Bürgerkrieg in Syrien:Das steckt hinter Putins Truppenabzug aus Syrien

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Das Verteidigungsministerium veröffentlichte Bilder vom Abflug russischer Kampfjets aus Syrien. (Foto: dpa)

Das Eingreifen Russlands in den syrischen Bürgerkrieg 2015 war eine Überraschung. Die Ankündigung Putins, jetzt Truppen abzuziehen, wirft neue Fragen auf. Die wichtigsten Antworten.

Von Rebecca Barth und Markus C. Schulte von Drach

Wladimir Putin hat überraschend angekündigt, die russischen Truppen zumindest zum Teil aus Syrien abzuziehen. Das wirft eine Reihe von Fragen auf.

Wie glaubwürdig ist die Ankündigung von Putin, die meisten russischen Truppen abzuziehen?

Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Welt in der Vergangenheit immer wieder überrascht, sowohl mit seinen Statements als auch mit seinem Vorgehen. So leugnete er etwa ein direktes Eingreifen in der Ostukraine zu Beginn der Unruhen dort, gab dann aber zu, dass russische Soldaten die prorussischen Rebellen unterstützten - und annektierte die Krim.

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Alle Logik spricht gegen die Entscheidung aus Russland. Doch klar ist auch: Nur Putin hat den Einfluss, das Assad-Regime zu ernsthaften Verhandlungen zu zwingen.

Kommentar von Stefan Kornelius

Auch die russischen Luftangriffe in Syrien begannen im September 2015 überraschend. Sie wurden anfänglich als Anti-Terror-Einsätze gegen den sogenannten Islamischen Staat gerechtfertigt. Im Unterschied zu den Angriffen durch Kampfflugzeuge westlicher und arabischer Staaten dienten sie jedoch überwiegend der Unterstützung der syrischen Armee im Kampf gegen andere Aufständische. Auch gegen solche, die vom Westen unterstützt werden.

In Russland sendet das Fernsehen derzeit Bilder, die zeigen, dass russische Soldaten sich in Syrien auf den Abzug vorbereiten. Was von den Truppen tatsächlich bleiben wird, ist unklar. Es wird jedoch nicht schwer sein, bald festzustellen, ob die Ankündigung ernst gemeint ist. Ihren Marinestützpunkt im syrischen Tartus werden die Russen sicher behalten, und auch ihren neuen Luftwaffenstützpunkt in Latakia werden sie nicht aufgeben.

Was waren Russlands Ziele in Syrien?

Das Assad-Regime ist ein langjähriger Partner Russlands, sowohl wirtschaftlich als auch politisch. Ein Sturz der Regierung ist deshalb nicht im Interesse Moskaus. Der militärische Einsatz wurde von Russland mit dem Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat gerechtfertigt, aber auch damit, dass ein Teil der übrigen Aufständischen einen islamischen syrischen Staat errichten wollte. Einige große Rebellengruppen werden von Moskau als Terroristen bezeichnet. Nicht islamistisch motivierte Kämpfer sind jedoch zahlenmäßig immer noch die stärkste Gruppe unter den Aufständischen.

Russland sieht in dem derzeitigen Regime einen Machtfaktor im Ringen um die Hegemonie in der Region zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien, der sunnitischen Türkei und dem schiitischen Iran. Saudi-Arabien und die Türkei unterstützen islamistische Aufständische in Syrien. "Mit der Militäroperation wollte man sicherstellen, dass in Damaskus kein radikal-sunnitisches Regime an die Macht kommt", sagt Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck der SZ. "Davon würde sich Russland auch negative Auswirkungen auf seine Sicherheitslage im Nordkaukasus erwarten."

Der militärische Einsatz in Syrien hatte also das Ziel, Assad erst einmal zu stärken, während Aufständische und der Westen ihn gestürzt sehen wollen. Die russischen Angriffe begannen in einer Phase, in der die Regierungstruppen sich in Teilen des Landes auf dem Rückzug befanden. Die Unterstützung durch Moskau hat das Band mit dem Diktator verstärkt. Zugleich hat Russland so seine Möglichkeiten verbessert, selbst Einfluss auf das Regime zu nehmen. Als Macht, die Assad schützt, kann Moskau versuchen, den Diktator zu Verhandlungen mit der Opposition zu bewegen.

