Brüssel:Partner und Aussteiger

Auf der Tagesordnung des letzten EU-Gipfels in diesem Jahr stehen die Flüchtlingspolitik und das Griechenland-Problem - aber vor allem das Thema Brexit wird breiten Raum bei den Gesprächen einnehmen.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Zu Syrien sagt Angela Merkel erst mal gar nichts. Als die Bundeskanzlerin am Donnerstagmittag in Brüssel ankommt, verliert sie kein Wort über die Situation in Aleppo. Ganz anders als Frankreichs Präsident François Hollande und die britische Premierministerin Theresa May, die Russland scharf verurteilen und einen Waffenstillstand fordern. Die Kanzlerin spricht lieber über Afrika.

"Entwicklung, Sicherheit und Kampf gegen Menschenschmuggel müssen zusammengehen, damit Menschen nicht in Gefahr geraten", erklärt Merkel. Darüber habe sie vormittags mit dem Präsidenten von Niger gesprochen. Der afrikanische Staat ist eines von fünf Ländern, mit denen die EU eine sogenannte Migrationspartnerschaft abgeschlossen hat. Damit sollen der Flüchtlingsstrom nach Europa gebremst und illegal ankommende Migranten zurück in ihr Heimatland geschickt werden. Niger etwa erhält dafür 610 Millionen Euro von der Europäischen Union.

In Sachen Migration setzen sich die Staats- und Regierungschefs ein neues Ziel. Bis Mitte nächsten Jahres wollen sie eine Einigung über die Verteilung von Flüchtlingen in der EU erreichen. Dann soll auch geklärt sein, was unter der angestrebten Solidarität genau gemeint ist. Und man will die Reform des gemeinsamen Asylsystems beschlossen haben. Das Thema Migration ist insgesamt längst nicht mehr so umstritten wie in den vergangenen Monaten. Auch in der Frage der künftigen Verteidigungspolitik herrscht weitgehend Einigkeit. Die EU müsse ihre "Verteidigungsstrukturen straffen", was nicht gegen die Nato, sondern gemeinsam mit der Nato geschehen solle, sagt Merkel. Vor dem Gipfel beantwortet die Kanzlerin keine Fragen der wartenden Journalisten. Weder zu Syrien noch zu einem anderen Thema, das nicht auf der Tagesordnung steht: Griechenland. Bevor Merkel eintrifft, hat Athens Premier Alexis Tsipras bereits seine Sicht der Dinge erklärt. Mal wieder geht es um die Finanzprobleme des Landes, mal wieder gibt es Streit mit den Geldgebern. Tsipras sagt, er glaube daran, dass es einen Verhandlungsdurchbruch geben könne. Dieser sei ohne Erpressungen und mit Respekt für die Souveränität seines Landes erreichbar.

May kommentiert nicht, dass die Austrittsverhandlungen zehn Jahre dauern könnten

Tsipras hatte die Gläubiger vor einer Woche provoziert. Er will Rentner mit 617 Millionen Euro beglücken. Am Donnerstagabend billigt das griechische Parlament die Sonderzahlung. Zudem soll die geplante Mehrwertsteuererhöhung für bestimmte Inseln entfallen. Die Euro-Partner kritisierten das, vor allem die Tatsache, dass die Maßnahmen nicht mit ihnen abgesprochen worden waren. Als Reaktion setzten sie am Mittwoch die bereits beschlossenen Schuldenerleichterungen für das Land aus. Die EU-Häupter wollen die Debatte um Griechenland vermeiden. Hollande stellt deshalb klar: "Griechenland muss in der Euro-Zone bleiben." Er unterstütze ein Entgegenkommen bei den Schulden.

Tsipras wird Merkel an diesem Freitag in Berlin treffen. Es soll vor allem um die Flüchtlingskrise gehen. Aber der Grieche wird es sich nicht nehmen lassen, das Schuldenproblem anzusprechen. Er weiß, dass die noch immer ungelöste Frage einer Beteiligung des Internationalen Währungsfonds am laufenden Kreditprogramm für Merkel innenpolitisch äußerst heikel ist.

In Brüssel steht aber zunächst eine andere Krise auf dem Programm: Brexit. Beim Dinner beraten die 27 EU-Staaten ohne Großbritannien über die weiteren Schritte. Premierministerin May appelliert für "geordnete und reibungslose" Verhandlungen über den EU-Austritt ihres Landes. Sie bekräftigt noch einmal, dass es beim Austritt ihres Landes bleibe. Sie werde den Antrag Ende März einreichen. Zur Äußerung des britischen EU-Botschafters, dass die Verhandlungen bis zu zehn Jahre dauern könnten, will May sich nicht äußern.

Beim Abendessen ohne die Britin soll entschieden werden, dass die EU-Kommission die zentrale Verhandlungsrolle bekommt. So steht es im Entwurf des Textes, der beschlossen werden soll. Die EU-Staaten behalten sich aber vor, auch während der Verhandlungen die Leitlinien für die Positionen der Kommission zu bestimmen und notfalls auch zu verändern.

Das Europäische Parlament soll dem Papier zufolge lediglich "umfassend und regelmäßig" unterrichtet werden. Martin Schulz, der zum letzten Mal als EU-Parlamentspräsident bei einem Gipfel auftritt, genügt dies ganz und gar nicht. Er droht damit, dass die Abgeordneten dem Vertrag über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien am Ende die nötige Zustimmung verweigern könnten.

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