Buch von Familienministerin Schröder:Danke, dass die Lage schlecht ist, wissen wir selber

Kristina Schröder schildert in ihrem Buch "Danke, emanzipiert sind wir selber!" präzise die gesellschaftlichen Strukturen, die alle theoretische Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern in der Realität behindern. Doch gerade nach Lektüre dieser treffenden Zustandsbeschreibung wird ihr politisches Versagen umso offensichtlicher: Warum tut sie als zuständige Ministerin nichts dafür, dass sich an den Strukturen etwas ändert?

Corinna Nohn

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder hat ein Buch geschrieben. Der Titel stellt klar, dass es ein Buch für Frauen sein soll: "Danke, emanzipiert sind wir selber! Abschied vom Diktat der Rollenbilder".

Kristina Schröder

Familienministerin Kristina Schröder hat ein Buch über Rollenbilder geschrieben. Konsequenzen aus ihrer Analyse will sie aber nicht ziehen.

(Foto: dpa)

Nun ist es für Frauen grundsätzlich schon spannend zu erfahren, was die für Frauen zuständige Ministerin, 34 Jahre alt, selbst Mutter und Ehefrau, zu Lebensentwürfen und Rollenbildern zu sagen hat. Zumal das Buch aus Schröders Perspektive verfasst wurde, also aus Sicht der ersten Ministerin, die während ihrer Amtszeit ein Kind bekommen hat. Eine Frau also, die aus Medienanfragen, aber auch persönlichen Briefen völlig unbekannter Bürger sehr genau weiß, welche Erwartungen eine Frau Anfang 30 treffen und, ja, belasten können. Schröders Co-Autorin ist ihre enge Mitarbeiterin Caroline Waldeck, die gleich alt und alleinerziehende Mutter ist.

Geschrieben haben die beiden das Buch, so heißt es im Vorwort, weil "wir die Rechthaberei derjenigen Leid sind, die sich als Fortgeschrittene auf ihrem persönlichen Pfad der Erkenntnis im Besitz allgemeinverbindlicher Wahrheiten wähnen". Also eine Antwort auf all jene Alice Schwarzers und Eva Hermans, die der Familienministerin offenbar schwer auf die Nerven gehen. Das Werk beginnt beim Feminismus als Weltanschauung und gelangt über die praktische Arbeitsteilung in Küche und Waschkeller zu Kinderbetreuung und Frauenförderung in Dax-Konzernen. Na denn!

Eines vorweg: Kristina Schröder und Caroline Waldeck analysieren den Status Quo treffend. Sie wissen um die Klischees, die nach wie vor in den Köpfen vorherrschen und alle theoretische Chancengleichheit in der Realität behindern: "Frauen, die nach der Geburt ihres Kindes beruflich kürzertreten, entsprechen der Norm. Männer, die nach der Geburt ihres Kindes beruflich kürzertreten, verstoßen gegen die Norm."

Die Autorinnen lassen keine noch so popelige Studie aus

Schröder und Waldeck haben jedes Buch der vergangenen Jahre eingearbeitet, angefangen von Alice Schwarzers Werken über Iris Radischs Schule für Frauen und Alphamädchen von Meredith Haaf, Susanne Klingner, Barbara Streidl, bis hin zu Bascha Mikas Die Feigheit der Frauen und, und, und. Keine noch so popelige Feminismusdebatte, Gehalts-, Zufriedenheits- oder Demographiestudie haben sie ausgespart.

Es geht um Gehaltsunterschiede und Vorbehalte, die junge Eltern in der Arbeitswelt ausbremsen; um Probleme von Paaren, sich Zeit für die Kinder und füreinander zu nehmen; um Ängste von Müttern, ihre Kinder den ganzen Tag von anderen betreuen zu lassen.

Warum nur reden und nichts tun?

Das Buch ist lebensnah, auch weil die Ministerin hie und da ein paar persönliche Einblicke gibt - zum Beispiel, wie sie sich damals innerhalb einer Stunde für oder gegen die Annahme des Ministerjobs entscheiden musste und erst mal zu ihrem Mann Ole ins Innenministerium fuhr. Mit ihm habe sie die Entscheidung getroffen: Ja sagen zur großen beruflichen Chance, aber ohne Kompromisse bei der Familienplanung.

Das Buch mag für die Anhänger von Küchenschürze respektive Hosenanzug eine Kritik darstellen. All jene, die zwischen diesen beiden Extrempositionen rangieren, also die überwiegende Mehrheit der Frauen, Mütter, Väter, Männer, lässt das Buch ratlos zurück - wenn sie das Buch nicht nach Lektüre des Vorworts vor Ärger an die Wand werfen.

Von der ersten Seite an stellt sich nämlich eine Frage, die bis zum Schluss nicht beantwortet wird: Warum schildert die für Frauen zuständige Ministerin eingängig, dass und warum es noch keine Chancengleichheit gibt - um dann nichts dagegen zu tun?

