Bürgerkrieg in Syrien:Paris hält Einsatz von Nervengift Sarin für erwiesen

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Frankreich hält es für bewiesen, dass die syrische Regierung im Bürgerkrieg den Nervenkampfstoff Sarin gegen Aufständische eingesetzt hat. Die US-Regierung reagiert zurückhaltend und fordert weitere Untersuchungen.

Von Reymer Klüver

Die französische Regierung sieht den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien als bewiesen an: Außenminister Laurent Fabius sagte am Dienstagabend dem Fernsehsender France 2, in mindestens einem Fall sei der Nervenkampfstoff Sarin durch das syrische Regime "und seine Komplizen" eingesetzt worden. Daran gebe es "keine Zweifel". Kurz zuvor hatte Fabius bereits von einer "Gewissheit" der französischen Regierung gesprochen, dass Sarin in dem Bürgerkriegsland "mehrfach und lokal begrenzt eingesetzt wurde".

Fabius bezog sich dabei auf die Analyse von Proben aus Syrien durch französische Experten; er hatte zunächst offen gelassen, wer das Sarin verwendet hat. Paris sei in Kontakt mit seinen Partnern, "alle Optionen sind auf dem Tisch", sagte Fabius am Abend. Noch sei nicht entschieden, ob reagiert werde und wenn ja, ob dies "auf militärische Weise dort, wo das Gas produziert, wo es gelagert wird", geschehen könnte.

Auch nach Einschätzung der UN gibt es nur noch wenig Zweifel daran, dass in Syrien Chemiewaffen eingesetzt werden. Der Konflikt habe "neue Stufen der Grausamkeit und Brutalität" erreicht. In einem 29-seitigen Untersuchungsbericht, den eine Sonderkommission dem UN-Menschenrechtsrat in Genf vorgelegt hat, werden mindestens vier Fälle von Giftgaseinsätzen in Aleppo, Damaskus und Idlib in den Monaten März und April aufgeführt.

"Wir verlassen uns nicht auf die UN allein"

Die US-Regierung reagierte am Dienstag zurückhaltend: Es müssten weitere Beweise gesammelt werden, wer für den wahrscheinlichen Gebrauch von Chemiewaffen verantwortlich sei und unter welchen Umständen dies erfolgt sei, "bevor wir irgendwelche Entscheidungen treffen können", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney. "Wir verlassen uns nicht auf die UN allein." Paris befürworte weitere Untersuchungen, sagte Carney. US-Präsident Barack Obama hatte den Einsatz von Chemiewaffen als "rote Linie" für ein Eingreifen in Syrien bezeichnet.

Der Vorsitzende der UN-Sonderkommission, der Brasilianer Paulo Pinheiro, sagte, man habe nicht mit letzter Sicherheit klären können, wer die Chemiewaffen eingesetzt habe und welche Kampfstoffe verwendet worden seien. Die frühere Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs für die Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien, die Schweizerin Carla Del Ponte, hatte im April erklärt, dass Rebellen vermutlich Sarin eingesetzt hätten. Das wurde damals von Pinheiro dementiert. Del Ponte ist Mitglied der Kommission.

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"In rascher Folge" komme es zu Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schweren Menschenrechtsverletzungen, heißt es in dem UN-Bericht. Allein zwischen Mitte Januar und Mitte Mai sei es zu mindestens 17 Massakern gekommen. Die Verbrechen würden von Kämpfern beider Seiten begangen. "Gesetzesverstöße und Misshandlungen" auf Seiten der Regierungsgegner, heißt es weiter, "haben indes nicht die Intensität und das Ausmaß der Vergehen erreicht, die von den Regierungstruppen und ihren verbündeten Milizen begangen worden sind".

Unter klarem Bezug auf die Debatte in Europa und den USA über Waffenlieferungen für die Rebellen heißt es, dass Waffenlieferungen bisher die Grausamkeit der Kämpfe gesteigert hätten. "Es ist eine Illusion zu glauben, dass noch mehr Waffen die Gewichte zugunsten einer der beiden Seiten verschieben werden", sagte Pinheiro. Neue Waffenlieferungen würden die Chancen für eine politische Lösung noch weiter schmälern.

© SZ vom 05.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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