US-Präsident in Afrika:Warum Obama Kenia braucht

Barack Obama Kenia

Heimkehr des verlorenen Sohnes: Präsident Barack Obama auf einem Graffito in Kenias Hauptstadt Nairobi.

(Foto: AFP)
  • Anders als bei seinem Afrika-Besuch vor zwei Jahren wird US-Präsident Obama dieses Mal auch in der kenianischen Hauptstadt Nairobi erwartet.
  • Grund für den Boykott war, dass gegen den aktuellen Präsident Kenias, Uhuru Kenyatta, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermittelt wurde.
  • Er soll zum Jahreswechsel 2007/2008 zu ethnischen Unruhen angestiftet haben, bei denen Tausende Menschen ums Leben kamen.
  • Nun nähern sich die Länder wieder an. Kenia gilt als einer der wichtigsten Verbündeten der USA im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus in Ostafrika.

Von Tobias Zick

Nairobi wird sich dem US-Präsidenten ungewohnt aufgeräumt zeigen. Die Straße vom Flughafen in die Innenstadt wurde von den gröbsten Schlaglöchern befreit, das Stau-Chaos ist in Nebenstraßen abgedrängt, Straßenkinder und Bettler hat die Polizei bereits Tage im Voraus aufgesammelt und außer Sichtweite kaserniert. Mehr als 400 000 Euro hat die Stadtverwaltung für die Oberflächenpolitur entlang der Reiseroute des Staatsgastes ausgegeben. Sogar neu gepflasterte Bürgersteige wird Barack Obama an diesem Freitag zu sehen bekommen, dort wo Fußgänger bisher halsbrecherisch am tosenden Verkehr vorbei durch Staub und Matsch balancieren mussten. Die Botschaft ist klar: Kenia, ein blitzsauberer und aufgeräumter Partner für die Weltmacht.

Der Aufwand, den die Regierung des ostafrikanischen Landes für den Staatsbesuch von Barack Obama betreibt, steht in geradezu atemraubendem Kontrast zu dem Klima, das zwischen den beiden Ländern in den vergangenen zwei Jahren geherrscht hat. Bei seiner bisher letzten Reise durch Afrika südlich der Sahara vor zwei Jahren hat Obama Kenia demonstrativ geschnitten - ausgerechnet das Heimatland seiner Vorfahren, zugleich einer der wichtigsten Verbündeten der USA im Kampf gegen islamistischen Terror. Ein Besuch des kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta aber, das wäre zu viel an realpolitischem Pragmatismus gewesen.

Kenias Präsident galt unter westlichen Diplomaten als Paria

Schließlich galt Kenyatta zu dem Zeitpunkt unter westlichen Diplomaten als eine Art Paria: Der Internationale Strafgerichtshof ermittelte gegen ihn wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Um die Jahreswende 2007/2008 soll er ethnische Unruhen mitangestiftet haben, bei denen mehr als tausend Menschen getötet und Hunderttausende vertrieben wurden. Bevor Kenyatta 2013 zur Präsidentschaftswahl antrat, warnte der damalige Afrika-Beauftragte der US-Regierung die Kenianer unverblümt davor, einen international gesuchten, mutmaßlichen Großverbrecher zu ihrem Staatschef zu wählen: "Entscheidungen haben Konsequenzen."

Die Tatsache, dass Kenyatta dann tatsächlich die Wahl - wenn auch mit hauchdünnem Vorsprung - gewann, führen viele Beobachter auf eine Trotzreaktion vieler Kenianer zurück; einen kollektiven Widerstand gegen die vermeintliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines seit fünf Jahrzehnten unabhängigen Landes.

Kenyatta, frisch gewählt und weiterhin in Den Haag angeklagt, befeuerte diese Lesart nach Kräften, auch mit Hilfe britischer PR-Profis: er, der unerschrockene Verteidiger eines souveränen Kenia gegen das "Diktat des Westens" - und der Internationale Strafgerichtshof ein politisch missbrauchtes Instrument der Amerikaner und Europäer, um die ehemaligen Kolonien erneut zu knechten. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die in Kenia die verheerende Korruption anprangern, waren demnach nichts anderes als Handlanger der Opposition, die seine Regierung untergraben wollen.