Außerdem wollte Russland die eigene Bedeutung neben den USA, den Europäern, den arabischen Staaten, der Türkei und Iran in den internationalen Gesprächen über die Zukunft des Landes vergrößern. Ohne die Großmacht Russland und gegen russische Interessen, so die Botschaft, wird es keine Lösung des Krieges geben. Darüber hinaus wollte Russland deutlich machen, dass es mit seinen modernisierten Streitkräften in der Lage ist, auch in entfernteren Regionen mitzumischen.

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:Syrien: Wie bewerten Sie den Abzug der russischen Truppen?

Die Friedensgespräche haben eben erst begonnen, der Waffenstillstand ist fragil, und dennoch hat Wladimir Putin am Montag überraschend angeordnet, den "Großteil der russischen Truppen" aus Syrien abzuziehen.

Welche Ziele hat Russland mit seinen Kampfeinsätzen tatsächlich erreicht?

Die Truppen des Assad-Regimes haben mit russischer Unterstützung militärische Erfolge erzielt. Vor dem russischen Eingreifen war die Regierung dagegen besonders in der Küstenregion zunehmend unter Druck geraten. Derzeit muss der Diktator in Damaskus nicht mehr befürchten, von den Aufständischen besiegt zu werden. Das hat seine Verhandlungsposition verbessert.

Der militärische Druck auf die Opposition hat bei dieser wiederum die Bereitschaft erhöht, sich mit Vertretern der Assad-Regierung zu Verhandlungen zu treffen, auch wenn der Präsident bislang keine ernsthafte Bereitschaft zum geforderten Rücktritt signalisiert.

Als jetzt auch wichtiger militärischer Verbündeter Assads konnte Russland aber auch das Regime stärker zu Verhandlungen drängen. Bei den Vorbereitungen der jüngsten Gespräche zwischen Opposition und Regierung in Genf hat Russland so tatsächlich eine wichtige Rolle gespielt.

Warum entscheidet Russland gerade jetzt, Truppen abzuziehen?

In jüngster Zeit ist es in Bezug auf die Friedensverhandlungen zu Differenzen zwischen Moskau und der syrischen Regierung gekommen. "Es wurde deutlich, dass Assad die russische Intervention benutzt, um eine Friedenslösung zu vermeiden", sagt Russlandexperte Gerhard Mangott. "Die Erklärung für den Abzug kann also nur sein, dass Russland auf eine politische Lösung setzt. Die kommt aber nur zustande, wenn Assad sich am Verhandlungstisch kooperativ zeigt. Der angekündigte Teilabzug ist zunächst einmal ein Signal an Assad, seine Position zu verändern."

Vermutlich, so sagte auch Andrew J. Tabler vom Washington Institute for Near East Policy der New York Times, soll die Entscheidung der Russen "die militärische Bürde zurück auf Assads Schultern legen, um dessen Position in den Verhandlungen abzumildern".

Wie Mangott sagt, will Russland offenbar, dass Assad akzeptiert, was die Großmächte in der International Syria Support Group vereinbart haben: eine politische Übergangsregierung innerhalb von sechs Monaten, eine neue Verfassung und Wahlen innerhalb von 18 Monaten.

Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hält die Ankündigung des Truppenabzugs für "ein Signal für Assad, dass spätestens jetzt die Zeit gekommen ist, in Genf seriös zu verhandeln".

Ein weiteres mögliches Motiv ist, dass Putin deutlich machen möchte, dass er tatsächlich gemeinsam mit den Vereinigten Staaten auf eine politische Lösung hinarbeitet.

Ein Grund für den Abzug von Truppen könnte darüber hinaus sein, dass Putin den Einsatz daheim jetzt schon als Erfolg darstellen kann - und dem Land Kosten spart, die eine Fortsetzung der Mission bedeuten würden.

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