Bürger fragen, Kandidaten antworten:Opposition fleißiger als die Regierung

Im Internetwahlkampf auf kandidatenwatch.de beantwortet die bayerische Opposition mehr Wählerfragen als die CSU. Nur Günther Beckstein rettet die Ehre der Union.

Verkehrte Welt im Internet. Die CSU führt alle Umfragen zur Landtagswahl am 28. September an. Doch im Internet liegt sie abgeschlagen hinter der Opposition - zumindest im Antwortverhalten im Online-Portal kandidatenwatch.de, in dem Kandidaten der bayerischen Landtagswahl Wählerfragen beantworten.

Bürger fragen, Kandidaten antworten: Günther Beckstein hat im Internet-Portal kandidatenwatch.de bislang 21 Fragen beantwortet.

Günther Beckstein hat im Internet-Portal kandidatenwatch.de bislang 21 Fragen beantwortet.

(Foto: screenshot: sueddeutsche.de)

Die Antwortquote von Bürgeranfragen hat bei der CSU mit 48 Prozent beantworteter Fragen noch nicht einmal die 50 Prozent-Marke erreicht. SPD, Linke, Grüne und Freie Wähler liegen zwischen 70 und 80 Prozent, die FDP bringt es auf 64 Prozent beantworteter Wählerfragen. Das geht aus einer Pressemitteilung des Online-Portals hervor.

Auch vom angekündigten Kreuzzug gegen die Linkspartei ist zumindest im Internet noch nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil, die CSU zeigt sich eher handzahm. So relativierte Ministerpräsident Beckstein seine Aussage, dass ein anständiger Bayer die CSU wähle.

Er habe die Äußerung gegenüber einem Journalisten mit einem "deutlichen Augenzwinkern" gemacht. "Als moralisches Werturteil waren meine Worte nicht gedacht", schrieb Beckstein auf kandidatenwatch.de.

Am meisten Fragen für Beckstein

Persönlich übertrifft Beckstein mit 62,5 Prozent beantworteten Fragen die Antwortquote seiner Partei. Er ist im gesamten Portal der Politiker mit den meisten Anfragen. Bislang wurden 34 Fragen gestellt, von denen er 21 beantwortet hat.

Die Interessen der Bürger sind dabei vielfältig. So sorgt sich Michael Hausmann um seinen Sohn, der unter enormen Druck steht, weil dieser es nach der vierten Klasse auf ein Gymnasium schaffen soll. Könne man diesen Übergang nicht um einige Jahre verschieben, damit die Kinder entlastet werden, will der besorgte Vater nun von Beckstein wissen.

Erwin Huber (der betont, nicht mit dem Huber aus der CSU verwandt zu sein), hat ein weniger persönliches Anliegen. Er listet Argumente gegen die Privatisierung der Deutschen Bahn auf und wendet sich dann an Beckstein: "Bitte erklären Sie mir, warum die CSU diesen volkswirtschaftlichen, betriebswirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Widersinn mit betrieben hat." Beckstein antwortet mit einer langen Gegenargumentation, die so auch in einem Wahlprogramm des Politikers stehen könnte.

Ministerpräsident Beckstein liegt mit der Beantwortungsquote seiner Fragen im Mittelfeld der Spitzenkandidaten. Übertroffen wird er von Fritz Schmalbauer (Linke) und Bernhard Suttner (ödp), die alle eingegangen Fragen beantwortet haben, sowie von Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Martin Zeil (FDP). Beckstein liegt aber noch vor Sepp Daxenberger (Grüne) und Franz Maget (SPD), der nur 46 Prozent der Fragen beantwortet hat.

"Polemische Formulierungen"

Ähnlich wie bei Beckstein könnten auch einige von Magets Anworten auf die Anliegen der Bürger einer Parteibroschüre entnommen sein: "Vermeiden, verwerten, sicher entsorgen. In dieser Reihenfolge wollen wir mit Müll umgehen", antwortet er auf eine Frage zu verschiedenen Recycling-Verfahren.

Persönlicher wird es jedoch, als ein Fragensteller die SPD selbst angreift: "Ich möchte von Ihnen wissen, wie die bayerische SPD denn überhaupt noch als 'Partei der sozialen Gerechtigkeit' erscheinen will".

Magets Antwort ist nicht weniger deutlich: "Aus Ihren polemisch formulierten Formulierungen, die allesamt von der Linkspartei stammen könnten, entnehme ich, dass Sie sich bisher wenig mit der sozialdemokratischen Politik der Bayern-SPD beschäftigt haben."

Kaum Antworten von Gabriele Pauli

Seit dem Start von kandidatenwatch.de am 07.08.2008 ist die Seite mehr als 295.000 Mal aufgerufen worden. Dabei wurden bis dato 1344 Fragen gestellt, von denen 892 beantwortet wurden. Dies entspricht einer Antwortquote von 66 Prozent.

Weit unter diesem Wert liegt die Quote der ehemaligen CSU-Politikerin Gabriele Pauli, die in diesem Jahr für die Freien Wähler antritt. Sie hat bislang eine einzige Antwort verfasst, in der sie klarstellt, dass von ihr auch nicht viel mehr zu erwarten sei: "Leider ist es mir nicht möglich, die Vielzahl von Fragen persönlich zu beantworten, da nur Mandatsträgern ein eigenes Büro für Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung steht!". Sie lädt die Wähler stattdessen auf eine ihrer Veranstaltung ein und lässt die restlichen acht Fragen unbeantwortet im Raum stehen.

Die User von kandidatenwatch.de haben dafür kein Verständnis: "Warum lassen Sie sich überhaupt als Kandidatin für die Landtagswahl nominieren, wenn Ihnen der Wähler völlig egal ist, wie Sie hier deutlich zum Ausdruck gebracht haben?" und "Mit Verlaub, diese Begründung kann mich in keinster Weise überzeugen und lässt mich an Ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln", ist auf kandidatenwatch.de zu lesen.

Großes Interesse für Verkehr und Rauchverbot

Die meisten Bürgeranfragen wurden bislang zu den Themen Verkehr, Stadtentwicklung und Infrastruktur gestellt (hier gab es 224 Fragen und bislang 144 Antworten), gefolgt von Fragen zu den Themen Bürgerbeteiligung und Bürgergesellschaft (zu diesem Thema wurden 130 Fragen gestellt) und Bildung (Dieser Bereich brachte es auf 121 Fragen). Gefragteste Einzelthemen sind die geplanten Flughafenerweiterungen in München und Oberpfaffenhofen sowie das bayerische Rauchverbot.

Auf kandidatenwatch.de können noch bis zur Landtagwahl am 28. September 2008 sämtliche Stimmkreiskandidaten online einsehbar befragt werden. kandidatenwatch.de ist eine überparteiliche und institutionell unabhängige Internetplattform und wird in Kooperation mit Mehr Demokratie e.V. - Landesverband Bayern angeboten. Über das Mutterportal abgeordnetenwatch.de können alle 612 Bundestagsabgeordnete sowie die 99 deutschen EU-Abgeordneten befragt werden.

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