Wer bisher dachte, Kristina Schröder agiere so unentschlossen - Kita-Ausbau hier, Betreuungsgeld dort, Flexi- statt fester Frauenquote -, weil sie der Meinung sei, Frauen hätten schon die Freiheit, ein Rollenbild zu wählen, der liegt falsch. Denn Schröder gibt in ihrem Buch zu, dass Männer und Frauen von Wahlfreiheit noch weit entfernt sind.

Sie sieht den Ursprung dieser Ungleichheit allerdings nicht in den gesellschaftlichen Strukturen, an denen Politiker (also am besten sie selbst, als zuständige Ministerin) etwas ändern könnten. Nein, die Wirkung von Ehegattensplitting oder anderen familienpolitischen Leistungen, die die Ehe mit traditioneller Rollenverteilung besserstellen als andere Familienformen, werde überschätzt. Das Problem seien die "Rollenleitbildfanatiker", die junge Frauen in eine Ecke, eben Heimchen oder Karrierefrau, drängen wollen.

Aber sie macht es sich zu einfach, wenn die Lösung heißt: "Statt weiter darüber zu diskutieren, wie wir leben sollen, wäre es deshalb sinnvoller, darüber zu reden, wie wir leben wollen." Warum nur reden, warum nichts tun? Warum schildert sie Probleme, ohne Lösungen vorzuschlagen?

In einer Passage geht es zum Beispiel um einen Vater, der zwei Monate Elternzeit genommen hat - und dann von seinem Arbeitgeber gekündigt wurde. Kristina Schröder lässt sich darüber aus, wie schön es ist, dass der Mann, ganz anders als sein Vater, für das Kind da sein wollte. Und was ist mit der Kündigung? Sollte so etwas nicht unmöglich sein? Sollte die Familienministerin, die doch auch für die Väter da ist, nicht nur lediglich dafür plädieren, dass Angestellte mit Familie wertgeschätzt werden, sondern auch Druck ausüben?

Analyse tadellos - Transferleistung mangelhaft

Gleiches gilt für jene Zeilen, wo es darum geht, dass junge Frauen und Männer Jobs suchen, die Freude machen und sie fordern - die aber auch ins Leben passen, anstatt es zu diktieren. Oder die Analyse der Gründe, warum Kinderbetreuung ausgebaut werden muss, dass Frauen und Männer eben keine Kinder in die Welt setzen möchten, um sie dann den ganzen Tag fremdbetreuen zu lassen und sich der Karriere zu widmen.

Man liest das und denkt: Analyse tadellos, Transferleistung mangelhaft.

Kristina Schröder belässt es bei Empfehlungen, Wunschträumen, Anregungen. Als ob junge Frauen nicht schon wüssten, dass "wir eine familienfreundliche Arbeitswelt" brauchen, "in der es selbstverständlich ist, dass Frauen und Männer für ihre Familie da sein können, ohne dafür mit dem dauerhaften Verzicht auf berufliche Entwicklungsmöglichkeiten zu bezahlen".

Als ob die Frauen nicht wüssten, dass "die Zukunft der Familie [... ] nicht von zu viel Freiheit, sondern von zu wenig Freiheit bedroht" wird. Als ob sie sich nicht wünschten, "die Ursachen anzugehen" für den geringen Frauenanteil an Führungspositionen und den damit verbundenen Einkommensunterschieden zwischen den Geschlechtern. Und, ganz richtig: "Zu diesen Ursachen gehört vor allem eine Arbeits- und Unternehmenskultur, in der familiäre Aufgaben als Handicap gelten und in der diejenigen am erfolgreichsten sind, die familiäre Verantwortung weitestmöglich an andere - und das heißt meist: an die Lebenspartnerin - delegieren können."

Als ob nicht allen jungen Frauen und auch den meisten ihrer Partner längst klar wäre, dass der Kulturwandel das Ziel ist! Aber den von unten zu betreiben, ist eben eine verdammt mühselige, langwierige Angelegenheit. Helfen würde konkrete Unterstützung - am besten von der zuständigen Familienministerin.

Und wie sieht Kristina Schröders Unterstützung aus? Will sie eine Frauenquote, damit mehr Frauen in Führungspositionen gelangen und sich darum kümmern, dass Teilzeitarbeit mehr Wertschätzung erfährt? Eine Reform von Steuer- und Sozialpolitik, damit nicht weiterhin die Familie mit alleinverdienendem Ehemann am besten gefördert wird? Endlich jene versprochenen, aber aus Kostengründen erst mal wieder abgesagten zusätzlichen Vätermonate beim Elterngeld, damit Männer bessere Argumente haben, wenn sie bei ihrem Chef um eine Babypause bitten?

Fehlanzeige. Kristina Schröder schreibt: "Hören wir auf, darüber zu streiten, wie Menschen leben sollen. Fangen wir an, darüber zu reden, wie wir leben wollen - als Partner, als Eltern, als Berufstätige. Das ist der Ausgangspunkt moderner Gesellschaftspolitik."

Ist das alles? Dann: Nein, danke.

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