Buch über die CDU:Konservatives Kauderwelsch

Bei der Vorstellung des Buches "Die letzte Volkspartei" über die CDU versucht Volker Kauder seine Haltung zu erklären - und überrascht: Die CDU sei gar keine konservative Partei.

Thorsten Denkler

Volker Kauder kneift die Augen mehrfach zusammen und verzieht seine Nase so weit nach rechts, dass zartbesaitete Zeitgenossen Angst um das gute Stück bekommen können.

Buch über die CDU: Volker Kauder:

Volker Kauder:

(Foto: Foto: dpa)

Er sitzt wie unter Strom neben der Welt-Autorin Mariam Lau und Familienministerin Ursula von der Leyen, der Oberkörper so weit nach vorne gebeugt, dass er die Stuhllehne nicht berührt, die rechte Faust aufs recht Knie gestützt. Angriffslustig wirkt das. Es muss am Thema liegen.

Mariam Lau hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: "Die letzte Volkspartei - Angela Merkel und die Modernisierung der CDU". Darin kommen die Konservativen der Partei nicht allzu gut weg. Die Autorin wirft Kauder vor in manchen Fragen eine laue Haltung vor.

Ein Konservativer kann das nicht auf sich sitzen lassen. Schon Modernisierung ist so ein Begriff, mit dem viele aus dem hart konservativen Lager der CDU nicht viel anzufangen wissen. Er hat nämlich viel zu tun mit neuer Familienpolitik und gesellschaftlicher Öffnung auch gegenüber Zuwanderern.

CDU-Fraktionschef Kauder wird gerne diesem harten Flügel zugeordnet. Von der Leyen steht für die Seite der Modernisierer. Doch zunächst schien es fast, als würde kein Blatt zwischen die beiden Politiker passen. Kauder sagt, er habe immer zu von der Leyen gestanden und den Dialog mit den Muslimen habe er entscheidend vorangetrieben.

Modernisierung wiederum sei ja auch nicht automatisch links, referiert von der Leyen. Andererseits helfe eine konservative Haltung nicht weiter, wenn sich daraus keine konkreten Schritte ableiten ließen.

Bestes Beispiel dafür: natürlich sie selbst. Das Elterngeld als realpolitische Umsetzung des Gedankens, dass sich Männer stärker an der Erziehung ihrer Kinder beteiligen sollten. Seitensperrung als realpolitische Umsetzung des Gedankens, gegen Kinderpornographie im Internet zu sein. Das sei "konservative Politik", sagt von der Leyen.

Kauder dagegen überrascht mit einer nahezu gegenteiligen These. Er wolle jetzt mal aufräumen mit einem alten Missverständnis, sagt er und kneift wieder angriffslustig seine Augen zusammen. Die CDU, sagt er, "ist keine konservative Partei". Kurzes Aufmerken im Publikum in der Commerzbank-Repräsentanz am Pariser Platz, direkt neben dem Brandenburger Tor. In der CDU versammelten sich christliche Demokraten, darunter auch konservative, spricht Kauder weiter. Das sei ein erheblicher Unterschied.

Was er damit meint, wird dann schnell deutlich. Er habe etwa nichts dagegen, "dass Menschen gleichen Geschlechts zusammenleben". Aber Homo-Ehe? Werde er "nicht akzeptieren". Und Adoptionsrecht für Homosexuelle? Da muss er etwas ausholen. "Kinder sind das Ergebnis von Mann und Frau und nicht von Frau und Frau und Mann und Mann", sagt er. Das sorgt für gewisse Erheiterung im Saal. Dass es für die Kindszeugung Mann und Frau bedarf, scheint hier ziemlich unbestritten zu sein. Aber darum geht es Kauder auch gar nicht: Er nämlich werde sich deshalb "immer leidenschaftlich gegen das Adoptionsrecht von Homosexuellen aussprechen". Wie gesagt, das ist nicht konservativ, das ist christlich demokratisch.

Im Übrigen halte er Gotcha-Spiele, bei denen Menschen mit Farbkugelgewehren aufeinander schießen, mit dem Grundsatz christlicher Menschenwürde nicht vereinbar, weil dort das Töten von Menschen simuliert werde. Er schränkt allerdings ein, dass das Spiel deshalb "nicht unbedingt verboten" werden müsse.

Aber auch das sei eben christlich-demokratisch und nicht konservativ und schon gar nicht ideologisch. Das war die CDU vielleicht in einem Punkt, räumt Kauder ein: in der Kindererziehung. Da habe die Partei wohl geprägt, "dass wir eine Männerpartei waren", deshalb sei sie hier "nicht immer auf der Höhe der Zeit" gewesen.

Dabei hat auch Kauder sich massiv für das als Herdprämie verschriene Betreuungsgeld eingesetzt. Mariam Lau hat während ihrer Recherche für das Buch auch interessiert, wie die Betreuungsprämie an der Basis der CDU ankommt. Ihre Erfahrung: "Das interessiert nur Männer über 40 in der CSU, die Sorge haben, dass die Lebensleistung von über 60-jährigen Frauen nicht gewürdigt wird."

Diese über 60-jährigen Frauen hat Mariam Lau auch befragt. Die hat das aber eher nicht interessiert, dafür nämlich hätten sie ihren Töchtern nicht ermöglicht Abitur zu machen, damit sie jetzt Geld fürs Zuhausebleiben bekommen. Vielleicht ist das ja christlich-demokratisch. Und ganz und gar überhaupt nicht konservativ.

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