Bürgerkrieg in Syrien:Oppositionelle melden neues Massaker

Syrische Regierungsgegner beklagen ein neues Gemetzel mit mehreren Dutzend Toten - allerdings nicht aus der hart umkämpften Metropole Aleppo. Nach seinem Rückzug als UN-Sonderbeauftagter sieht Kofi Annan indes immer noch Chancen auf eine Befriedung.

Nach dem Rückzug des Sonderbeauftragten Kofi Annan geht die Gewalt in Syrien unvermindert weiter. Annan selbst sieht zwar in einem Beitrag für die Financial Times immer noch Chancen für einen Frieden in dem blutigen Konflikt, wenn alle Seiten zu einem "echten Kompromiss" bereit seien. "Es ist klar, dass Präsident Assad gehen muss", sagte Annan der Zeitung. "Syrien kann noch immer vor dem größten Elend bewahrt werden."

Von einem Kompromiss ist Syrien derzeit aber weit entfernt. Die Opposition berichtet von einem neuerlichen Massaker an Zivilisten durch Regierungstruppen. Etwa 50 Menschen, unter ihnen Frauen und Kinder, seien am Donnerstag bei einem Angriff auf ein Viertel der zentralsyrischen Stadt Hama getötet worden, meldeten die oppositionellen Örtlichen Koordinierungskomitees am Freitag. Zahlreiche Häuser seien bei dem "Massaker" beschädigt worden, Heckenschützen der Armee hätten sich auf den Dächern verschanzt.

Der Syrische Nationalrat, die wichtigste Oppositionsgruppierung des Landes, erklärte, die Regierungstruppen hätten Hama am Donnerstagmorgen mit schwerer Artillerie und Kampfhubschraubern attackiert. Die Zahl der Toten und Verletzten sei kaum zu bestimmen. Die Regierungstruppen würden die Einwohner daran hindern, die Toten in den Straßen zu bergen und die Verletzten zu versorgen. Überprüfen lassen sich die Berichte von unabhängiger Seite nicht.

Syrer trauen sich nicht mehr auf die Straße

Unterdessen wächst bei den Vereinten Nationen die Sorge um die syrische Bevölkerung: Zehntausende säßen vielerorts wegen anhaltender Kämpfe in ihren Wohnungen in der Falle. Aus Angst, ins Kreuzfeuer zu geraten oder gar gezielt beschossen zu werden, trauten sie sich nicht mehr auf die Straße, sagte die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerkes (UNHCR), Melissa Fleming, am Freitag in Genf.

Während die Zahl der Flüchtlinge in benachbarten Ländern täglich um Hunderte wachse, seien derzeit innerhalb des Bürgerkriegslandes etwa 1,5 Millionen Menschen "entwurzelt und als Flüchtlinge entweder bei Gastfamilien oder in provisorischen Nothilfelagern" untergekommen. Diesen Menschen Hilfe zu leisten, sei angesichts der gefährlichen Lage im Lande immer schwieriger. Vor allem in der umkämpften Großstadt Aleppo sei die Sicherheitslage "dramatisch". Auch aus der Hauptstadt kämen Berichte über Explosionen und eine Ausweitung der Gewalt. So seien in einem älteren Lager für palästinensische Flüchtlinge bei einem Beschuss mit Mörsergranaten 20 Menschen getötet und zehn weitere verletzt worden.

Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks UNICEF sind mehr die Hälfte der Flüchtlinge Kinder oder Jugendliche. "Die Not und Verzweiflung der Kinder im syrischen Bürgerkrieg sind dramatisch", sagte Rudi Tarneden, Sprecher von UNICEF Deutschland. Helfer berichteten von einem starken Zustrom von Kindern und Familien über die Grenzen, zum Beispiel nach Jordanien. Dem UNHCR zufolge flüchten allein in die Türkei pro Tag 400 bis 600 Syrer, die meisten von ihnen aus Aleppo. In Damaskus erfasse der Syrische Arabischen Halbmond (SARC), der vom UNHCR unterstützt wird, immer mehr hilfebedürftige Flüchtlinge, kürzlich rund 700 an einem einzigen Tag.

Auswärtiges Amt richtet "Task Force Syrien" ein

Nach dem Rückzug des Sonderbeauftragten Kofi Annan ist die weitere Entwicklung im Syrien-Konflikt ungewiss. Die internationale Gemeinschaft beschränkt sich derzeit auf den Ausbau der nichtmilitärischen Unterstützung. Großbritannien kündigte an, die Unterstützung für die Opposition in den kommenden Wochen aufzustocken. "Wir geben die Diplomatie mit Russland und China nicht auf, aber wir werden auch andere Dinge tun müssen", sagte Außenminister William Hague den Sender BBC.

Das Auswärtige Amt in Berlin richtet eine ressortübergreifende "Task Force Syrien" ein. Ziel sei es, "die umfassenden Aufgaben in der Bundesregierung noch stärker zu bündeln", sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP). "Das Assad-Regime hat die Kontrolle über Teile des Landes verloren. Immer mehr Menschen fallen den brutalen Kämpfen zum Opfer." Daher sei es wichtig, die humanitäre Hilfe zu verstärken. Gleichzeitig müssten auch nach dem Rücktritt des Sondergesandten Kofi Annan die "Bemühungen um den Einstieg in einen politischen Prozess weitergehen".

Die UN-Vollversammlung hat derweil in New York eine Resolution verabschiedet, in der die zunehmende Gewalt in Syrien scharf verurteilt wird. 133 der 193 Mitgliedsländer des Gremiums stimmten für die Resolution, 12 stimmten dagegen, 31 enthielten sich. In dem von mehreren arabischen Staaten eingebrachten Entwurf wird die Regierung von Baschar al-Assad aufgerufen, ihre Armee umgehend in die Kasernen zurückzuziehen. Der Einsatz schwerer Waffen gegen die eigene Bevölkerung wird scharf verurteilt. Eine Resolution der Vollversammlung ist jedoch nicht bindend.

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