Im Dezember 2014 platzte der Knoten

Während er selbst solche Botschaften verbreitete oder verbreiten ließ, wandte sich Kenyatta, wie auch andere afrikanische Staatschefs, demonstrativ den Chinesen zu, die mit gewaltigen Investitionen und Krediten den Afrikanern eine immer attraktivere Alternative zur Zusammenarbeit mit dem Westen bieten.

Dann jedoch platzte im Dezember 2014 der Knoten: Der Internationale Strafgerichtshof stellte das Verfahren gegen Kenyatta ein - aus Mangel an Beweisen und, wie die Chefanklägerin Fatou Bensouda beklagte, nach "beispielloser Einflussnahme auf Zeugen". Das Haupthindernis für einen Besuch Obamas fiel damit zumindest formal weg. Dass gegen Kenias Vizepräsident William Ruto wegen ähnlicher Vorwürfe noch immer ein Verfahren in Den Haag läuft - nur noch ein lästiges Detail am Rande.

Zwar seien die Beziehungen zwischen den USA und Afrika "manchmal von Unverständnis, manchmal auch von Misstrauen" geprägt gewesen, räumte Obama vor seiner Abreise ein. "Alle Studien" belegten aber eines unzweideutig: "Die Menschen Afrikas lieben die Vereinigten Staaten und das, was sie repräsentieren." Er wolle nun die Beziehungen seines Landes zu Afrika in "eine neue Dimension führen".

Uhuru Kenyatta verkündete seinerseits: "Nichts verbindet unsere beiden Länder stärker als unsere gemeinsamen Werte." Und all jene, die "Zweifel an der Stärke der Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern geäußert haben, sollten ihre Annahmen noch einmal überprüfen". Gemessen an dieser Rhetorik, steht einer überaus harmonischen "Heimkehr" Obamas (so Kenyatta) also rein gar nichts im Wege.

"Afrika braucht keine starken Männer, sondern starke Institutionen."

Offizieller Anlass für den Besuch ist zwar ein internationaler Gründerkongress, doch in den anschließenden bilateralen Gesprächen dürfte es in erster Linie um das Thema Sicherheit gehen. Kenia ist für die Amerikaner ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen islamistische Extremisten, die vom benachbarten Somalia aus die gesamte Region bedrohen - seit dem Einmarsch kenianischer Truppen in Somalia 2011 ist Kenia selbst immer häufiger Schauplatz terroristischer Massaker. Im April erst brachten Mitglieder der islamistischen Al-Shabaab-Miliz an einer Universität nahe der somalischen Grenze mindestens 148 Menschen um.

Menschenrechtler dringen darauf, dass Obama seinen kenianischen Kollegen auf die Übergriffe der Sicherheitskräfte anspricht. Der von den USA mitfinanzierten und -ausgebildeten kenianischen Anti-Terror-Polizei werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, bis hin zur Ermordung radikaler Prediger.

Der diplomatische Drahtseilakt in Kenia wird für den US-Präsidenten indes allenfalls eine Aufwärmübung für die nächste Etappe seiner Reise sein. Am Sonntag reist er ins benachbarte Äthiopien, einen mindestens ebenso wichtigen Verbündeten im Kampf gegen den islamistischen Extremismus - mit einem im Vergleich zu Kenia deutlich repressiveren Regime. Kritiker erinnern Obama gern an seine Worte, die er bei seiner ersten Afrika-Reise 2009 vor dem Parlament der Vorzeige-Demokratie Ghana gesprochen hatte. Die USA müssten auf dem Kontinent "nachhaltig" demokratische Regierungen unterstützen, sagte er damals: "Afrika braucht keine starken Männer, sondern starke Institutionen."

Linktipp: Besuch bei Oma Obama - eine Reportage des SZ Magazin

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: