Buch über Obamas Kriege:"Das kann nicht funktionieren"

Reporter-Legende Bob Woodward beschreibt in seinem neuen Buch "Obamas Kriege" die Intrigen zwischen den Sicherheitsexperten der US-Regierung. Selbst enge Berater glauben nicht an Obamas Strategie.

M. C. Schulte von Drach

Bob Woodward ist dicht dran an den Mächtigen in Washington - so dicht, dass man sich fragt, ob er zu manchen vertraulichen Gesprächen eigentlich persönlich eingeladen war. So dicht, dass er sich von der Kriegsbegeisterung im Kabinett von George W. Bush hatte mitreißen lassen und sich erst spät enttäuscht über die Führungsqualitäten dieses US-Präsidenten geäußert hat.

Barack Obama

US-Präsident Barack Obama auf der Bagram Air Base in Afghanistan im März 2010. Seine Pläne für den weiteren Einsatz der US-Armee in dem Land musste Obama gegen heftige Widerstände durchsetzen.

(Foto: AP)

Sein neues Buch beschäftigt sich nun mit dessen Nachfolger Barack Obama. Und wenn Woodward über Obamas Kriege (so der Buchtitel) schreibt, dann bezieht er sich damit genauso sehr auf die Konflikte zwischen den Sicherheitsexperten der Regierung, den Generälen und dem Präsidenten wie auf den Konflikt in Afghanistan, berichten Washington Post und New York Times, denen das am Montag erscheinende Werk bereits vorliegt, über den brisanten Inhalt.

Woodward ist einer der bekanntesten Journalisten der USA. Zusammen mit Carl Bernstein enthüllte er einst den Watergate-Skandal. Das öffnet viele Türen, und so hat der Journalist mit etlichen Mitarbeitern der Regierung und dem Präsidenten selbst gesprochen und Zugang zu Informationen über geheime Gespräche erhalten. Demnach haben Zwietracht, Misstrauen und interne Machtkämpfe die Arbeit der Mitglieder der Regierung behindert, die sich mit Fragen der nationalen Sicherheit beschäftigen - also Militärs, Sicherheitsberater, Außen- und Verteidigungsminister und Obama selbst.

Zwar sind die Auseinandersetzungen bereits länger bekannt. Doch Woodward nennt Details, die offenbaren, dass der Kampf innerhalb des Beraterkreises (National Security Team) um die Richtung, Ziele, Zeitpläne, Truppengrößen und die Einschätzung möglicher Erfolge noch erheblich heftiger ist als bislang angenommen. So bezeichnete zum Beispiel der Nationale Sicherheitsberater James L. Jones insgeheim die Politikberater Obamas als "Politbüro" und "Mafia" und Vizepräsident Joe Biden nennt Richard C. Holbrooke, Sonderbeauftragter für Afghanistan und Pakistan, schlicht den "egoistischsten Bastard, den ich je getroffen habe".

So habe Obama immer wieder Druck auf seine Militärberater ausgeübt, um einen Abzugsplan für Afghanistan zu bekommen - vergeblich, wie Woodward anhand von Dokumenten und Notizen zu geheimen Treffen aufzeigt. Vorschläge der Militärs beinhalteten eine deutliche Erhöhung der Truppenstärke um 40.000 Soldaten - auf nicht absehbare Zeit. Doch "zehn Jahre sind nicht drin", erklärte Obama Woodward zufolge Verteidigungsminister Robert Gates und Außenministerin Hillary Clinton. "Ich mache keinen langfristigen Aufbau des Landes. Ich gebe keine Billionen aus."

Sieg und Niederlage - keine Kategorien für Obama

In einem Interview mit Woodward erklärte Obama, er denke über den Krieg in Afghanistan nicht in den klassischen Begriffen von Sieg oder Niederlage, sondern frage eher, ob man mit Erfolg eine Strategie betreibt, die dazu führt, ob das Land am Ende stärker oder schwächer sein wird.

Der US-Präsident sah sich laut Woodward schließlich gezwungen, eine eigene Strategie aufzustellen, eine Strategie, die auf ein sechsseitiges Papier passt, das der Journalist in sein Buch aufgenommen hat: Nur noch eine kurzzeitige Ausweitung des Engagements der Amerikaner in Afghanistan mit Hilfe von 30.000 zusätzlichen Soldaten solle letztlich den Abzug vorbereiten.

