zu den besser ausgerüsteten und erfolgreicheren islamischen Verbänden.

Nach Informationen des Jane's Terrorism and Insurgency Centers hat die eher neue Islamische Front heute 45.000 Mann. Sie wird von Saudi-Arabien unterstützt, ist nicht so extrem wie die Al-Qaida-Ableger, etwa die Nusra-Front, verfolgt aber ebenfalls das Ziel eines islamischen Staates. Die Nusra-Front soll Schätzungen der BBC zufolge etwa 7000 Mann umfassen. Die Stärke der Dschihadisten im Islamischen Staat im Irak und Syrien hat die Freie Syrische Armee in einem Bericht an das US-Außenministerium zusammengefasst. Danach kämpfen für den Isis 5500 Ausländer, unter denen eine Gruppe von 250 Tschetschenen als besonders grausam gilt.

Hinzu kommen nach FSA-Angaben 2500 junge, ideologisch überzeugte Syrer, vor allem aus dem Norden, sowie 15.000 Mann, die sich "entweder aus Angst oder aus Gier" den Gotteskriegern angeschlossen haben, so die FSA. Nach Angaben des Norwegian Defence Research Establishment in Oslo kämpfen damit in Syrien mehr Ausländer als in jedem anderen Konflikt in einem islamischen Land. FSA-Chef Idriss hatte vor Kurzem Empörung ausgelöst, als er erklärte, er könne sich im Kampf gegen die Dschihadisten eine Zusammenarbeit mit der Armee vorstellen.

In Syrien werden mehr als 30 ausländische Journalisten festgehalten. Der jüngste bekannt gewordene Fall ist die Verschleppung des Reporters der spanischen Zeitung El Mundo, Javier Espinosa, sowie des Fotografen Ricardo Garcia Vilanova.

© SZ vom 13.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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