Brüsseler Reaktionen:Zurück auf Los

Die EU-Kommission ist tief verärgert. Durch das "Nein" der Griechen seien die Dinge noch komplizierter geworden, heißt es in Brüssel. Doch einem Neuanfang in der Schuldenkrise steht noch viel mehr im Weg.

Von Alexander Mühlauer

Eine Woche ist es nun her, da wandte sich Jean-Claude Juncker direkt ans griechische Volk. "Die noblen und arbeitsamen Griechen wollen in der Euro-Zone bleiben", sagte der EU-Kommissionspräsident; und deshalb bitte er sie, mit "Ja" abzustimmen. Ein "Nein" würde hingegen nur Eines bedeuten: "Griechenland sagt ,Nein' zu Europa."

An diesem Montag, dem Tag nach dem deutlichen "Nein", hat Juncker einen seiner Stellvertreter in den Pressesaal der EU-Kommission geschickt. Vor einer Woche, als der Präsident selbst dort auftrat, prangte die griechische Flagge auf dem großen Bildschirm, jetzt steht da nur noch: "Europäische Kommission". Valdis Dombrovskis, der Vize-Präsident, muss erst einmal eines klarstellen: "Der Platz Griechenlands ist und bleibt in Europa." Ob er damit auch die Euro-Zone meint, sagt er nicht. Dafür wiederholt er einen Satz immer wieder: "Das ,Nein'-Votum macht die Dinge noch komplizierter." Und ja, das "Nein" habe den Graben zwischen Griechenland und den Euro-Partnern vertieft.

Das ist sie also, die Botschaft aus Brüssel: Der Graben ist tief, und das Ganze wird noch komplizierter. Was wiederum auch heißt: Die Euro-Partner wollen es den Griechen ganz und gar nicht leicht machen. "Es gibt keinen einfachen Weg aus der Krise. Zu viel Zeit und zu viele Gelegenheiten wurden vergeben", sagt Dombrovskis. Aber klar sei auch: Die Krise in Griechenland könne die finanzielle Stabilität der gesamten Euro-Zone mit 19 Ländern nicht erschüttern. "Es ist sehr deutlich, dass wir die finanzielle Stabilität verteidigen können." Auch dieser Satz ist eine klare Botschaft an die Regierung in Athen, das Ganze nicht zu leicht zu nehmen. Premierminister Alexis Tsipras setzt bei einem möglichen dritten Hilfspaket vor allem auf den Europäischen Rettungsfonds ESM. Dort liegen 500 Milliarden Euro für Regierungen, deren finanzielle Not so groß ist, dass die Euro-Zone insgesamt gefährdet ist. Genau das ist die Voraussetzung dafür, dass der Fonds tätig werden kann, nämlich "wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren". So steht es im Vertrag zum ESM. Doch kann der überhaupt aktiviert werden, wenn die Krise in Griechenland, wie Dombrovskis andeutet, die Stabilität der Euro-Zone gar nicht erschüttert?

Nun liegt es an den Finanzministern der Währungsunion darüber zu entscheiden, ob neue Verhandlungen mit Athen aufgenommen werden sollen. Denn darum geht es jetzt. Das letzte Hilfsprogramm ist am 30. Juni ausgelaufen. Nun heißt es: wieder zurück zum Start. In einer Stellungnahme der Euro-Gruppe zum "Nein" aus Athen steht die Aufforderung, dass man neue Vorschläge von den griechischen Behörden erwarte. Immerhin wissen die Euro-Partner, wer ihnen diese Vorschläge auf keinen Fall überbringen wird: Yanis Varoufakis - er hat am Tag nach dem Referendum seinen Rücktritt bekanntgegeben. Es ist wohl nicht untertrieben zu sagen, dass die Finanzminister darüber sehr erfreut sein dürften. Von Varoufakis' belehrenden Vorlesungen hatten die meisten seiner Kollegen mehr als genug. An diesem Dienstag werden sie sich vor dem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs treffen. Und von ihrer Entscheidung hängt es maßgeblich ab, in welche Richtung die Gipfel-Debatte verlaufen wird.

Zwei Fragen sind es, auf die es jetzt ankommt: die humanitäre und die finanzielle. Bei der Geldfrage verstecken sich die politischen Akteure noch immer hinter der Europäischen Zentralbank (EZB). Ohne die Währungshüter aus Frankfurt wäre die Krise in Griechenland schon längst eine humanitäre Krise geworden. Kein Wunder also, dass sich an diesem Montag in Brüssel auch Kommissionsvize Dombrovskis auf die EZB beruft: Diese habe zugesagt, alles innerhalb ihres Mandats zu tun. Bereits am Vormittag telefonierte Dombrovskis' Chef Juncker mit EZB-Präsident Mario Draghi und Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Von Draghi und Juncker wurde nichts öffentlich bekannt. Dijsselbloem sagte das, was er dem neuen griechischen Finanzminister-Kollegen Euklides Tsakalotos sagen wird: "Auch nach der Volksabstimmung muss es in Griechenland Reformen geben." Und die können kompliziert werden.

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