In einer "dramatischen Szene im Weißen Haus" im November 2009 habe Obama seine Experten und Berater in Fragen der nationalen Sicherheit versammelt und sein Papier verteilt. Jeden Einzelnen forderte der Präsident Woodward zufolge auf, "jetzt" Einwände zu erheben, so die Washington Post.

Doch selbst nachdem Obama klargestellt hatte, was er will, versuchte man im Pentagon die Entscheidung durch ständige Nachfragen ans Weiße Haus aufzuweichen. Zusammen mit General Stanley McChrystal, zu der Zeit der oberste Militärkommandeur in Afghanistan, versuchten sie eine Aufstockung um 40.000 Soldaten durchzudrücken als Teil der Bekämpfung von Aufständischen. Ein ähnliches Vorgehen hatte General Petraeus für den Irak entwickelt.

Die psychischen Probleme von Hamid Karsai

"Ich bin damit fertig", habe Obama verärgert festgestellt. "2010 werden wir nicht mehr darüber sprechen, wie mehr getan werden kann", habe Obama seinen Militärs an den Kopf geworfen, so Woodward. "Ich will nicht hören: Wir machen unsere Sache gut, Mr. Präsident, aber es ginge besser, wenn wir mehr tun würden."

Besonders pikant: Nicht einmal Obamas Afghanistan-Beauftragter Holbrooke glaubt an den Erfolg der Strategie. Woodward zitiert ihn mit den Worten: "Das kann nicht funktionieren." Auch Petraeus, so zitiert die Post aus Woodwards Buch, betrachte Obamas Verhalten als Zurückweisung. Man könne den Krieg nicht gewinnen, erklärte Petraeus dem Journalisten eigenen Aussagen zufolge. "Es ist tatsächlich ein wenig wie Irak ... Es gibt natürlich enorme Fortschritte im Irak. Aber es finden dort noch immer furchtbare Angriffe statt und wir müssen wachsam sein. Wir müssen dran bleiben. Das ist die Art von Kampf, den wir für den Rest unseres Lebens führen müssen - und unsere Kinder wahrscheinlich ebenfalls."

Und natürlich hat auch Petraeus große Vorbehalte gegen enge Mitarbeiter Obamas. Mit dessen ranghöchstem Berater, David Axelrod, spreche er nicht gerne, weil er ihn für einen "totalen PR-Mann" ("Spin Doctor") halte.

Psychische Probleme bei Afghanistans Präsident Karsai

Die Strategie der Amerikaner in Afghanistan hängt ab vom Verhalten der Afghanen - doch deren Präsident, so berichtet Woodward, leide an einer bipolaren (manisch-depressiven) Störung und nehme dem US-Botschafter Eikenberry nach seine Medikamente nicht immer.

Und Mike McConnell, oberster Geheimdienstkoordinator, erklärte Obama angeblich, Afghanistans Nachbar Pakistan sei ein unzuverlässiger Partner, der Teile seines Geheimdienstes nicht daran hindern kann oder will, die afghanischen Taliban zu unterstützen.

"Wir müssen den Leuten klarmachen, dass der Krebs Pakistan befallen hat", zitiert die Reporterlegende den US-Präsidenten. Man müsse verhindern, dass sich der Krebs nach Afghanistan ausbreitet. Helfen soll dabei Woodward zufolge eine von der CIA kontrollierte geheime paramilitärische Truppe von 3000 Afghanen, gutausgebildete Elite-Einheiten, die heimlich in Pakistan gegen Kämpfer der al-Qaida und der Taliban vorgehen.

Während das Buch offenbar kein gutes Licht auf die Zusammenarbeit der Mitglieder im National Security Team wirft, "beschreibt es einen professionellen Präsidenten, der seinen Beratern Hausaufgaben aufgab und sich wehrte gegen Versuche der Militärs, ihn zu einer Entscheidung zu zwingen, mit der er sich nicht wohl fühlte", schreibt die New York Times. So kritisch und investigativ Woodwards Buch also zu sein scheint - dramatische Neuigkeiten über die US-Regierung scheint er nicht zu bieten. Und Obama selbst dürfte wenig Grund haben, sich zu beschweren.

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